Hamburg. St. Paulis Mittelfeldspieler Bernd Nehrig fordert vor dem Spiel gegen 1860 München mehr Effektivität

Bernd Nehrig ist bei Hamburger Journalisten ein gefragter Mann. Der 29-Jährige ist niemand, der ein Plattitüden-Feuerwerk abfeuert. Spricht man mit dem defensiven Mittelfeldspieler über die Zweitligapartie an diesem Donnerstag (20.15 Uhr/Sport1 und Sky, Liveticker auf Abendblatt.de) gegen 1860 München, bekommt man eine Idee, wie St. Pauli den Start in der Zweiten Liga mit vier Punkten aus fünf Spielen einordnet.

Der Führungsspieler macht keinen Hehl daraus, wie unzufrieden er und seine Mitspieler mit der Punktausbeute sind, dass die internen und externen Erwartungen ganz andere waren. Dennoch warnt Nehrig, zu früh ein erstes Fazit zu ziehen und alles zu verteufeln: „Erst nach dieser englischen Woche kann man sehen, in welche Richtung es für uns in diesem Jahr geht. Wir hätten bisher vier, fünf Zähler mehr haben können.“ Vor allem trauert er den verlorenen Punkten beim Saisonauftakt nach, dem 1:2 in Stuttgart sowie dem verschenkten Sieg beim 1:1 vergangenen Sonntag in Karlsruhe.

Beide Partien waren für Nehrig ein Sinnbild für St. Paulis bisherige Saison. In Stuttgart und beim KSC dominierte der Kiezclub. Doch eine Vielzahl vergebener Chancen sorgte dafür, dass das Team von Trainer Ewald Lienen das Momentum verlor, den Gegner zurück ins Spiel kommen ließ. „Es ist nicht so, dass uns da die Galligkeit fehlt“, sagt Nehrig, der vielmehr an die mentale Stärke seiner Mitspieler appelliert. „Es geht darum, vielleicht einen Tick ruhiger zu werden, wenn man die Möglichkeit hat, ein Spiel zu entscheiden. Häufig haben wir einfach nicht die richtige Entscheidung vor dem Tor getroffen und es verpasst, dem Gegner auch mal einen Schlag zu verpassen. Wir brauchen den absoluten Killerinstinkt.“

St. Pauli lässt deutlich weniger Großchancen zu

Gegen 1860 München wird Nehrig sein 204. Zweitligaspiel absolvieren. Er gehört damit zu den erfahrenen Profis des Vereins. Im defensiven Mittelfeld hält Nehrig dem offensivstarken Christopher Buchtmann den Rücken frei, scheut keine Zweikämpfe und ist einer der wenigen Spieler beim Kiezclub, die dem Gegner mit ihrer Art, Fußball zu spielen, Respekt einflößen. Trainer Lienen hält seit seiner Amtsübernahme im Dezember 2014 große Stücke auf Nehrig, den er vom Rechtsverteidiger zum „Sechser“ umgeschult hat. Der Coach war es auch, der sich dafür einsetzte, dass Nehrig in diesem Sommer einen neuen Einjahresvertrag erhielt.

Nehrig rechtfertigte das Vertrauen. In den bisherigen fünf Zweitligaspielen stand der gebürtige Heidenheimer in der Startelf – und spielte solide. Neuzugang Christopher Avevor bleibt dagegen vorerst nur ein Platz auf der Bank. Nehrigs Meinung hat intern Gewicht. Deshalb versucht der Kämpfer, der auch im Mannschaftsrat sitzt, einen gewissen Optimismus auf seine Teamkollegen zu übertragen.

Nach dem Last-minute-Sieg am Millerntor gegen Bielefeld (2:1) und dem Remis beim KSC hat St. Pauli vor dem Duell gegen die „Löwen“ eine Mini-Serie gestartet. „Auch wenn englische Wochen körperlich hart und anstrengend sind, ist es gut, dass man schnell die Chance bekommt, die Dinge besser zu machen, die wir in Karlsruhe verpasst haben“, sagt Nehrig, dem vor allem die Rückkehr zur gewohnten Defensivstärke gefällt. Anders als zum Saisonstart lässt St. Pauli deutlich weniger Großchancen des Gegners zu.

Das liegt auch an dem besser werdenden Zusammenspiel im Mittelfeldzentrum. „Das ist die wichtigste Basis überhaupt, dass man aggressiv ist, den Gegner bearbeitet, sodass der gar nicht erst eine Chance bekommt“, sagt Nehrig, der dann doch mit einem Augenzwinkern eine Phrase zum Besten gibt: „Wenn man kein Gegentor bekommt, ist die Chance groß, dass man einen Punkt holt und mit einem Tor sogar das Spiel gewinnt.“ Gegen die Münchner erwartet er einen „heißen Fight“.

Trainer Lienen tut deshalb, was er immer tut, er warnt vor dem Gegner: „1860 gehört für mich zu den ersten fünf oder sechs Mannschaften der Zweiten Liga. Sie haben viele gestandene Spieler wie den ehemaligen HSV-Stürmer Ivica Olic geholt, die lange in der Bundesliga gespielt haben.“ Der Verein habe nach den schwierigen vergangenen Jahren einen riesigen Satz gemacht, auch hinsichtlich der Investitionen. „Sie spielen jetzt mit viel Energie und Offensivdrang.“ Aber schon vorher hatten die Hamburger so ihre Probleme mit den 60ern: Die vergangenen vier Spiele, darunter zwei Heimspiele, verlor St. Pauli. 0:2 (H), 0:2 (A), 1:2 (A), 1:2 (H) lauteten die Resultate.