Boston. Die Eiskunstläufer lassen mit starkem Auftritt Hoffnungen auf Olympia wachsen

Nach dem Bronzecoup und der Ehrenrunde mit der Deutschland-Fahne auf dem Eis des TD Garden von Boston platzte es aus Aljona Savchenko heraus: „Alles ist möglich, ich lebe meinen Traum.“ Die zielstrebige Paarläuferin fühlte sich nach Platz drei bei den Weltmeisterschaften mit ihrem neuen Partner Bruno Massot aus Frankreich ihrem großen Ziel – Olympiagold in zwei Jahren in Pyeongchang – ein großes Stück näher. „Diese Medaille ist keine Eintagsfliege, das ist ein sehr schönes Paar mit Zukunft“, sagte Elke Treitz, Vizepräsidentin der Deutschen Eislauf-Union (DEU).

„Ich bin einfach stolz auf mich selber und habe einen Mann an meiner Seite, der von Anfang an sehr stark war, etwas zu sagen hat und so ist wie ich“, erklärte die 32-Jährige, die nach fünf WM-Titeln mit Robin Szolkowy ihre Karriere nicht am Ende sah. Der Chemnitzer wollte nicht mehr. Savchenko nahm die nervenzehrende 18-monatige Sperre wegen des Verbandswechsels des Franzosen Massot hin. Inzwischen genießt die kleine Bundeswehrsoldatin das tägliche Training in Oberstdorf, das Massot ebenso vorantreibt wie die gebürtige Ukrainerin: „Ich kannte das bisher nicht, aber manchmal zieht er mich auch mit.“

In einer emotionalen Ansprache dankte ihr Massot: „Ich bin so glücklich, dass du weitergemacht hast. Ohne dich wäre ich nicht hier.“ Die Medaille nach nur einem halben Jahr Wettkampfzeit empfand er als „völlig verrückt“. Die Preisrichter empfingen das Duo auf der großen Bühne wärmstens. Und die 17.000 Zuschauer in der ausverkauften Arena waren nach der schwungvollen Kür von den hohen Würfen der EM-Zweiten begeistert.

„Für beide war dies eine gewisse Erlösung. Sie haben hier den Grundstein gelegt und wissen nun, dass sie ganz vorn dazugehören“, sagte DEU-Sportdirektor Udo Dönsdorf. Ein Schlüssel zum Gelingen des Medaillenprojekts im Allgäu ist die fast liebevolle Begleitung von Trainer Alexander König, der seine Nervosität unumwunden zugab: „Ich bin völlig fertig“. Der ehemalige Berliner Paarläufer ist der Moderator in dem Dreierteam, das sich bestens versteht. „Der Trainer tut der Aljona unglaublich gut, er hat einen ganz anderen Führungsstil, mit viel Ruhe und Bedacht. Das Gegenteil dessen, was sie vorher hatte“, meinte Treitz. Damit spielte sie auf die allzu strenge Führung von Ex-Coach Ingo Steuer an. Savchenko lachte, als sie nach König gefragt wurde: „Das ist ein Sonnenschein, der immer strahlt.“

König wird mit seinen Schützlingen nicht viel Zeit verlieren, um weitere Höchstschwierigkeiten einzustudieren. Vierfachwürfe müssen her, um ganz oben anzukommen. Der meterhoch geworfene Twist soll vier Umdrehungen bekommen, dazu wohl auch der Wurfsalchow. Den zeigten sowohl die zweimaligen WM-Champions Meagan Duhamel/Eric Radford aus Kanada als auch die Zweiten Sui Wenjing/Han Cong – die Chinesin krachte dabei allerdings in die Bande.

Massot soll nun verstärkt Ballett- und Deutschunterricht bekommen. Die rechtzeitige Einbürgerung vor Olympia kann der 27-Jährige in diesem Herbst beantragen. „Und dann lerne ich auch den Text der Nationalhymne“, versprach er. Zusammen mit ihren Verlobten fliegen Savchenko/Massot erst einmal in den Urlaub nach Florida. Dabei dürfen die Schlittschuhe nicht fehlen. „Wir bauen in Miami schon das neue Kurzprogramm auf“, erzählte Savchenko mit schelmischem Blick. Auch im Hochsommer geht sie lieber aufs Eis als an den Strand.

Beim Einzelfinale der Damen holte sich die erst 16 Jahre alte Russin Jewgenija Medwedjewa bei ihrem WM-Debüt gleich den Titel. Die Europameisterin gewann mit 223,86 Punkten, kam dabei an den Weltrekord der Südkoreanerin Kim Yuna bei deren Olympiasieg 2010 (228,56) aber nicht ganz heran. Silber ging an die US-Amerikanerin Ashley Wagner (215,39) vor der Russin Anna Pogorilaja (213,69).

Der erneut übernervöse Olympiasieger Yuzuru Hanyu hat dagegen wie im Vorjahr seinem Trainingsgefährten Javier Fernandez den Titel des Eiskunstlauf-Weltmeisters überlassen müssen. „Ich war sehr angespannt, und das während meiner gesamten Kür“, sagte der Japaner, der einen scheinbar komfortablen Vorsprung von zwölf Punkten aus dem Kurzprogramm nicht behaupten konnte. Der 21-Jährige verpatzte gleich drei seiner Höchstschwierigkeiten. Titelverteidiger Fernandez nutzte die Gunst der Stunde. Mit 313,93 Zählern erlief der Spanier die zweithöchste jemals erreichte Punktzahl. Und das, obwohl der 24-Jährige durch eine schmerzhafte Schleimbeutelentzündung in der rechten Ferse gehandicapt war und nur unregelmäßig trainieren konnte. Hinter Hanyu und Fernandez gewann Jin Boyang die erste WM-Medaille für einen männlichen Einzelläufer aus China.