Halle (Westfalen). Abbruchsieg über Afolabi. Jetzt WM-Revanche gegen Glowacki

Wer dieses zu einem Sehschlitz geschwollene linke Auge sah, hätte es kaum für möglich gehalten, aber es war Ola Afolabi, der am frühen Sonntagmorgen den besten Durchblick hatte. „Und wenn ich hundert Kämpfe gegen Marco machen würde, das Ergebnis bliebe gleich“, sagte der Mann, dem das lädierte Auge gehörte. „Ich komme mit seinem Stil nicht zurecht.“ Es war das Eingeständnis eines Weltmeisters, der einem noch größeren Champion unterlegen war.

Der Mann, der bei Afolabi ein Auge zugedrückt hatte, saß zwei Stühle weiter und freute sich, dass er sich über ein fünftes Duell mit dem für Großbritannien boxenden Nigerianer keine Gedanken zu machen braucht. „Heute habe ich das Kapitel Afolabi abgeschlossen. Ich habe den Kampf dominiert und gezeigt, dass ich in die Weltspitze gehöre. Teilweise hatte ich Angst vor mir selbst, weil es so gut lief“, sagte Marco Huck. Dreimal hatten sich die Cruisergewichtsprofis zuvor im Ring gegenübergestanden, immer war es über die Runden gegangen, zweimal siegte Huck, einmal endete es unentschieden. So deutlich wie vor den 7000 Zuschauern im Gerry-Weber-Stadion, die ihn ausgiebig feierten, war es jedoch nie.

97:92, 96:93 und 96:93 führte Huck auf den Wertungsblättern der drei Punktrichter, als Ringrichter Jack Reiss (USA) den Kampf, den 4,38 Millionen bei RTL sahen, in der Pause zur elften Runde auf Anraten von Ringarzt Stefan Holthusen abbrach, da die räumliche Sehfähigkeit des Titelverteidigers so sehr eingeschränkt war, dass ein schwerer Knockout drohte. „Ein Kämpfer will nie aufgeben. Aber es war die richtige Entscheidung abzubrechen“, sagte Afolabi, 35, später.

Viel war diskutiert worden über die Wertigkeit des Titelkampfes, da die International Boxing Organisation, deren Gürtel Afolabi einsetzte, nicht zu den vier bedeutenden Weltverbänden gehört. Wichtiger aber war, dass Huck gegen einen Weltklassemann bewies, dass mit ihm zu rechnen ist. Viele hatten dies bezweifelt, nachdem der Bielefelder mit serbischen Wurzeln seinen WBO-WM-Titel im August nach einer K.-o.-Niederlage in den USA an den Polen Krzysztof Glowacki verloren hatte. Es war der erste Kampf nach der Trennung von seinem langjährigen Berliner Promoter Sauerland, und einige sahen den 31-Jährigen bereits in der Versenkung verschwinden.

Doch wie er sich nun präsentierte, nach dem kurzfristigen Trainerwechsel, unter den kritischen Augen des neuen TV-Partners RTL und seines neuen Fürsprechers Wladimir Klitschko, der mit seiner Klitschko Management Group als Berater fungiert und zudem als RTL-Experte auftrat, das verdiente großen Respekt. Es war kein Kampf für Boxästheten, dafür wurde zu viel geklammert, gestoßen und geschoben. Aber Huck gelang es, nach wilden Schlagserien, die ihm nie ganz auszutreiben sein werden, die nächsten Treffer mit Bedacht zu setzen. Am Ende hatte er weniger geschlagen (323:374), aber mehr getroffen (153:118).

Huck hat jetzt einiges vor in den kommenden Monaten: „Auch wenn ich bewiesen habe, dass ich ein großer Champion bin, gibt es eine Menge interessanter Kämpfe, die man im Cruisergewicht machen kann.“ Die Weltmeister Denis Lebedev (Russland/WBA), Victor Ramirez (Argentinien/IBF) oder Grigory Drozd (Russland/WBC) herausfordern, zum Beispiel. Vor allem aber das Rematch mit Glowacki, um die Scharte auszuwetzen, deren Ursache Huck in der mangelhaften Vorbereitung längst ausgemacht hat. „Ich habe gespürt, dass sich harte Arbeit auszahlt. Wenn ich gut trainiere, dann kann ich jeden schlagen. Glowacki ist mein nächstes Ziel. Ich wollte diesen Kampf sofort, wir haben viel Geld geboten, aber er wollte nicht“, sagte Huck. (bj)