Leipzig. Auch erschöpfte Australian-Open-Siegerin Angelique Kerber kann 2:3-Pleite gegen die Schweiz im Fedcup nicht abwenden.

Es hätte alles so schön werden können. Dieses Märchen von der jungen Frau, die als Tennisspielerin nach Australien geht und als Star zurückkommt. Eine Woche wird sie im ganzen Land gefeiert, wird so lange gelobt, bis alle Superlative aufgebraucht sind. Dann zeigt die Realität, dass auch eine Angelique Kerber nicht unverwundbar ist. „Irgendwann war mein Akku alle”, sagte eine sichtlich erschöpfte Sportlerin am Sonntag nach ihrer 6:7 (4:7), 3:6-Niederlage gegen die Schweizer Nummer eins Belinda Bencic, die die 2:3-Erstrundenschlappe des deutschen Fedcupteams einleitete. Der Traum, dass die neue Tennisheldin ihre Mannschaft ins Halbfinale führen würde, war zerplatzt. Es wäre wohl zu perfekt gewesen.

Das Lächeln, in das sich Deutschland nach dem Australian-Open-Triumph der Kielerin verliebt hat, wirkte abgekämpft. „Der Tank ist leer. Sie braucht jetzt eine Pause”, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner, die von einem weiteren Arbeitseinsatz der deutschen Nummer eins im alles entscheidenden Doppel absah. Vor acht Tagen hatte Kerber im Finale von Melbourne gegen die ungeheure US-Amerikanerin Serena Williams gewonnen, gegen die einzige Spielerin, die in der Tenniswelt vor ihr steht.

Dann die Reise um die halbe Welt, die vielen PR-Termine, die Schar der Gratulanten, das Gezerre um ihre Person. Die 28-Jährige konnte froh sein, dass es neben ihr noch die Handball-EM-Helden gab und sich die Last des Begehrtseins etwas verteilte. Darüber nachgedacht, den Fedcup gegen die Schweiz sausen zu lassen und lieber die Füße hochzulegen, hatte sie nicht. Zumindest nicht ernsthaft: „Klar war das alles stressig. Aber es war mir sehr wichtig, nach so einem Erfolg vor heimischem Publikum spielen zu können.“ Aber am Ende dieses Mannschaftswettbewerbes von Leipzig hätte man ihr am liebsten eine Decke und ein Kopfkissen gereicht. Sie ist eben doch ein Mensch und keine Ballmaschine.

Dabei sah es zunächst so aus, als würde die 28 Jahre alte Kielerin so weitermachen, wie sie in Australien aufgehört hatte. Bei ihrem ersten Auftritt nach dem Match ihres Lebens spielte sie an Tag eins des Fedcups so wie eine Nummer zwei der Weltrangliste, die gerade ein Grand-Slam-Turnier gewonnen hat. 6:1 und 6:3 fegte sie die Schweizerin Timea Bacsinszky vom schnellen Hartplatz in der Messehalle. Die Atmosphäre in der Halle habe ihr über die erste Erschöpfung hinweggeholfen, sagte sie anschließend, und sprach von „Gänsehaut-Momenten, so wie mich alle aufgenommen haben”.

Wenn man ehrlich ist, muss man festhalten, dass die neue deutsche Tennisbegeisterung sicherlich spürbar war, aber durchaus noch ausbaufähig ist. Mit ihrem Erfolg bei den Australian Open hat Kerber ihren Sport vielleicht aus einem jahrelangen, vom Wimbledon-Finaleinzug Sabine Lisickis 2013 nur kurz unterbrochenen Dornröschenschlaf gerissen. Aber: Für Steffi Graf und Boris Becker wären Millionen Menschen nachts aufgestanden. Kerber und Co. schenkten zwar jeweils 4200 Besucher an zwei Tagen in der ausverkauften Messe ihr freies Wochenende. Den Mut von Sat.1, mal wieder Tennis im Hauptprogramm zu zeigen, belohnten am ersten Fedcup-Nachmittag jedoch nur 440.000 Fernsehzuschauer.

In Leipzig klatschten die Zuschauer die meiste Zeit brav im Takt. Sie schwenkten Plakate mit „Angie, I love you” und trugen schwarz-rot-goldene Ketten um den Hals. Sprechchöre wurden von der Gruppe mit dem weißen Kreuz auf rotem Grund manches Mal übertönt. Vielleicht sind die Schweizer Meistersinger deshalb besser bei Stimme, weil sie sich dank ihres Seriensiegers Roger Federer schon längere Zeit im Tennismodus befinden. Immerhin initiierten die heimischen Fans die La Ola für die tapfere Einzel-Debütantin Annika Beck, die die am Vortag indisponierte Andrea Petkovic ersetzte und gegen Bacsinszky zum zwischenzeitlichen 2:2 ausglich.

Es keimte wieder Hoffnung auf, die aber durch das Schweizer Doppel Bencic und Martina Hingis mit einem ungefährdeten Zweisatzerfolg gegen Petkovic und Anna-Lena Grönefeld zerstört wurde. Nun kämpfen die Deutschen Mitte April in der Abstiegsrunde um den Verbleib in der Weltgruppe der besten acht Teams, der Gegner wird an diesem Dienstag zugelost. „Eigentlich gehören wir mit unserem Team ins Halbfinale”, sagte Rittner.

Eine Woche hatten die Älteren jetzt Zeit, ihren Enkeln zu erzählen, wie es damals war zu den Glanzzeiten einer Graf und eines Becker. Als eine Regenunterbrechung in Wimbledon mehr Deutsche vor den Bildschirm lockte als heute der Tatort. Viele werden hoffen, dass es eines Tages wieder so werden könnte. Angelique Kerber scheint bereit zu sein, die Aufgabe anzunehmen, wenn sie erst einmal ihren Akku wieder aufgeladen hat.