Pinneberg. Hamburgs beste Springreiterin hat im Kreis Pinneberg eine neue Anlage gebaut, auf der sie in Ruhe trainieren kann.

„Wenn das Haus fertig ist, dann kommt der Tod“, so lautet ein arabisches Sprichwort. Janne Friederike Meyer hebt dennoch mehrfach die Hände als Geste der Entschuldigung, während sie den Abendblatt-Besuch herumführt. „Wir sind leider noch immer nicht ganz fertig, es ist noch einiges zu tun“, sagt sie. Das Sprichwort im Hinterkopf, wünscht man ihr, dass sich das nie ändern möge. Das Paradies, das sich Hamburgs beste Springreiterin geschaffen hat in Waldenau, vor den westlichen Toren Hamburgs mitten im Forst Klövensteen, ist auch trotz einiger Baustellen unverkennbar.

Im vergangenen Jahr war in der 35-Jährigen der Entschluss gereift, ihre angestammte Trainingsstätte in Schenefeld zu verlassen. Zu eng war es ihr geworden im Reitstall Friedrichshulde, wo sie fast zehn Jahre lang beheimatet war. Deshalb suchten die Riders-Tour-Gewinnerin von 2015 und ihr Lebens­gefährte Christoph Zimmermann ein Gelände, um einen eigenen Betrieb aufziehen zu können.

Die neue Anlage war bis Januar ein Dressurstall

Fündig wurden sie in Waldenau, einem Ortsteil der Kreisstadt Pinneberg. „Wir hätten unheimlich gern selbst gebaut, aber in der Metropolregion Hamburg gibt es kein erschwingliches Bauland“, sagt Janne Meyer. Der ehemalige „Neue Eichenhof“, der schließlich ihr Interesse weckte, war bis Ende vergangenen Jahres ein Dressurstall. Bis zu 55 Pferde standen dort in Pension, auch Alexan­dra Stich, Ehefrau von Wimbledon­sieger Michael Stich, hatte ihre Tiere dort untergebracht. Die Besitzerin Susann Schieferdecker entschied sich aber dazu, ihre Anlage an Janne Meyer abzutreten und zu einem internationalen Springstall werden zu lassen. Im Januar wurde der Kauf besiegelt, seit Anfang Mai stehen nun die derzeit 17 Pferde der gebürtigen Hamburgerin in den runderneuerten Boxen.

Die neue Führanlage mit federndem Gummiboden
entstand in einer ehemaligen Lagerhalle
Die neue Führanlage mit federndem Gummiboden entstand in einer ehemaligen Lagerhalle © HA | Roland Magunia

Um sich das rund 4,5 Hektar große Grundstück nach eigenen Vorstellungen herzurichten, haben Meyer und Zimmermann, die neben Preisgeldern und Sponsoringeinkünften vor allem von Ausbildung und Verkauf ihrer Pferde leben, zusätzlich zum – geheimen – Kaufpreis eine hohe sechsstellige Summe in die Instandsetzung investiert. „Zu den Dingen, die wir geplant haben, kam zum Beispiel dazu, dass fast alle Wasserleitungen dicht waren, sodass wir das komplette Pflaster anheben und neu setzen lassen mussten“, beschreibt Meyer die Tücken, die jeder Hausbesitzer kennt.

Das, was innerhalb des vergangenen halben Jahres entstanden ist, kann allerdings höchsten Ansprüchen genügen. Herzstück der Anlage ist der 60 mal 90 Meter große Springplatz, der es ermöglicht, internationale Distanzen nachzubauen. Umrundet wird er von einer Rennbahn, auf der die Pferde mit Kraft frei galoppieren können. Ein zweiter, 20 mal 60 Meter großer Dressur- und Springplatz bietet Ausweichmöglichkeiten, ebenso der großzügige Naturrasen, an dessen Stirnseite ein dem Großen Wall auf dem Derbyplatz in Klein Flottbek nachempfundenes Naturhindernis aufgeschüttet wird. Und bei schlechtem Wetter oder im Winter kann in der mit neuem, elastischen Sandboden ausgestatteten, 20 mal 60 Meter großen Springhalle gearbeitet werden.

Auch die Stallgassen sind echte Schmuckstücke geworden, die den Respekt vor den Tieren, der Janne Meyer auszeichnet, ausstrahlen. Auf dem Platz, den früher drei Boxen einnahmen, sind jetzt nur zwei Pferde untergebracht. Zehn Boxen sind für die Turnierpferde reserviert, zwölf weitere für Jungtiere, die sich in der Ausbildung befinden. Mit großem Vergnügen führt Janne Meyer die in einer ehemaligen Lagerhalle neu errichtete Führanlage vor, in der mehrere Tiere ohne Aufsicht im Schritttempo laufen können. Der Clou: Dank der Größe der oval gebauten Anlage müssen die Pferde nicht im Kreis gehen, sondern können an den Längsseiten geradeaus trotten, was ihrer Natur entspricht.

Johanna Huesmann, vom 1. Juli an neue Bereiterin,
trainiert auf dem großen Springplatz
Johanna Huesmann, vom 1. Juli an neue Bereiterin, trainiert auf dem großen Springplatz © HA | Roland Magunia

Doch nicht nur die Pferde haben es gut im neuen Reich der Janne Meyer. Im Büro ihrer Assistentin Anne Fischbach, die durch ein Panoramafenster in die Springhalle schauen kann und dort erste Anlaufstelle für Gäste sein soll, lädt ein offener Kamin zum Verweilen an kalten Tagen ein. Das Büro der Chefin ist schmuckloser, dafür verraten die vielen Pokale und gerahmten Siegerfotos im Glasschrank einiges über den sport­lichen Erfolg.

Mittelfristig will Meyer auf ihrem neuen Hof auch leben

Vier feste Mitarbeiter und zwei Minijobber hat das Paar angestellt. Betriebsleiter Sebastian und sein Kollege Adam leben sogar auf der Anlage. Mittelfristig wollen Janne Meyer und Christoph Zimmermann das auch tun. Das wunderschön hinter Rhododendren versteckte Einliegerhaus soll irgendwann, wenn Besitzerin Schieferdecker einen passenderen Alterswohnsitz gefunden hat, ihr Zuhause werden. Bis dahin jedoch pendeln sie von ihrer Wohnung an der Palmaille. 20 Minuten brauchen sie, wenn der Verkehr normal ist und sie antizyklisch fahren können.

Ob sie in Zukunft ihre Anlage für andere Sportler öffnet, hat Janne Meyer noch nicht entschieden. Ebenfalls unklar ist, ob sie die Zucht, die derzeit auf der Anlage ihrer Eltern in Nottfeld bei Süderbrarup stattfindet, hier übernehmen will. „Klar ist, dass wir keinen klassischen Einstellerbetrieb möchten, denn die Intention hinter dem Wechsel war ja, mehr Ruhe fürs Training zu haben“, sagt sie. Selbst Training zu geben oder Lehrgänge anzubieten, das sei denkbar. „Aber es muss zu uns passen.“

In diesem Büro empfängt Meyers Assistentin Anne
Fischbach die Besucher
In diesem Büro empfängt Meyers Assistentin Anne Fischbach die Besucher © HA | Roland Magunia

Im September, hofft Janne Friederike Meyer, wollen sie Eröffnung feiern. Dann soll die Reitanlage, deren neuer Name bis dahin geheim bleibt, im besten Fall Heimstatt einer zweimaligen Olympiastarterin sein. Nachdem die Premiere 2012 in London mit Platz zehn im Teamwettbewerb und Rang 41 im Einzel daneben ging, steht ihre Teilnahme an den Spielen in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) noch in den Sternen.

Beim CHIO in Aachen (8. bis 17. Juli) muss sie mit ihrem Toppferd Goja ein Spitzenergebnis liefern, um Bundestrainer Otto Becker zu überzeugen. „Stand heute wäre ich nicht dabei, die fünf geplanten Rio-Starter haben Trainingsvorsprung. Goja ist aufgrund seiner Verletzung im Winter noch nicht in der Form des Vorjahres“, sagt sie, „und wenn ich ehrlich bin, läuft mir bis Rio die Zeit davon.“ Zeit, und damit könnte sie sich im Misserfolgsfall trösten, die sie mit dem Umbau der neuen Heimat allerdings bestens investiert hat.