Hamburg. Inszenierter Eklat vor Box-EM Pulev gegen Chisora – dabei ist die Ansetzung eine der besten seit Jahren

    Am Ende gab es sogar die kleine Schubserei, die die PR-Abteilung des Sauerland-Boxstalls am Montag bereits angekündigt hatte. Der Brite Dereck Chisora und der Bulgare Kubrat Pulev, die an diesem Sonnabend (22.50 Uhr/Sat.1) in der Barclaycard Arena um den EM-Titel im Schwergewicht kämpfen, kamen sich am Dienstag im Hotel Vier Jahreszeiten beim Posieren für die Fotografen kurzzeitig so nah, dass die Sicherheitskräfte ihre massigen Leiber zwischen die beiden Giganten schieben mussten. „Rangelei auf Pressekonferenz“, so lautete die Überschrift der Pressemitteilung, mit der das brisante Duell angeheizt werden sollte.

    Inszenierungen dieser Art mögen im Preisbox-Business nötig sein, um die TV-Quoten hochzutreiben und den Kartenverkauf zu befeuern – bislang sind etwas mehr als 5000 Tickets vergriffen. Und Chisora, in Deutschland spätestens seit Februar 2012 als „böser Junge“ bekannt, als er sich im Anschluss an seine WM-Niederlage gegen Vitali Klitschko in München auf der Pressekonferenz eine wüste Keilerei mit seinem Landsmann David Haye geliefert hatte, bespielt die Klaviatur des Klamauks beeindruckend. Sein Gesicht verbarg der 32-Jährige hinter schwarzer Sonnenbrille und unter schwarzer Baseballkappe. Sein Vokabular variierte zwischen Gosse und Zirkus, als er dem Bulgaren drohte: „Das hier ist kein Kitzelspielchen, sondern ein Kampf. Ich komme, um dich zu ermorden!“

    Wie ernst dem in Zimbabwe geborenen Londoner der kalkulierte Eklat wirklich ist, offenbarte er im kleinen Kreis. „Es geht doch nur ums Geld. Je mehr Aufmerksamkeit ein Kampf erregt, desto besser werden die Angebote danach, und desto mehr verdiene ich. Nur darum geht es“, sagte er. Den vom genervt wirkenden Pulev eingeforderten Respekt bringt er seinem Kontrahenten selbstverständlich entgegen. „Es ist weder Hass, den ich ihm gegenüber verspüre, noch brauche ich besondere Aggressionen im Ring“, sagte er, „im Gegenteil, im Kampf muss man cool bleiben. Ich versuche lediglich, meinen Gegner aus der Ruhe zu bringen.“ Dass er dabei Grenzen überschreitet, seine Kontrahenten beim Wiegen ohrfeigt oder mit Wasser bespuckt – Chisora nimmt in Kauf, als verrückt und gemeingefährlich angesehen zu werden, sofern es ihm nutzt.

    Das Aufeinandertreffen der beiden bei Sauerland unter Vertrag stehenden Kolosse bräuchte tatsächlich keinerlei künstlich erzeugtes Ballyhoo, ist es doch eine der besten EM-Ansetzungen, die es im Schwergewicht seit Jahren gegeben hat. Zwar hat Chisora bereits fünf seiner 30 Profikämpfe verloren, allerdings deutlich bessere Namen in seinem Kampfrekord stehen als Pulev, der seine einzige Niederlage in 23 Fights gegen Wladimir Klitschko erlitt – im November 2014, ebenfalls in der Barclaycard Arena. Umso mehr ist der 34-Jährige erpicht darauf, diese Schmach zu tilgen. Da beide Kämpfer schlagstark und deckungsschwach sind und ihr Heil im Angriff suchen, ist harte Action vom ersten Gong an zu erwarten.

    Der Sieger vom Sonnabend darf dar­auf hoffen, Ende des Jahres den britischen IBF-Weltmeister Anthony Jo­shua herauszufordern. Mit ein wenig Gerangel wird sich am Sonnabend deshalb niemand zufriedengeben.