Hamburg. Erstmals beträgt der Etat in Klein Flottbek für Spring- und Dressurreiter mehr als drei Millionen Euro. In 38 Prüfungen gibt es bis zum Sonntag 1,1 Millionen Euro Preigeld zu verdienen. Freitag kommt Steffi Graf

    Annabell Behrmann

    Als Turnierchef Volker Wulff am Dienstag den Parcours abschritt, registrierte er die zwischenzeitlichen Regengüsse mit Gelassenheit: „Der Boden ist in erstklassigem Zustand.“ Tatsächlich sind die Aussichten für das fünftägige Pferdefestival im Flottbeker Derbypark formidabel. Stimmen die Vorhersagen nicht nur witterungsbedingt, könnte die bisherige Bestmarke von 87.000 Zuschauern überboten werden.

    Das frühsommerliche Klima passend zu Himmelfahrt wie auch der Hafengeburtstag sollen einladenden Charakter haben. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, weiß Wulff. Sein Motto: Jeder Tag mindestens zwei sportliche Höhepunkte. Nach dem Warmspringen bei freiem Eintritt am heutigen Mittwoch geht’s bis Sonntag zwischen Pulvermanns Grab und Großem Wall rund. 25 der weltbesten 35 Reiter haben sich angesagt. Insgesamt erwarten der Norddeutsche und Flottbeker Reiterverein (NFR) als Hausherr und Volker Wulffs Agentur En Garde als Veranstalter rund 200 Springreiter aus 30 Nationen, die gemeinsam mit den Dressurkollegen 550 Boxen belegen. In 130 Pagodenzelten auf 3000 Quadratmetern Ausstellungsfläche offerieren 140 Anbieter nicht nur Reitsportartikel.

    Auch die weiteren Fakten haben Rekordniveau: Erstmals beträgt der Turnieretat mehr als drei Millionen Euro. Das in 38 Prüfungen ausgeschüttete Preisgeld von insgesamt 1,1 Millionen Euro ist ebenfalls eine Premiere. Das Gros lockt in der neu geschaffenen Global Champions League am Freitag und der Global Champions Tour am Sonnabend. Auch wenn diese Ereignisse dem Reiter-Weltverband wegen angeblicher Kommerzialisierung und Konzentration gar nicht gefallen, wirken 500.000 Euro in diesen beiden Wettbewerben in Hamburg als Magnet für die internationale Elite. Davon profitiert das Publikum.

    Derbychef Volker Wulff setzt im aktuellen Rechtsstreit auf Vernunft und eine salomonische Lösung in Form eines Kompromisses. Die Verträge für Klein Flottbek laufen mindestens noch bis 2018. Parallel vermeldet Wulff gute Kunde auch auf wirtschaftlichem Terrain: „Unsere vier wichtigsten Werbepartner bleiben an Bord.“ Es passt ins Bild, dass Hauptsponsor J. J. Darboven bis 2019 verlängerte. Genau dann steht das 90. Deutsche Springderby auf dem Programm. Neun Stunden Livesendungen allein im öffentlich-rechtlichen Fernsehen sind hilfreich, um finanziell über die Hürden zu kommen.

    Unter dem Strich ist das 87. Derby am Sonntag mit 120.000 Euro dotiert. An den Vortagen gibt es viel mehr zu verdienen, jedoch ist der Nimbus eines Triumphs im Wettstreit um das Blaue Band unbezahlbar, weil legendär. Umso bedauerlicher ist die kurzfristige Absage des Vorjahressiegers Christian Glienewinkel (siehe Text nebenan).

    Um seine Nachfolge wetteifern 75 Reiter, die ob des vielen Regens in letzter Zeit nur eingeschränkt trainieren konnten. Die erste Qualifikation für das Finale am Sonntag (14.25 Uhr) beginnt am Himmelfahrtstag um 10.15 Uhr; Durchgang zwei startet am Freitag um 14.15 Uhr. Prominente Zuschauerin wird dann Tennisstar Steffi Graf, 46, sein. Der vierfache olympische Goldmedaillengewinner Ludger Beerbaum, 52, hat die ehrenvolle Aufgabe, ihr den Parcours und die Anlage zu zeigen.

    Zwar wurde die marode Substanz der Tribünen notdürftig übertüncht, dennoch haben die alten Bauten keine Zukunft. Trotz des Scheiterns der Olympiabewerbung besteht eine kleine Hoffnung auf Besserung. Irgendwann. Irgendwie. Eine im Auftrag der Stadt eingesetzte Arbeitsgemeinschaft hat einen Masterplan erstellt, um den Sport in der Hansestadt nach dem Aus der Olympiabewerbung auf ein stabiles, neues Fundament zu stellen. Ein Teil des Vorschlages sieht vor, im Derbypark für 9,3 Millionen Euro neue Tribünen zu errichten. Bis zu einer Entscheidung des Senats ist es indes ein sehr weiter Weg. Bisher haben weder der Verein noch die Derby-Ausrichter etwas Offizielles gehört.

    Etwaige Absichten, das Spring- und Dressurderby auf das Gelände der Horner Galopprennbahn zu verlegen, haben aus Klein Flottbeker Sicht keine Chance. „Das Derby ist hier verwurzelt“, stellte NFR-Chef Klaus Meyer klar. „Wir werden alles daransetzen, es an traditionsreicher Stätte zu belassen.“ Der Pachtvertrag des Vereins mit der Familie von Jenisch datiert bis 2024 – plus 15 Jahre Option. Einheitliche Meinung vor Ort: Wir lassen Bewährtes beim Alten. Zumindest den Grund und Boden betreffend.