Hamburg. Warum die Hamburg Freezers trotz unbefriedigender Saison auch weiterhin an ihrem Cheftrainer festhalten

Beschwingt verließ Serge Aubin am Dienstagmittag das Eis in der Volksbank-Arena. Die Aussicht auf fünf freie Tage, die ihm die bis 19. Februar angesetzte Nationalmannschaftspause in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) ermöglicht, ließ auch den Cheftrainer der Hamburg Freezers nicht ungerührt. „Ich freue mich darauf, ein paar Tage zu Hause mit der Familie entspannen zu können“, sagte der Frankokanadier, der sein Team erst am nächsten Montag wieder versammelt. „Das wird mir guttun, um die Akkus wieder aufzuladen.“

Tatsächlich dürfte dem früheren Stürmer die Auszeit helfen, steckt er doch in der härtesten Phase seiner jungen Trainerkarriere. Als er im Februar 2013 seine aktive Laufbahn wegen chronischer Daumenblessuren beenden musste und zum Co-Trainer des damaligen Chefcoaches Benoît Laporte berufen wurde, kannte die Entwicklung der Mannschaft ebenso nur eine Richtung wie im September 2014, als der 40-Jährige Laportes Nachfolger wurde: bergauf. In dieser Spielzeit, die Aubin erstmals komplett als Chef verantwortet, läuft es dagegen nicht gut. Als Tabellenzehnter liegen die „Eisschränke“ acht Spieltage vor Hauptrundenende bereits elf Zähler hinter dem als Saisonziel ausgegebenen sechsten Rang und drohen mit nur einem Punkt Vorsprung auf Rang zwölf sogar die Pre-Play-off-Qualifikation zu verpassen.

Wer Aubin in diesen Tagen auf seinen Gemütszustand anspricht, der erlebt einen Menschen, der versucht, positive Gelassenheit auszustrahlen. Nein, er habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass aus dem Privileg, Eishockeytrainer zu sein, eine Bürde geworden ist: „Ich habe nach wie vor großen Spaß an meinem Beruf.“ Nein, es sei nicht frustrierend, immer wieder dieselben Probleme ansprechen zu müssen, weil die Fehler nicht abgestellt werden: „Dafür bin ich doch eine Art Lehrer, um mit den Jungs alle Dinge so lange zu wiederholen, bis sie klappen.“ Und nein, er habe wirklich keinen Zweifel daran, dass man die Play-offs erreichen werde: „Wir arbeiten hart und werden dafür belohnt werden!“

Manches, was Aubin sagt, klingt wie ein Mantra, so als könne auch ständiges verbales Wiederholen zu dauerhafter Verbesserung führen. Aber man muss ihn verstehen, es ist angesichts der erschreckenden Defensivschwäche des Teams, das mit 142 Gegentoren den viertschlechtesten DEL-Wert aufweist, wahrlich nicht einfach, stets gute Miene zu machen und neue Worte zu finden. Und man kann Aubin auch kaum verdenken, dass er angesichts der fortgesetzten Unsicherheit seiner Torhüter Sébastien Caron, Dimitrij Kotschnew und Cal Heeter am Montag erstmals schmallippig jeglichen Kommentar dazu verweigerte.

Dünnhäutig kannte man den 396-fachen NHL-Veteranen bislang nicht, aber verwundern kann es niemanden, dass die Kritik von Fans, Medien und Experten an einem, der ihr zum ersten Mal in seinem Leben in dieser Form ausgesetzt ist, nicht abperlt. Vor allem, weil es durchaus Dinge gibt, die ihm anzulasten sind. Die planlos erscheinende Torwartrotation hat ein Gutteil dazu beigetragen, dass derzeit keiner der drei Keeper auch nur annähernd seine Leistungsgrenze erreicht. Das Über- und Unterzahlspiel hat er ebenso wenig in den Griff bekommen, eine taktische Weiterentwicklung des Teams ist seit Monaten kaum zu erkennen. Und dem unterschwellig seit längerer Zeit köchelnden und nach der 2:5-Pleite in Berlin am Sonntag von Ex-Bundestrainer Hans Zach offen ausgesprochenen Vorwurf, es fehle der Mannschaft an harter Hand und echter Führung, mag mancher zustimmen. Auch wenn Zachs Forderung nach Härte in etwa so überraschend ist, wie wenn ein Grüner mehr Umweltschutz fordert.

Allerdings hat Aubin nie einen Hehl daraus gemacht, sich als Freund der Spieler zu verstehen. Und er hat offen zugegeben, sich mit Torhütern über sportliche Dinge niemals auszutauschen, „weil ich nie Torwart war“. Da verlässt er sich auf das Urteil seines Torwarttrainers Varian Kirst. Das entbindet ihn selbstverständlich nicht von der Gesamtverantwortung, dennoch muss einem Novizen – und ein solcher ist Aubin noch immer – auch das Recht auf Fehler zugestanden werden.

Dort, wo er Fehler zu erkennen glaubt, reagiert Aubin. Er versucht, etwas mehr auf Sicherung des eigenen Tores zu achten, als sich auf die eigene Offensivkraft zu verlassen. Und er lässt im Training unaufhörlich an den Schwachstellen arbeiten, die in den Spielen aufblitzen. Wem die stets wiederkehrenden individuellen Fehler im Spielaufbau und in der Konzentration anzulasten sind, die die vielen Gegentore verursachen, darüber gibt es verschiedene Ansichten. Natürlich gibt es Vereine, die Trainer schon für weniger entlassen als die acht Pleiten aus den zwölf Spielen im Kalenderjahr 2016. Die Verantwortlichen der Freezers haben sich aber dafür entschieden, die Spieler in die Pflicht zu nehmen. „Serge steht überhaupt nicht zur Diskussion, weil wir von ihm und seiner Arbeit überzeugt sind. Er wirkt auf mich fokussiert und engagiert. So akribisch wie er arbeiten nicht viele Trainer“, sagt Geschäftsführer Uwe Frommhold.

Das Problem liegt also in der Qualität des Teams begründet, weshalb es richtig ist, an Aubin festzuhalten, zumal das Team ihm augenscheinlich folgt. Er und Sportchef Stéphane Richer sind allerdings gefordert, im Sommer die nötigen Schlüsse für die Zusammensetzung des Kaders zu ziehen. Zunächst jedoch gilt Aubins Fokus den aktuellen Saisonzielen. „Ich werde alles geben, um den Jungs zu helfen“, sagt er, „die Play-offs sind doch die beste Zeit des Jahres.“ Wenn man sie erreicht ...