Évian-les-Bains .

Eine Million Euro war das kleine Stückchen Recyclingpapier ein Jahr später wert. Für den guten Zweck ersteigerte es ein Energiekonzern und überließ es dem Haus der Geschichte in Bonn. Darauf zu lesen sind die Bleistiftnotizen eines Mannes, der nun wieder ein gefragter Gesprächspartner ist: Andreas Köpke (54), Torwarttrainer der Nationalmannschaft. Das Zettelchen hatte er im Jahr 2006 zusammengekritzelt. Es sollte damals Torhüter Jens Lehmann befähigen, die Argentinier im Viertelfinale der Heim-WM zu bezwingen, wenn es zu einem Elfmeterschießen käme. Kam es. Lehmann hielt. Das Papier wurde zum Kult.

Noch einen Tag ist es bis zum Duell mit Italien. Und wenn die beiden besten Defensivreihen des Turniers aufeinandertreffen, ist die Entscheidungsfindung aus elf Metern eine denkbare Variante. Nach dem Vormittagstraining in Évian schritten die Nationalspieler zur Übung an den Punkt. Bundestrainer Joachim Löw lässt den Ernstfall proben. „Wir werden optimal auf ein mögliches Elfmeterschießen vorbereitet sein, so wie in der Vergangenheit“, sagt Köpke.

Deutschlands beste Präzisionsschützen sind Thomas Müller und Mesut Özil. Das Duo ist weiter erste Wahl, wenn es während der 90 oder 120 Minuten einen Elfmeter gibt. Özil verschoss zwar im Achtelfinale gegen die Slowakei (3:0), das war bei einer EM zuletzt 1976 passiert. Bleibende Schäden hat er nicht davongetragen. Köpke: „Wenn es drauf ankommt, wird er wieder schießen.“

Mit Bastian Schweinsteiger, Mats Hummels, Jérôme Boateng und Mario Gomez verfügt die DFB-Elf über weitere potenzielle Schützen. Auch Toni Kroos wäre für diesen Job prädestiniert, wenngleich ihm die Sache von damals noch ein wenig nachhängt. Als Bayern-Profi verweigerte er den Schuss im Champions-League-Finale von München gegen den FC Chelsea. Torwart Manuel Neuer sprang für ihn ein – und traf. Das Spiel ging trotzdem verloren. Aber das ist vier lange Jahre her.

Spiele zwischen Deutschland (Bilanz bei Elfmeterschießen bei großen Turnieren: 5:1 Siege) und Italien (3:5) mussten noch nie auf diese Weise entschieden werden. Schade eigentlich: Von 41 Elfmetern in acht Elfmeterschießen verwandelten die Italiener nämlich nur 29 (71 Prozent), acht wurden gehalten, vier Schüsse gingen vorbei. Auf dem Weg zu ihrem bisher letzten EM-Titel 1996 schaltete die deutsche Elf Gastgeber England im Halbfinale im Shoot-out aus. Im Tor: Andreas Köpke. Aber darauf mag sich niemand verlassen. „Wir haben seit 2006 kein Elfmeterschießen mehr gehabt, und ich wäre froh, wenn wir auch dieses Mal keines benötigen würden“, sagt Köpke.