Hamburg . Regionalligist gewinnt Oddset-Pokal gegen Altona 93 mit 4:1 n. V. Oberligist fehlen unter den Augen von DFB-Boss Grindel nur zwei Minuten zur Sensation

    Im Augenblick seiner bittersten Niederlage blickte Altonas Linksverteidiger Jakob Sachs weit voraus: „Wir werden alles geben, um Eintracht Norderstedt im nächsten Jahr erneut im Finale gegenüberzustehen. Zur Revanche!“ Auf dem Feld tanzten zeitgleich die Norderstedter Spieler ausgelassen vor ihrer Fankurve. Zwei Spielminuten nur, und die Rollen wären anders verteilt gewesen. Bis zur 89. Minute schrieb Altona 93 im Oddset-Pokalfinale gegen Eintracht Norderstedt vor 4705 Zuschauern an der Hoheluft die Geschichte des Spiels als eine des erfolgreichen Außenseiters. 1:0 führte der Oberligist bis zu diesem Zeitpunkt durch ein glückliches Tor von Ricardo Balzis (5.). Nick Brisevacs missratene Ecke drückte Balzis nach viel Pingpong im Fünfer über die Linie.

    Das überraschte nicht nur DFB-Präsident Reinhard Grindel und HSV-Legende Uwe Seeler, prominente Ehrengäste der Partie im „Hamburger Wembley“. Sollte Altona dem eine Klasse höher spielenden Regionalligisten Norderstedt ein Bein stellen können? „Norderstedt hätte sich fünf Jahre geärgert, wenn sie durch dieses Stochertor verloren hätten“, sagte Seeler später. Beinahe wäre es so weit gekommen. Altona agierte in Hälfte eins mit viel Spielwitz, bisssig, trotzte nachlassender Kondition in Hälfte zwei mit unbändigem Kampf. Norderstedt kam trotz optischer Überlegenheit oft viel zu pomadig daher, vergab fünf Torchancen. Als der Favorit seine sechste Einschussmöglichkeit durch Kapitän Philipp Koch versiebte, einen von Altonas Torwart Joshua du Preez selbstverschuldeten indirekten Freistoß aus sieben Metern (75.), verließ Norderstedts Trainer Thomas Seeliger der Mut.

    „Ich bin ganz ehrlich: Ich habe nicht mehr an unseren Sieg geglaubt“, gestand er. Recht behielt jedoch Seeligers Co-Trainer Stefan Siedschlag, der Seeligers Zweifel mit den Worten „Wir machen noch unsere Hütte“ gekontert hatte. Weil Altonas Ronny Buchholz eine Flanke von Juri Marxen zentral aus dem Sechzehner köpfte, Norderstedts Deran Toksöz den auftickenden Ball brillant mit der Sohle stoppte und ihn, abgefälscht von Cody Shields, wuchtig in die Maschen donnerte (89.).

    „In diesem Moment haben wir unsere Emotionen krass gezeigt“, beschrieb Toksöz den Augenblick des frentischen Jubels, Auftakt des Triumphzugs von Eintracht Norderstedt. In der Verlängerung dominierten die Garstedter nun ein völlig unterlegenes Altona nach Belieben. Jan Lüneburg mit einem traumhaften Gewaltschuss aus 25 Metern (97.), Koch mit der Pike nach einem Konter (112.) und Marco Schultz im Anschluss an ein feines Dribbling (120.+2) dokumentierten die jetzt haushohe Überlegenheit des Regionalligisten mit ihren Treffern zum 4:1. Die Qualifikation für die erste Runde des DFB-Pokals, samt 140.000 Euro Antrittsgeld, war perfekt.

    „Wir haben total verdient gewonnen“, fand Toksöz. „Altona war in der Verlängerung platt. Wir haben dann unsere spielerische Klasse ausgespielt“, analysierte Coach Seeliger, der Altonas starke Leistung bei seinem herzlichen Auftritt auf der Pressekonferenz lobte und dem Oberligisten „den Aufstieg in die Regionalliga“ wünschte. Altonas Trainer Berkan Algan sprach seinem Team „ein „Riesenkompliment“ aus. Wir haben bis zur 89. Minute wenig zugelassen. Dass es so endet, ist Fußball.“

    Fußball, der durch die ARD zum ersten Mal in der Geschichte der Pokalfinalspiele der Amateure bundesweite TV-Präsenz erhielt. Pokalendspiele in 17 Landesverbänden wurden in drei Blöcken (12.30 Uhr/14.30 Uhr/17 Uhr) live in Konferenzschaltungen übertragen. Da im ersten Block nur Hamburgs Endspiel nach 90 Minuten unentschieden stand, flimmerte das von Gerd Gottlob fachkundig kommentierte Duell in Hälfte eins der Verlängerung komplett live über den Bildschirm. Leider blieb für die Nachbereitung des Spiels durch den engen Programmplan kaum Zeit, und die Siegerehrung auf dem Platz besaß nicht den Charme früherer Ehrungen auf der alten Tribüne. DFB-Präsident Reinhard Grindel zog ein positives Fazit: „Ich hoffe, dieser Tag bleibt unvergessen als Start für eine tolle Initiative zugunsten der Amateure. Wir sind zuversichtlich, dass es nicht bei einer TV-Übertragung bleibt. Das hängt auch von den Quoten ab“, sagte er. 530.000 Menschen (6,3 Prozent Marktanteil) schalteten zu Beginn der Übertragung ein. In der Spitze verfolgten 1,37 Millionen (10,2 Prozent) den „Finaltag der Amateure“. Einen Wunsch hat die ARD bereits geäußert. Grindel: „Der Finaltag der Amateure soll auf den Tag des DFB-Pokals gelegt werden. Wir müssten dann klären, wann das DFB-Pokalfinale der Frauen stattfinden soll.“ Ob die ARD, so wie Altonas Jakob Sachs, 2017 dabei sein will, bleibt also bis auf Weiteres offen.