Hamburg. Der HSV hat für rund 17,3 Millionen Euro seine Offensive verstärkt. Dazu kommt auch noch Spielmachertalent Alen Halilovic. Die Fans können sich auf geballte Angriffspower freuen

Spielverlagerung, immer wieder, öffnende Pässe. Dann Zwei- gegen-eins-Situationen, Überzahl schaffen. Angriffsformationen üben. Immer wieder. Trainer Bruno Labbadia sah sich das heiße Treiben am heißen Dienstag genau an, griff ab und an ein, auch mal lautstark, speicherte alles auf seiner internen Festplatte ab. Druck, Druck, Druck – der Trainer hat die Qual der Wahl und zahlreiche Möglichkeiten. Lange nicht mehr – wenn überhaupt schon einmal – standen beim HSV derart viele hochveranlagte Angreifer im Kader wie vor der kommenden Bundesligasaison. Die Fans können sich auf stürmische Zeiten freuen.

Mit der Ankunft von Filip Kostic am Montag war das letzte Teilchen im Offensivpuzzle gelegt. Im defensiven Mittelfeld sucht der Club noch. Gerüchte aus Frankreich über ein Interesse an Mittelfeldspieler Benjamin Stambouli von Paris SG konnte der HSV am Dienstag nicht bestätigen. Wahrscheinlicher erscheint da immer noch ein Transfer von Onyinye Ndidi von KRC Genk.

Sechs Stürmer sind nun da: die schnellen Außen Nicolai Müller und Kostic, die Mittelstürmer Pierre-Michel Lasogga und Sven Schipplock und die vielseitigen Bobby Wood und Luca Waldschmidt. Aus dem Mittelfeld sollen zudem Alen Halilovic, Michael Gregoritsch und Aaron Hunt in die Spitze stoßen. Dazu kommen noch die derzeit eher in der „zweiten Reihe“ angesiedelten Außen Nabil Bahoui und Bakery Jatta. „Wir hoffen natürlich, dass sie sich vorne alle gegenseitig pushen“, sagte Labbadia, „dass wir dort einen schönen Konkurrenzkampf bekommen.“

Nur 40 Tore erzielte der HSV in der vergangenen Saison in 34 Spielen. Nur sechs Vereine trafen seltener als die Hamburger, deren bester Schütze Müller neunmal ins Schwarze traf. Mit einer Chancenverwertung von 9,8 Prozent belegten die Hamburger in der vergangenen Spielzeit sogar nur den 15. Platz. „Wir müssen mehr Killer sein, uns fehlt oft die Kaltschnäuzigkeit“, hatte Labbadia während der Saison bereits bemängelt. Der Handlungsbedarf war also offensichtlich.

Und Clubchef Dietmar Beiersdorfer hat geliefert. „An der einen oder anderen Stelle muss man Geld in die Hand nehmen, um Zukunft zu haben“, sagte Beiersdorfer: „Wir wollten Tempo in die Mannschaft bringen. Technische Fertigkeiten und ein bisschen Flair. Wichtig war, auf der linken Außenposition einen Pflock zu setzen.“ Der 12,5 Millionen Euro teure „Pflock“ Kostic zeigte sich am Dienstag erstmals im Training vor knapp 500 Zuschauern. „Die Atmosphäre war super, es ist wichtig, dass das Team so toll unterstützt wird“, sagte der Serbe, der allerdings mit seiner Leistung bei der Premiere noch nicht zufrieden war: „Es war schwer, weil ich die Spieler ja noch nicht persönlich kannte. Aber es wird nach ein, zwei Einheiten sicher besser.“

Kostic war der letzte Zugang für den Angriff, US-Nationalspieler Wood der erste. Bereits im Mai heuerte er in Hamburg für 3,5 Millionen vom FC Union Berlin und der Referenz von 17 Saisontoren an. Für Wood war der Sprung in die Erste Liga der logische Schritt seiner Entwicklung, die ihn aus der Jugendakademie von 1860 München über Aue und Union immer weiter gebracht hat. „Ich will mich jetzt in der Bundesliga durchsetzen“, sagte er.

Das gilt auch für Luca Waldschmidt, den 1,3 Millionen Euro teuren Überraschungstransfer aus Frankfurt, der beim HSV in den ersten Trainingsspielen mit seiner Spielintelligenz derart positiv auffiel, dass Labbadia ihn in einem Atemzug mit Halilovic erwähnte: „Es macht keinen Unterschied, ob einer aus Frankfurt oder Barcelona kommt.“ Sven Schipplock, der im gesamten letzten Jahr nicht ein Tor erzielt hat, ist derzeit mit elf „Buden“ Hamburgs Testspielkönig. Lasogga kam so fit wie nie aus dem Urlaub, Oberschenkel wie Baumstämme, postete Selfies von sich bei Liegestützen am Strand. Der „klassische“ Mittelstürmer könnte am meisten davon profitieren, dass es nun in Müller und Kostic zwei schnelle Außen gibt, die ihn mit Flanken versorgen können.

An diesem Mittwoch reist das Team um 9 Uhr für eine Woche nach Harsewinkel, um sich weiter ungestört vorbereiten zu können. Zwei Testspiele stehen in der Zeit an. Am Freitag (20 Uhr) in Bochum gegen den VfL und am Mittwoch, dem 3. August (18 Uhr), in Celle gegen den al-Jazira Club aus Abu Dhabi. „Wir werden jetzt noch vier Wochen Vollgas geben und intensiv an den Grundlagen arbeiten“, kündigte Labbadia an. „Bei aller Offensive muss zunächst jeder wissen, was zu tun ist. Wenn die Grundlagen nicht stimmen, nützen mir die besten Stürmer nichts.“