Fürth. Beim 2:0-Sieg in Fürth demonstriert die Mannschaft von Trainer Lienen bewährte Tugenden und entscheidende Effektivität

Ewald Lienen ist ein eloquenter Mann, der stets seine Worte überdenkt, ehe er sie ausspricht. Als die Pressekonferenz nach dem 2:0 (1:0) des FC St. Pauli gegen die Spielvereinigung Greuther Fürth beendet war, hätte man beinahe erlebt, wie der 62-Jährige davon sprach, dass der Kiezclub ein Aufstiegskandidat ist. „Wir sind im Rennen um die...“, begann Lienen seinen Satz, ehe er gerade noch die Kurve bekam. „Mit drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn Teams, um am Ende einen Platz unter den ersten Zehn zu bekommen“, sagte Lienen und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Nach den 90 Minuten im Frankenland muss man konstatieren, dass St. Pauli jene Effizienz zeigte, die nötig ist, um ein ernsthafter Kandidat im Kampf um den Bundesliga-Aufstieg zu sein. Der Auftritt in Fürth erinnerte an die starken Auftritte in der Fremde im Kalenderjahr 2015. „Wir haben nach der Winterpause ein Ausrufungszeichen gesetzt. Das war wichtig für den Kopf“, lobte Sportdirektor Thomas Meggle.

Personell zog Trainer Lienen die Konsequenzen aus der 2:4-Niederlage gegen Aalborg BK im letzten Testspiel vor dem Ligastart. Im Mittelfeld bot der 62-Jährige mit Enis Alushi, Christopher Buchtmann, Marc Rzatkowski sowie dem ehemaligen Fürther Bernd Nehrig gleich vier gelernte „Sechser“ auf. Mit der defensiveren Ausrichtung wollte St. Pauli verhindern, wie gegen Aalborg, in zahlreiche Kontersituationen zu geraten.

Das gelang aber erst mit Fortdauer der Partie besser. Gerade in der ersten Halbzeit ließ St. Pauli wieder zu viele Konter nach eigenen Standardsituationen zu. In der zweiten Hälfte korrigierten die Kiezkicker das Fehlverhalten und sicherten bei Ecken und Freistößen besser ab. „Wir haben uns nach Aalborg zusammengesetzt und klar festgestellt, dass wir wieder dahin kommen müssen, was uns stark gemacht hat – defensive Kompaktheit und der Wille, unser Tor mit allem, was wir haben, zu verteidigen sowie auf unsere Chance zu lauern“, sagte Spielmacher Enis Alushi, der zugab, dass es einer gewissen Anlaufphase gebraucht hatte, bis die Identität des FC St. Pauli wieder sichtbar wurde.

Die Gastgeber waren in der Tat zu Beginn wacher und frischer. Immer wieder zwang die Mannschaft von Trainer Stefan Ruthenbeck St. Pauli mit aggressivem Pressing zu Fehlern im Aufbauspiel. Da überraschte es nicht, dass die Franken zunächst ein Chancenplus hatten. So war es vor allem Torhüter Robin Himmelmann zu verdanken, dass es keinen frühen Rückstand gab. Mit einem überragenden Reflex entschärfte der 27-Jährige in der zweiten Minute einen Kopfball von Sebastian Freis aus kurzer Distanz. „Robin bekommt nicht viel zu tun, aber er hält uns mit solchen Paraden im Spiel. Wenn man nach zwei Minuten hinten liegt, sehen wir hier ein ganz anderes Spiel“, sagte Meggle. Als ein Freistoß von Jurgen Gjasula nur auch hauchdünn am Torpfosten vorbeistrich, hatte St. Pauli den Weckruf verstanden.

Das Lienen-Team bekam mehr Zugriff auf die Partie, ohne jedoch zu nennenswerten Torabschlüssen zu kommen. Gerade im vorderen Drittel des Platzes fehlte es St. Pauli an Präzision. Und so musste eine Standardsituation herhalten, um die überraschende Führung zu erzielen. Nach einer Ecke brachte Buchtmann den Ball im zweiten Versuch in den Strafraum, wo Nehrig mit dem Kopf verlängerte und der Ball den aufgerückten Rechtsverteidiger Marc Hornschuh fand, der aus minimaler Abseitsposition treffen konnte. Die Fernsehbilder offenbarten nicht eindeutig, ob der Ball bereits hinter der Linie war, als Horschuh ihn berührte. „Ich hoffe, Bernd Nehrig ist nicht sauer, wenn man mir das Tor gibt. Sonst gebe ich ihm einen aus, und dann ist das Thema erledigt“, flachste Hornschuh.

In der Folge zeigte sich St. Pauli gut organisiert. Die harmlosen Fürther fanden keine Mittel, um die Lienen-Elf in Gefahr zu bringen. Außer Weitschüssen fiel den Gastgebern nichts ein.

Wie man es besser macht, zeigte Waldemar Sobota in der 62. Minute, als er einen Konter über Lennart Thy überragend vollendete. Nachdem der Pole Fürths Linksverteidiger Niko Gießelmann düpiert hatte, lupfte Sobota den Ball butterweich und technisch anspruchsvoll an Fürth-Keeper Sebastian Mielitz vorbei ins Netz.

In der Schlussphase verpassten es die Hamburger, gute Kontersituationen auszunutzen. Den 3000 mitgereisten Fans war es egal. Sie feierten den Sieg, der dazu führte, dass St. Pauli wieder Tuchfühlung zu den Aufstiegsrängen hat. „Wir können sicher noch besser Fußball spielen“, dämpfte Trainer Lienen jegliche Euphorie. Doch auch der wortgewandte Coach weiß, dass er nicht am Thema Bundesliga vorbeikommt, wenn sein Team weiter die wahre Identität des FC St. Pauli zeigt.