Hamburg. Hamed Attarbashi vom Zweitligaclub Hamburg Towers über seine zweite große Leidenschaft neben dem Basketball.

Hamed Attarbashi, 39, trägt schwarz-weiß-lilafarbene Nike Air Max. „Zu Ehren des Abendblatts“, sagt er lächelnd. Der Trainer der Hamburg Towers, die am Freitagabend in Gotha in die Viertelfinal-Play-offs der Zweiten Basketball-Bundesliga ProA starten, hat dieses Modell nur angezogen, weil es von seiner Wohnung am Inselhallenkomplex zu „Mr. Kebab“, wo das Gespräch stattfindet, nur 100 Meter Fußweg sind „und weil es nicht regnet. Danach werden sie gleich ausgezogen und sauber in ihrem Karton verpackt.“ Der Basketballcoach sammelt Sneakers. „Ein schöner Schuh ist einfach eine Leidenschaft“, sagt er. Kein Wunder, dass sein sechs Monate alter Sohn Nadeem aus dem Freundeskreis schon fünf Paar Markenturnschühchen geschenkt bekam, darunter original Michael Jordans.

Hamburger Abendblatt : Das Towers-Hallenheft „Towerful“ berichtete, dass Sie 150 Paar Sneakers besitzen. Ist das normal?

Hamed Attarbashi: Es sind mindestens 150. Man könnte denken, der Mann ist gestört. Aber ich bin fast 40, da kann man über die Jahre schon mal ein paar Schuhe gesammelt haben. Und die meisten habe ich noch nie getragen.

Warum?

Attarbashi : Die sollen nicht schmutzig werden. Wenn ich einen schönen Schuh sehe, kann ich schwach werden. Andere sammeln Briefmarken, ich Schuhe.

Imelda Marcos, die Ex-First-Lady der Philippinen mit Schuhtick, zog diesen Vergleich mit den Briefmarken auch.

Attarbashi : Aber die hatte 1000 Paar!

Sogar 3000. Wie hat diese Sammelleidenschaft bei Ihnen begonnen?

Attarbashi : Im Basketball sind Schuhe immer etwas Besonderes. Jeder Basketballer fragt den anderen: „Was für einen Schuh trägst du?“ Man geht nicht einfach in einen Laden und kauft sich einen Schuh. Ja, ja, der ist funktional, ja, ja, der passt, und raus damit. Ich kenne niemanden, der das so macht. Deshalb war es für mich stets wichtig, einen schönen Schuh zu haben. Und wenn man jünger ist, kann man sich nur einen Schuh leisten. Auf den muss man aufpassen. Mit 19 habe ich den ersten Schuh gekauft, den ich bis heute habe.

Der Schauspieler Oliver Korittke, der 2500 Paar Sneakers hat und ein Schuhmuseum besaß, sagte einmal: „Sneakers sind das Gold des kleinen Mannes.“

Attarbashi : Das stimmt schon. Jungs untereinander gucken sich auf die Schuhe. Als man jünger war, hat man viele Schuhe gesehen, die man sich nicht leisten konnte. Aber ein Statussymbol ist das für mich nicht. Ein Statussymbol wäre es ja nur, wenn ich sie tragen würde. Ich laufe damit nicht 'rum und gebe damit nicht an.

Sammeln Sie auch Basketballschuhe?

Attarbashi: Nee, gar nicht, ich spiele ja selbst nicht mehr. Die sind auch so dick, meistens fester. Ich mag lieber flache Turnschuhe: Sneakers

Ein anderer prominenter Sammler ist Jérôme Boateng. Der Fußballweltmeister des FC Bayern besitzt mehr als 650 Paar Sneakers. Dafür hat er zwei Extrazimmer in seiner Münchner Villa. Wie bewahren Sie Ihre Schätze auf?

Attarbashi: Die sind bei uns im Flur in zwei Schränken. Sortiert nach Marken. Sortiert nach Marken. Hier (er stellt einen weißen Jutebeutel auf den Nachbarstuhl) – ich habe mal zwei Kartons mitgebracht, damit Sie sehen, wie meine Schuhe geordnet sind. Da steht noch der Originalpreis drauf, den würde ich niemals dafür ausgeben! Und da ist immer ein Foto des Modells vorne auf den Karton geklebt.

Sagen Sie bloß, Sie fotografieren jedes Paar und kleben das Foto auf den jeweiligen Karton? Das passt ja zu ihrem Trainerruf als Pedant.

Attarbashi: Das macht meine Frau Evin. Das war ihre Idee. Sie hatte keine Lust darauf, dass das alles chaotisch ist. Sie meinte: So, dann machen wir das mal ordentlich.

Müssen Sie nicht inzwischen ein Vermögen für Schuhe ausgegeben haben?

Attarbashi : Nein, das hört sich zwar paradox an, aber ich gebe nicht viel Geld dafür aus. Ich suche immer nach sehr günstigen Angeboten. Wenn ich in einem Outlet Store bin und ich sehe ein Paar, das von 150 auf 70 Euro reduziert ist. Also: Du kaufst drei, kriegst eins umsonst, so denke ich. Dann kaufe ich auch gleich sechs. In sechs verschiedenen Farben.

Das klingt nach jagen und sammeln ...

Attarbashi: Ich hatte sogar noch viel, viel mehr. Ich habe mal in einem Verein gearbeitet, in dem wir eine Kooperation mit guten Schuhfirmen hatten und immer 50 Prozent Rabatt bekamen. In einem anderen Club haben wir zwei Paare pro Jahr umsonst bekommen. Unter uns: Ich habe immer die teuersten genommen. Manchmal merke ich dann aber, dass ich einige meiner Schuhe tatsächlich niemals anziehen würde – weil ich sie doch nicht so toll finde. Die verschenke ich wieder. Zum Beispiel neulich 15 Paar an die Flüchtlinge, die bei uns in der Halle mittrainieren.

Sammeln Sie auch Schuhe in limitierter Auflage? Der US-Rapper Kanye West etwa hat die Air Yeezy I und II für Nike kreiert. Stehen Sie da auch Schlange und sind in Sneakers-Blogs unterwegs?

Attarbashi: Nein, das ist nicht meine Welt. Ich kann nicht mal sagen, welcher meiner Schuhe unzwischen wertvoll ist und eine streng limitierte Auflage hat. Meine Spieler erzählen mir immer: Ja, das und das Paar könntest du teuer verkaufen.

Was ist für Sie ein „schöner“ Schuh?

Attarbashi : Ich muss ihn einfach mögen. Ich mag schlicht, keine wilden Schuhe mit 70.000 Farben und Neon. Ich mag einfache Sachen, alles in einer Farbe – ganz schwarz, ganz weiß. Das gibt es gar nicht so oft heutzutage.

Der Berliner Sänger und Autor Max Goldt hat einmal geschrieben, dass zwei Paar Schuhe eigentlich drei Paar Schuhe seien. Das bedeutet: Wenn man zwei Paar im täglichen Wechsel trägt, halten sie insgesamt dreimal so lange wie ein Paar, das man täglich trägt.

Attarbashi : Das ist so! Allerdings habe ich ein Paar „Egalschuhe“, das ich jeden Tag anziehe, bei dem ich nicht darüber nachdenke, dass es kaputtgehen könnte. Das ist immer ein Paar Air Max. Fertig, aus. Das sind meine „Schrottschuhe“. Ich trage nie gute Schuhe, wenn das Wetter schlecht ist. Und auch nie beim Autofahren. Die gehen davon kaputt. Man tritt ständig auf die Pedale, und der Bereich da unten ist nicht der sauberste, da schrammst du über die Pedale, und die Schuhe werden schmutzig und schwarz. Deshalb habe ich meine „Schrottschuhe“ in einer Tasche dabei und ziehe sie beim Fahren an.

Von diesen Schuhen können Sie sich dann aber irgendwann trennen?

Attarbashi: Ja, Sportschuhe fangen ja auch an zu stinken. Irgendwann sagt meine Frau: "Hamed, schmeiß die mal weg." Meine "Schrottschuhe" nehme ich noch mit in den Urlaub und spiele damit eine Woche Fußball – danach sind sie wirklich Schrott.

Haben Sie Glückssneakers als Coach?

Attarbashi: Nur insgeheim. Ich trage während der Spiele ja einen Anzug und dazu immer dieselben Lederhalbschuhe. Aber ich gehe nicht mit dem Anzug und den Herrenschuhen in die Halle, ich ziehe mich erst eine Dreiviertelstunde vor Spielbeginn um, weil ich keinen Bock habe, drei Stunden vorher schon im Anzug rumzulaufen. Und vorher muss ich ja auch Schuhe anhaben. Da kommen dann die Sneakers mit ins Spiel. Zu den Heimspielen trage ich in dieser Saison immer ein schwarzes Modell, ein Zehn-Euro-Schnäppchen aus einem Räumungsverkauf in Bremerhaven.

Sie könnten doch Ihre Sneakers zum Anzug tragen. Boateng macht das auch.

Attarbashi: Der ist aber kein Trainer. Stellen Sie sich mal vor, Jürgen Klopp steht in der Champions League mit Sneakers an der Seitenlinie. Als Trainer muss ich seriös rüberkommen, die Schiedsrichter sind ja auch noch da.

Schuhe haben in anderen Kulturkreisen teils negativen Symbolwert. Jemandem seine Schuhsohlen zu zeigen, gilt in der arabischen Welt als schwere Beleidigung. Schuhe gelten als Träger von Schmutz. Als Lionel Messi kürzlich einer TV-Moderatorin in Ägypten ein Paar Fußballschuhe spendete, schimpfte ein Abgeordneter, so sehr sei die Nation „in 7000 Jahren“ nicht gedemütigt worden. Sie haben persische Wurzeln. Sind Schuhe im Iran auch symbolisch aufgeladen?

Attarbashi : Nein, das habe ich noch nie gehört. Ich würde jetzt nicht im Iran mit Schuhen durch die Gegend laufen und Leute hauen. Aber das sollte man hier auch nicht machen.

Man sagt ja: „Verschenke niemals Schuhe an einen Menschen, den du liebst. Sonst läuft er dir davon.“ Lassen Sie sich von Ihrer Frau Schuhe schenken?

Attarbashi : Wow, das wusste ich nicht. Meine Frau hat mir oft Schuhe mitgebracht. Über dieses Sprichwort wollen wir lieber gar nicht nachdenken. Wir sind jetzt 16 Jahre glücklich zusammen.