Hamburg. Hockeyidol Moritz Fürste ist neben Ingrid Klimke, Lena Schöneborn, Kristina Vogel und Timo Boll ein Kandidat für die Eröffnungsfeier.

Die Nachricht erreichte ihn am späten Freitag in Timmendorf. Moritz Fürste wollte das sommerliche Wochenende nutzen, um sich vor dem für diesen Donnerstag geplanten Abflug nach Rio de Janeiro noch einmal den Kopf von der Ostseeluft freipusten zu lassen und seine Ehefrau Stephanie anzufeuern, die bei den deutschen Meisterschaften im Strandhockey engagiert war. Doch dann konnte sich der Hockey-Nationalspieler vom Uhlenhorster HC, der in Brasilien seine dritten Olympischen Sommerspiele erleben wird, vor Nachrichten kaum retten. Grund dafür war die Nominierung durch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), der in diesem Jahr erstmals den Fahnenträger für die Eröffnungsfeier am 5. August (20 Uhr Ortszeit, 1 Uhr MESZ am 6. August) von Athleten und Fans wählen lässt.

So läuft die Wahl

Fürste ist einer der fünf Kandidaten – und freut sich „wahnsinnig“ über die Nominierung. „Es ist eine unfassbare Ehre, auf die ich megastolz bin“, sagte der 31-Jährige vom Uhlenhorster HC, der mit den deutschen Herren 2008 in Peking und 2012 in London olympisches Gold gewonnen hatte und die ihm zuteil gewordene Ehre sofort auf seine Mitspieler übertrug. „Ich weiß, dass ich als Fahnenträger die Früchte dessen ernten würde, was wir als Mannschaft erreicht haben. Aber es ist für unsere kleine Sportart schon eine tolle Auszeichnung, dass man mich überhaupt nominiert hat, nachdem vor vier Jahren in London mit Natascha Keller bereits eine Hockeyspielerin die Fahne getragen hatte“, sagte er.

Fürste will keinen Wahlkampf starten

Kristina Vogel
Kristina Vogel © dpa | Jörg Carstensen

Ob dieser Fakt seine Chancen bei der Wahl schmälern könnte, darüber wollte sich der Welthockeyspieler von 2012 keine Gedanken machen. Und obwohl der Deutsche Hockey-Bund (DHB) unter dem Hashtag #GoForMo bereits zur Wahl Fürstes aufrief, bleibt der Mittelfeldregisseur selbst gelassen. „Ich werde jetzt sicherlich nicht in einen Wahlkampf einsteigen, denn ich bin überzeugt, dass alle fünf Nominierten unsere deutsche Olympiamannschaft bestens repräsentieren“, sagte er.

Ingrid Klimke]
Ingrid Klimke] © picture alliance / Jan Haas | dpa Picture-Alliance / Jan Haas

Neben Fürste steht mit Ingrid Klimke (48) eine weitere Sportlerin zur Wahl, die zwei olympische Goldmedaillen vorweisen kann. Die Vielseitigkeitsreiterin aus Münster triumphierte 2008 und 2012 mit dem Team, gewann zudem 2006 und 2014 WM-Gold mit der Mannschaft. Die für SSF Bonn startende Berlinerin Lena Schöneborn (30) gewann 2008 Einzelgold im Modernen Fünfkampf und 2015 bei der Heim-WM ebenfalls den Solotitel. Dazu war sie mit der Mannschaft 2009 und 2011 Weltmeisterin. Der größte Erfolg der Erfurter Bahnradsportlerin Kristina Vogel (25) war 2012 in London der Olympiasieg im Teamsprint an der Seite von Miriam Welte (Kaiserslautern), zudem kann sie zwölf WM-Titel in verschiedenen Disziplinen vorweisen.

Timo Boll
Timo Boll © dpa | Sven Hoppe

Fürstes Favorit ist aber Tischtennis-Ass Timo Boll (35), obwohl der Odenwälder der einzige Kandidat aus dem Quintett ist, der trotz vier Olympiateilnahmen keine Goldmedaille vorweisen kann. 2008 in Peking war er mit dem Team immerhin Zweiter. Boll ist in China, wo Tischtennis Nationalsport ist, einer der bekanntesten Deutschen überhaupt und gilt, weil er seit mehr als zehn Jahren zur Weltspitze zählt, als Wegbereiter seiner Sportart. „Es spielen viel mehr Menschen in Deutschland Tischtennis als Hockey, deshalb glaube ich, dass Timo große Chancen hat, gewählt zu werden“, sagte Fürste.

Fürste ist unter Athleten hoch angesehen

Unter den Athleten genießt der Hamburger allerdings hohes Ansehen, weil er sich immer wieder für die Gemeinschaft starkmacht. Als seine Geburtsstadt im März 2015 in der Frankfurter Paulskirche offiziell als deutscher Kandidat für die Bewerbung um die Ausrichtung der Sommerspiele 2024 gekürt wurde, hielt Fürste eine Rede. Ende vergangenen Jahres scheiterte der Marketingexperte, der für die Agentur thjnk in Hamburg als Direktor Sportmarketing arbeitet, bei der Wahl des deutschen Kandidaten für die Athletenkommission des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) nur knapp an Degenfechterin Britta Heidemann. Und als sich kürzlich Golfstar Rory McIlroy despektierlich über Olympia äußerte, war es Fürste, der in den sozialen Medien eine passende Antwort formulierte. „Rory, du bist ein Idiot. Du bist kein Sportler, sondern Geschäftsmann“, schrieb er.

Lena Schöneborn
Lena Schöneborn © picture alliance / Frank May | dpa Picture-Alliance / Frank May

Den Kampf für die olympische Idee will Moritz Fürste auch in diesen Zeiten, in denen traurige Nachrichten von Doping und Zika, von Gewalt und Verkehrsproblemen die Vorfreude auf Rio überlagern, nicht aufgeben. „Natürlich überschatten diese Themen das Ansinnen vieler Athleten, die in Rio einen sauberen und fairen Wettkampf bieten und den Höhepunkt ihrer Karrieren erleben wollen“, sagte er. Auch wenn es richtig sei, diese Themen zu diskutieren, solle die Bürde, die der Sport zu tragen hat, nicht allzu schwer gemacht werden. „Sportler sind ein Spiegel der Gesellschaft, und deswegen wird es auch immer welche geben, die betrügen. Aber ein großer Teil derjenigen, die es zu Olympia schaffen, steht für einen fairen, friedlichen Wettkampf, und das sollte nicht ausgeblendet werden.“

Er selbst freue sich riesig auf seine dritten Spiele, auf die Atmosphäre im Dorf und die Stimmung in Brasilien. Die Eröffnungsfeier zu besuchen habe für ihn nie infrage gestanden, auch wenn das erste Gruppenspiel gegen Kanada bereits am Tag danach um 18 Uhr Ortszeit ansteht. Am 4. August wird Moritz Fürste wissen, ob der Besuch für ihn zu einem noch exklusiveren Erlebnis werden wird.