Hamburg. Heute nominiert der Behindertensportverband sein Team für die Spiele im September. Parakanu-Weltmeisterin Edina Müller ist der Star

Natürlich ist die endgültige Nominierung an diesem Montag in Berlin für Gesche Schünemann und ihre drei Mannschaftskameradinnen von den BG Baskets – Simone Kues, Maya Lindholm und Annika Zeyen – keine Überraschung mehr. Seit Monaten haben sie sich auf die Paralympischen Spiele in Rio de Janeiro vorbereitet. Sie wussten, dass sie zum Team gehören werden. Bundestrainer Holger Glinicki hat in Wilhelmsburg mit Unterstützung des Berufsgenossenschaftlichen (BG) Unfallkrankenhauses Boberg und des „Muttervereins“ HSV einen paralympischen Trainingsstützpunkt für Rollstuhlbasketball geschaffen. Optimale Bedingungen für Hochleistungssport.

Also bilden die Basketballer das Gros der Hamburger Athleten, die an den Paralympics (7. bis 18. September), dem weltweit drittgrößten Sportfest, teilnehmen. Zu den vier Frauen kommen Kai Möller und Matthias Heimbach, die die BG Baskets für die nächste Bundesligasaison aus Kaiserslautern verpflichtet haben.

145 Athleten soll die Nominierungsliste des Deutschen Behindertensportverbands (DBS) umfassen. Aus Deutschlands zweitgrößter Stadt gehören zehn Athleten zum Aufgebot. Neben den Basketballern sind das Parakanu-Weltmeisterin Edina Müller, die 2012 Gold als Rollstuhlbasketballerin gewann, Dorothee Vieth (Handbike), Jennifer Heß (Bogenschießen) und Segel-Weltmeister Heiko Kröger. Zehn von 145, das klingt wenig, aber Andreas Meyer, Geschäftsführer des Behinderten- und Rehabilitations-Sportverbands Hamburg (BRS), sagt: „Wir haben noch nie so viele Teilnehmer bei den Paralympics gehabt.“ Doch es sind eben keine Leichtathleten dabei, keine Schwimmer, keine Radfahrer.

Es gibt für diese Sportarten in Hamburg keine paralympischen Trainingszentren, auf denen die Leistungssportförderung des DBS beruht. „Leistungssport im paralympischen Bereich bedarf auch immer einer Finanzierung, das ist schwierig“, sagt der BRS-Vorsitzende Thomas Fromm, „außerdem gibt es nur wenige Sportler, die für Leistungssport infrage kommen.“ Der ehemalige Kugelstoßer ist zugleich Vizepräsident Breitensport des Hamburger Sportbunds (HSB). Wegen begrenzter Mittel sind die Leistungsstützpunkte auf wenige Standorte in Deutschland konzentriert. „Die Anerkennung als paralympischer Trainingsstützpunkt setzt voraus, dass eine sportartspezifische Athletenkonzentration im Einzugsbereich der betreffenden Sportart gegeben ist“, sagt DBS-Leistungssportreferent Marc Kiefer, „in Hamburg ist nur die Voraussetzung für Rollstuhlbasketball gegeben.“

Diese Konzentration führt auch dazu, dass Sportler ihre Heimatorte verlassen und dort trainieren, wo sie die besten Bedingungen vorfinden. Außer Simone Kues stammt keine der Hamburger Basketballerinnen aus dem Norden. Andererseits startet der sehbehinderte geborene Hamburger Kai-Kristian Kruse mit Partner Stefan Nimke im Radtandem für Berlin, die Lübeckerin Vanessa Low für Leverkusen, einem der Zentren des Behindertensports.

Im Zuge der Hamburger Olympiabewerbung für 2024 hatten sich HSB und BRS intensiv mit dem Gedanken beschäftigt, paralympische Leistungszentren für Schwimmen und Leichtathletik zu errichten. Schwimmen fiel nach intensiven Gesprächen mit Bundestrainerin Ute Schinkitz gleich wieder raus.

In der Leichtathletik hätte Bundestrainer Willi Gernemann gern einen Standort im Norden gesehen, die Planungen wurden verfeinert. „Es wäre ein Vollzeittrainer nötig und ein Verein, der sich der Aufgabe annimmt“, sagt Meyer, „wir haben den HSV angesprochen, da war auch eine Bereitschaft vorhanden.“ Letztlich scheiterte der Aufbau einer paralympischen Leichtathletik-Leistungsgruppe auch am gescheiterten Olympiareferendum. Meyer: „Etwa 80.000 Euro hätte das jährlich gekostet. Dieses Geld haben wir nicht.“