Hamburg. Jean-Fabrice „Fafa“ Picault profiliert sich beim 2:0 gegen den VfL Bochum mit zwei Toren. Lob von Jürgen Klinsmann

Alexander Berthold

Auch am Tag nach seinem besten Spiel in Diensten des FC St. Pauli lächelte Fabrice-Jean „Fafa“ Picault nahezu unablässig. Der quirlige Offensivspieler ist ja ohnehin ein Mensch, der ansteckend gute Laune verbreitet, aber nach seinen beiden Toren beim 2:0-Erfolg gegen den VfL Bochum übertraf er sich noch einmal selbst in seiner Freude. „Ich habe gehofft, dass dieser Tag kommen werde“, sagte der 25 Jahre alte Picault, der wegen des Ausfalls von Stürmer Lennart Thy in die Startelf gerückt war.

„Als Erstes habe ich nach dem Spiel mit meinen Eltern in Miami telefoniert. Mein Vater hat mir gleich gesagt, ich hätte nicht nur zwei, sondern drei Tore erzielen müssen“, berichtete Picault am Sonntagvormittag. Dabei war diese Einschätzung keinesfalls vermessen. Vielmehr hatte Picault schon in der ersten Halbzeit eine hochkarätige Torchance, als er freistehend an Bochums Torwart Manuel Riemann scheiterte (35. Minute). Gleiches widerfuhr ihm auch nach einer Stunde Spielzeit mit einem Volleyschuss aus kurzer Distanz.

Zuvor aber hatte Picault zentral vor dem Tor stehend das 1:0 (52.) erzielt, abgestaubt, als Waldemar Sobota eine scharfes, flaches Zuspiel von Christopher Buchtmann von links nicht richtig unter Kontrolle bekam, aber auf diese Weise unabsichtlich für den hinter ihm frei stehenden Picault vorlegte. Dafür spielte Sobota den Ball vor dem 2:0 (65.) mit vollem Vorsatz steil in den Lauf von Picault, der von der Mittellinie aus allein auf Riemann zustrebte und diesen dann mit dem Außenrist am Keeper vorbei schlenzte.

Zum ersten Mal seit seinem Wechsel Ende August 2015 von Sparta Prag nach Hamburg durfte der US-Amerikaner mit haitianischen Wurzeln in einem Heimspiel am Millerntor von Beginn an auflaufen. Als er in der 77. Minute das Spielfeld wieder verließ, feierten ihn die Anhänger des FC St. Pauli ausgiebig. Dies war auch ein Ausdruck der Erleichterung, dass der Kiezclub trotz der Ausfälle von Lennart Thy und John Verhoek offenbar doch noch einen torgefährlichen Stürmer in seinem Kader hat.

Bis vor Kurzem war diese Erkenntnis auch deshalb nicht so klar, weil Picault vorwiegend als offensiver Außenbahnspieler angesehen und bei seinen vorherigen elf, maximal 45 Minuten langen Einsätzen auch dort zum Zuge kam. „Ich fühle mich als Stürmer etwas besser, habe dort etwas mehr Freiheiten, kann meine Sprints machen, mein Spiel mehr variieren und mein Tempo für das Offensivspiel nutzen und muss nicht so viel verteidigen“, sagte der 1,73 Meter große Picault.

Zur Wahrheit gehört in diesem Punkt aber auch, dass es Picault zum Teil an dem für einen Außenbahnspieler notwendigen taktischen Verständnis fehlt. „Das ist nicht seine Welt. Er hat es auch nie gelernt, sich in die Defensivorganisation einzufügen“, sagte dazu St. Paulis Trainer Ewald Lienen. „Aber wenn wir in Führung liegen und damit Räume haben, haben wir mit Fafa gute Möglichkeiten.“

Auf der Suche nach insgesamt drei neuen Stürmern für die kommende Saison könnte „Fafa“ Picault auf jeden Fall eine Option für eine dieser freien Stellen sein. „Jeder, der zwei Tore schießt, empfiehlt sich. Wir sind im internen Austausch, wie wir mit der Personalie weiter verfahren. Wir werden gemeinsam mit dem Spieler eine Entscheidung treffen. Es ist keine einseitige Geschichte. Auch der Spieler muss ja sagen“, erklärte Sportchef Thomas Meggle zu diesem Thema.

Auch der Stürmer selbst äußerte sich zu einem Verbleib über das Saisonende hinaus eher zurückhaltend. „Ich genieße einfach den Moment. Mein Berater Toni Pichler wird bald kommen, und dann sprechen wir darüber. Ich bin glücklich hier, aber wir werden sehen, was passiert“, sagte Picault, der mit seinen jetzt drei Saisontoren in nur 305 gespielten Minuten zum treffsichersten Akteur seines Teams avancierte.

Einer der Gratulanten nach dem starken Auftritt gegen Bochum war auch Jürgen Klinsmann. Der deutsche Nationaltrainer der USA twitterte: „Nice to see Fafa Picault score twice for FC St. Pauli. Congrats!“ Picault verriet am Sonntag, dass ihm Klinsmann auch noch ganz persönlich eine Botschaft geschrieben hatte. „Den genauen Inhalt erzähle ich nicht. Aber es war positiv“, sagte er. Bisher stand er im September 2014 einmal im Kader des US-Teams, kam aber im Freundschaftsspiel gegen Chile nicht zum Einsatz.

Die Hoffnung, alsbald wieder einmal ins US-Team eingeladen zu werden, hegt Picault weiter. „Ich kann mich nur auf dem Feld empfehlen, indem ich so gut spiele wie ich kann.“ Dabei sei seine Vorstellung gegen Bochum gar nicht so ungewöhnlich gewesen. „Das war eine normale Leistung für mich.“ Mithin stellt sich die Frage, ob Trainer Lienen jetzt Picault in der Startelf belässt oder im anstehenden Auswärtsspiel am Freitagabend in Düsseldorf wieder auf den am Saisonende zu Werder Bremen wechselnden Lennart Thy setzt, wenn dieser wieder fit sein sollte.

Insgesamt stellte die Mannschaft des FC St. Pauli vor allem mit einer sehr ansprechenden zweiten Halbzeit gegen den VfL Bochum unter Beweis, dass sie weiter Ehrgeiz und Willen besitzt. „Man hat im Umfeld in den vergangenen fünf Wochen gespürt, dass man genau hinschaut, wie wir die Saison beenden. Deshalb tut es gut, hier gewonnen zu haben. Es ist wichtig, dass wir die Saison mit Erfolgserlebnissen abschließen und nicht mit einer Negativität“, sagte Sportchef Meggle.

Auf mehr als den zurückeroberten vierten Platz will bei St. Pauli niemand spekulieren, auch wenn der Tabellendritte 1. FC Nürnberg gerade zwei Spiele in Folge verlor. Bei sieben Punkten Rückstand auf die Franken, so die einhellige Meinung, verbiete sich jede Hoffnung auf den Relegationsplatz.