Hamburg. Wie Trainer Claas Henkel die Damen des Uhlenhorster HC zum dritten Mal in die Finalspiele um die deutsche Feldmeisterschaft führte.

    Frauenversteher? Nein, sagt Claas Henkel, mit diesem Begriff könne er weder viel anfangen noch ihn in irgendeiner Weise auf sich beziehen. Nur weil er mit großem Erfolg eine Damenmannschaft in der Hockey-Bundesliga trainiere, könne man daraus nicht ableiten, dass er jede einzelne seiner Spielerinnen auch erreiche, und außerdem: Für Stereotypen oder Klischees habe er grundsätzlich nicht viel übrig. „Es gibt ja nicht nur einen Typ Trainer, der Erfolg hat“, sagt er, „das muss man differenzieren.“

    Weil das natürlich stimmt, lohnt ein intensiverer Blick auf das, was der 36-Jährige in den drei Spielzeiten, die er jetzt als Cheftrainer beim Uhlenhorster HC wirkt, geschaffen hat. Dass er an diesem Sonnabend mit seinem Team zum dritten Mal in Serie ein Halbfinale um die deutsche Feldmeisterschaft von der Seitenlinie erleben darf, wenn der UHC bei der Endrunde in Mannheim um 14.15 Uhr gegen den Düsseldorfer HC antritt, ist keine große Überraschung. Immerhin standen die „Uhlen“ bei den vergangenen sieben Endrunden im Finale, 2009, 2011 und 2015 gewannen sie es sogar.

    Die Endrundenqualifikation ist angesichts eines mit sieben für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (5. bis 21. August) nominierten Auswahlspielerinnen gespickten Kaders also fast schon Pflicht. Die Gier nach Erfolg und die gleichzeitige Lust auf Leistungsbereitschaft hoch zu halten, das ist allerdings in jeder Spielzeit aufs Neue eine Herausforderung, und genau darin besteht für Henkel der Reiz seines Jobs. „In unserem Alltag ist die Historie gar nicht präsent, denn jedes Spielwochenende hat seine eigene Geschichte“, sagt er. „Außerdem hat sich der Kader über die Jahre immer verändert, so dass es auch in dieser Saison wieder Spielerinnen gibt, die noch nie ein Halbfinale gespielt haben. Die zu integrieren und in die Lage zu versetzen, ihre Bestleistung abzurufen, ist für mich spannend.“

    Henkel versteht sich als Begleiter der Spielerinnen

    Einfach ist es nicht, eine Ansammlung erfahrener Nationalspielerinnen und talentiertem Nachwuchs zu einer Einheit zu formen, zumal im Trainingsbetrieb unter der Woche die Auswahlakteurinnen oft wegen Lehrgängen fehlten. Nur mit einer funktionierenden Hierarchie und der Be­reit-­schaft, Erfahrungen weiterzugeben, sei das möglich, sagt Henkel, der die Eigenmotivationsfähigkeit seiner Spielerinnen gern hervorhebt. „Den Mädels die Lust am Hockey zu vermitteln, das ist die einfachste Aufgabe auf diesem Planeten.“

    Wer den gebürtigen Potsdamer bei der Arbeit beobachtet, der kann verstehen, was Henkel meint, wenn er über seine persönliche Entwicklung spricht. Hockey sei für ihn über die Jahre vom Trainer- zum Spielerspiel geworden. Heißt: Nahm er früher viel mehr als Vordenker Einfluss und stieß von außen Prozesse an, so versteht er sich heute als „Begleiter“ der Spielerinnen, die er als Gleichberechtigte behandelt.

    Die Aussage, ein Team zeige „die Handschrift eines Trainers“, empfindet er mitnichten als Kompliment, „weil es doch viel besser ist, wenn die Spielerinnen ihre Fähigkeiten und Persönlichkeiten ausdrücken, anstatt nur Anweisungen umzusetzen.“ Je mehr Verantwortung jedes einzelne Teammitglied trage, desto mehr stünde das Team in seiner Gesamtheit hinter dem eingeschlagenen Weg. „Meiner Auswahl dabei zuzuschauen, wie sie in dem selbst gewählten Spielsystem aufgeht, das ist für mich der Sinn des Sports!“

    Manchmal eckt er an

    Tatsächlich gelingt es Henkel immer öfter, diesen Sinn zu genießen. Er greift weniger als die meisten seiner Bundesligakollegen ins Spielgeschehen ein, ist dabei in seinen Ansagen jedoch deutlich und klar. Manchmal eckt er noch an mit seiner Deutlichkeit an, „denn man kann nicht verleugnen, dass die Arbeit mit Frauenteams wesentlich mehr auf der Emotionsebene abläuft als bei Männern.“ Dennoch fühle er sich als das, was er sein will: Ein anerkanntes Teammitglied, das von seinen Spielerinnen ehrliches – auch kritisches – Feedback erhält.

    Claas Henkel war 22 Jahre alt, als eine Knieverletzung seine aktive Hockeykarriere jäh beendete. Bei seinem damaligen Berliner Verein SC Charlottenburg wurde ein Coach für die Regionalligadamen gesucht, und weil Henkel ein Bauchmensch ist und gegen das Argument, er habe ja nun Zeit, nichts Entscheidendes einzuwenden hatte, wurde er eben Trainer. Als er nach seinem Politikstudium nach München ging, um seinen Berufswunsch Journalismus mit Volontariaten bei einer Zeitschrift für zeitgenössische Kunst und einem Magazin für Individualreisen zu erfüllen, übernahm er die Bundesligadamen des Münchner SC. Fünf Jahre später folgte der Wechsel zum UHC.

    Seit 2015 arbeitet Henkel zusätzlich als Jugendkoordinator in Marienthal

    Seinen Club liebt Claas Henkel, „weil ich mich hier nicht wie ein Angestellter fühle, sondern wie ein Vereinsmitglied.“ Mit seiner Frau, die als Ärztin in der Rehabilitationsmedizin arbeitet, und den Kindern Oskar, 4, und Helene, 1, lebt er in Sasel, fährt von dort mit dem Rad zur UHC-Anlage. So viel Lebensqualität gibt man nur schwer auf, und weil er nie einen Karriereplan hatte, ist sein einziges Ziel, „weiter so viel Spaß im Job zu haben wie derzeit“.

    Die Verbindung zum Journalismus hat er nie ganz gekappt, seine pointierten und humorvollen Kolumnen für das Internetportal hockey.de zeugen davon, dass sich sein Talent nicht auf das Trainieren von Hockeyteams beschränkt. Sein Leitmotiv, das Journalisten und Sportler verbindet, ist die Neugier. „Ich liebe es, dass jeder Tag anders ist und ich nie weiß, was kommt“, sagt er. Neugierig zu bleiben, um herauszufinden, wohin das Leben führen kann, ohne dabei die Ruhe zu verlieren, das sei, wonach er strebe. Perfektionismus dagegen passe nicht in sein Denken. „Das würde bedeuten, dass man fertig wäre, wenn man die Perfektion erreicht hat.“

    Um nicht vom Sog der Gewohnheit mitgerissen zu werden, hat Claas Henkel 2015 beim Marienthaler THC die Position des Jugendkoordinators übernommen. Eine Aufgabe, die ihn als Trainer wach hält. „Die Mischung aus dem Wissen, was oben gefragt ist und wie man die Basis dafür legt, erweitert meinen Horizont.“ Sie hilft ihm, das eigene Tun stets zu hinterfragen und sich zu vergewissern, welche Wirkung er auf andere hat. Und so das zu sein, was er ist: ein Menschenversteher.