Irland erzielte das zweitschnellste Tor der EM-Geschichte. Doch nach dem Seitenwechsel drehte Gastgeber Frankreich auf.

Antoine Griezmann atmete erleichtert durch, der von einer Zentnerlast befreite Superstar Paul Pogba küsste den Doppeltorschützen glücklich auf die Wange: Vive la France - Frankreich lebt!

Der überragende Griezmann hat den EM-Gastgeber vor einer sportlichen Katastrophe bewahrt. Zwei Treffer des Stürmerstars (58./61.) bescherten der Equipe tricolore einen 2:1 (0:1)-Zittersieg im Achtelfinale gegen Irland und ersparten der Grande Nation eine riesengroße Blamage.

„Die Iren haben gut gespielt, wir hatten aber auch schon gute Möglichkeiten in der ersten Hälfte. Es hätte viel eher klar sein müssen, aber wir sind jetzt einfach glücklich“, sagte Trainer Didier Deschamps: „Das ist großartig für alle Franzosen!“

Irland mit zweitschnellstem EM-Tor

Robbie Brady (2., Foulelfmeter) ließ die kampfstarken „Boys in green“ mit dem zweitschnellsten Tor der EM-Geschichte von einer Sensation träumen. Doch spätestens nach der Roten Karte gegen Shane Duffy nach einer Notbremse an Griezmann (66.) war das Spiel zugunsten des nun wie entfesselt aufspielenden Favoriten entschieden. Der eingewechselte André-Pierre Gignac traf zudem die Latte (77.).

Deschamps muss im Viertelfinale gegen England oder Island am Sonntag in St. Denis allerdings auf die gelbgesperrten Adil Rami und N’Golo Kante verzichten.

Im Stade de Lyon war schon vor dem Anpfiff alles für eine Siegerparty bereitet. Auf der Ehrentribüne saß Francois Hollande, dem Anlass angemessen mit blau-weiß-rotem Schal. Doch was der französische Staatspräsident und 56.278 weitere Zuschauer zunächst zu sehen bekamen, war alles andere als das Erwartete - im Gegenteil!

Es waren gerade einmal 59 Sekunden gespielt, da bekam Irland bereits einen Vorgeschmack auf Rache für die „Hand of Frog“. Denn darum ging es ja auch: Um eine Revanche für die verpasste WM-Qualifikation 2010, die Thierry Henry den Iren mit einem Handspiel vermasselt hatte. Als der französische Topstar Paul Pogba Stürmer Shane Long von den Beinen holte, entschied Schiedsrichter Nicola Rizzoli (Italien) auf Strafstoß. Brady ließ Hugo Lloris mit seinem Schuss an den rechten Innenpfosten keine Chance.

Die Liste der schnellsten EM-Tore

1. Dimitri Kiritschenko (Russland)

67 Sekunden am 20. Juni 2004 im Vorrundenspiel Russland - Griechenland (2:1)

2. Robert Lewandowski (Polen)

1:40 Minuten am 30.06.2016 im Viertelfinale Polen - Portugal

3. Robbie Brady (Irland)

1:58 Minuten am 26. Juni 2016 im Achtelfinale Frankreich - Irland

4. Sergej Aleinikow (UdSSR)

2:07 Minuten am 18. Juni 1988 im Vorrundenspiel England - Sowjetunion (1:3)

5. Petr Jiracek (Tschechien)

2:14 Minuten am 12. Juni 2012 im Vorrundenspiel Tschechien - Griechenland (2:1)

6. Alan Shearer (England)

2:14 Minuten am 26. Juni 1996 im Halbfinale Deutschland - England (6:5 i.E., 1:1 n.V.)

7. Michael Owen (England)

2:25 Minuten am 24. Juni 2004 im Viertelfinalspiel Portugal - England (6:5 i.E., 2:2 n.V.)

8. Christo Stoitschkow (Bulgarien)

2:27 Minuten am 13. Juni 1996 im Vorrundenspiel Bulgarien - Rumänien (1:0)

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Coman belebte Frankreich

Die Franzosen setzten nach dem Rückstand zu einem Sturmlauf an, doch nach guten 15 Minuten verpuffte der Elan. Den nervös wirkenden Blauen fiel herzlich wenig ein. Vor allem Pogba, der Mann, der bei der EM zur „Legende“ werden wollte, war in Hälfte eins weit von seiner Topform entfernt. Dabei hatte auch er sich etwas Besonderes einfallen lassen: ein goldener Haarkranz zierte sein Haupt.

Bei seinen Kollegen regierte bald der Frust, Kanté und Rami leisteten sich unnötige Fouls. Frankreich hatte Glück, dass Duffy nach gewonnenem Luftduell mit Pogba nicht auf 0:2 erhöhte. Und das, obwohl die Gäste mit fünf (!) Spielern aus der zweiten englischen Liga antraten - gegen Stars wie Pogba, Griezmann oder Dimitri Payet. Diese versuchten es schon Ende der ersten Halbzeit mit der Brechstange, die Iren warfen sich aufopferungsvoll in die Schüsse.

Deschamps brachte zu Beginn des zweiten Durchgangs Kingsley Coman. Der schnelle Außenstürmer des deutschen Meisters Bayern München sollte das Team beleben. Mit den hohen Bällen auf Spitze Olivier Giroud hatten die Iren zuvor leichtes Spiel gehabt.

Der Ausgleich kam dann tatsächlich durch eine Hereingabe von der Außenposition zustande, allerdings von Bacary Sagna. Der nur 1,75 m große Griezmann ließ die kopfballstarke irische Abwehr alt aussehen. Bei seinem dritten EM-Tor ließ er Darren Randolph mit einem Flachschuss keine Chance - und erlöste eine ganze Nation. Der nun völlig befreite Gastgeber mit einem verbesserten Pogba hätte noch höher gewinnen können.

Die Statistik

Frankreich: Lloris/Tottenham Hotspur (29 Jahre/79 Länderspiele) - Sagna/Manchester City (33/61), Rami/FC Sevilla (30/32), Koscielny/FC Arsenal (30/33), Evra/Juventus Turin (35/77) - 15 Pogba/Juventus Turin (23/35), 5 Kanté/Leicester City (25/7) ab 46. Coman/Bayern München (20/8) ab. 90.+3 Sissoko/Newcastle United (26/41), 14 Matuidi/Paris St. Germain (29/48) - 7 Griezmann/Atletico Madrid (25/31), 9 Giroud/FC Arsenal (29/52) ab 73. Gignac/UANL Tigres (30/30), 8 Payet/West Ham United (29/23). - Trainer Deschamps

Irland: Randolph/West Ham United (29 Jahre/13 Länderspiele) - Coleman/FC Everton (27/38), Keogh/Derby County (29/14), Duffy/Blackburn Rovers (24/5), Ward/FC Burnley (30/35) - McCarthy/FC Everton (25/39) ab 72. Hoolahan/Norwich City (34/34), Hendrick/Derby County (24/25) - Brady/Norwich City (24/27), McClean/West Bromwich Albion (27/42) ab 68. O’Shea/AFC Sunderland (35/113) - Long/FC Southampton (29/67), Murphy/Ipswich Town (33/22) ab 65. Walters/Stoke City (32/40). - Trainer: O’Neill

Schiedsrichter: Nicola Rizzoli (Italien)

Tore: 0:1 Brady (2., Foulelfmeter), 1:1 Grizemann (58.), 2:1 Griezmann (61.)

Zuschauer: 56.279

Rote Karte: Duffy nach einer Notbremse (66.)

Gelbe Karten: Kante (2), Rami (2) - Coleman, Hendrick (2), Long (2)

Torschüsse: 25:6

Ecken: 9:1

Ballbesitz: 63:37 %