Hamburg. 500.000 Euro fehlen den Hamburger Volleyballerinnen für die Bundesliga. Sponsor mischte sich stark ins Sportliche ein

Volker Stuhrmann hat jedes Wort gelesen, das in den vergangenen Wochen und Monaten über das Volleyballteam Aurubis geschrieben wurde. Viele Zeitungsartikel hat er ausgeschnitten, die wichtigsten Passagen gelb markiert. Ein Begriff hat den Geschäftsführer der TV Fischbek Sportmarketing GmbH „bei aller berechtigter Kritik“ in der Berichterstattung sehr gestört: Missmanagement. Der stand im Abendblatt. „Wir sind nicht der HSV Handball, wir sind nicht insolvent. Beim VT Aurubis wird solide gewirtschaftet. Trainer, Spielerinnen, alle rund 20 Dienstleister werden bis zum Saisonende ihre Gehälter pünktlich erhalten. Auch für die Berufsgenossenschaft werden wir die fälligen Versicherungsprämien vorhalten.“

Stuhrmann, 67, und Mitgesellschafter Horst Lüders, 71, der Ehrenpräsident des TV Fischbek, haben ihre Hausaufgaben gemacht, keine Frage. In Dutzenden Aktenordnern sind ihre Bemühungen dokumentiert. Doch unter dem Strich ihres ehrenamtlichen Engagements steht weiter das Aus für das Hamburger Frauen-Bundesligateam zum Saisonende.

Seit Namensgeber Aurubis, mit rund elf Milliarden Euro Umsatz Europas größter Kupferproduzent, am 25. März 2014 das Sponsoring zum 30. Juni 2016 aufgekündigt hatte, sind Lüders und Stuhrmann auf der Suche nach neuen Geldgebern. 549.500 Euro, davon 250.000 Euro Gehälter für den Kader, beträgt der Etat noch in dieser Spielzeit. Das Hamburger Weltunternehmen mit Stammsitz auf der Peute bestreitet ihn zu rund 90 Prozent. Ersatz gibt es bis heute nicht. Die Zusagen lokaler Kleinsponsoren für die kommende Saison summieren sich derzeit auf 80.000 Euro. Zu wenig zum Überleben. 400.000 bis 500.000 Euro fehlen.

Auch einen Neubeginn in der Zweiten Bundesliga Nord stellen beide Geschäftsführer infrage. 250.000 Euro haben sie für den unterklassigen Spielbetrieb kalkuliert, „um vorne mitspielen zu können“. Selbst wenn Aurubis zu seiner Ankündigung stünde, die Nachwuchsarbeit des Vereins künftig mit etwa 100.000 Euro unterstützen zu wollen, klafft eine Lücke von mindestens 70.000 Euro. Und die Zeit läuft. Bis zum 31. März müssen die Lizenzierungsanträge bei der Deutschen Volleyball-Liga (DVL) in Berlin eingereicht werden. Stand heute wird bei der DVL keine Post aus Hamburg ankommen.

„Die momentan wahrscheinlichste Lösung ist, dass wir den Spielbetrieb zum Saisonende einstellen und die GmbH auflösen. Für die Dritte oder Vierte Liga brauchen wir ein solches Konstrukt nicht. Damit wird es in den nächsten Jahren in Hamburg keinen Spitzenvolleyball geben, und das hätte verheerende Folgen für den Nachwuchs in der gesamten Metropolregion“, sagt Stuhrmann.

Es klingt wie ein letzter Appell an die Hamburger Politik und Wirtschaft. Doch Hilfe ist von beiden Seiten nicht mehr zu erwarten. Die Stadt kann allein schon aus Wettbewerbsgründen allenfalls Kontakte vermitteln, und viele der angesprochenen Unternehmen stehen dem Projekt offenbar weiter skeptisch gegenüber. Dabei zeichnet sich in dieser Saison erstmals nach zehn Jahren so etwas wie eine nachhaltige sportliche Entwicklung ab.

Cheftrainer Dirk Sauermann, 39, ist es gelungen, aus elf zum größten Teil neuen Spielerinnen eine harmonierende Mannschaft zu formen, die zuletzt vier Bundesligaspiele in Folge gewann und auch an diesem Sonnabend (19 Uhr) beim Tabellenvierten VC Wiesbaden selbstbewusst auftreten dürfte. Dabei stehen ihm nur bescheidene finanzielle Mittel zur Verfügung – im Vergleich zur Konkurrenz, aber vor allem auch zu jenen fetten Jahren, als der Etat des VT Aurubis fast eine Million Euro betrug. Aber bekanntlich werden die entscheidenden Fehler in guten Zeiten gemacht. Und die gab es lange Zeit, wenigstens pekuniär.

2006 stieg die Norddeutsche Affinerie (NA), die sich 2009 in Aurubis umbenannte, ins Volleyball-Sponsoring ein. Es schien eine großartige Partnerschaft zu werden. Die Verträge wurden stets zwei Jahre im Voraus verlängert, um der sportlichen Leitung Planungssicherheit zu geben. Bis mindestens ins Jahr 2020 wollte der Konzern am Ball bleiben, unterstützte zudem 2010 den Bau der neuen CU-Arena am S-Bahnhof Neugraben. Die sportlichen Voraussetzungen waren hervorragend. 2003 hatte der Verein mit einem Mini-Budget Rang drei in der Bundesliga belegt, die bis heute beste Platzierung. Mit dem Geld der Kupferhütte sollte um die Meisterschaft gebaggert werden. Das war der Masterplan.

Ständiges Missverhältnis zwischen finanziellem Einsatz und Erfolg

Aus dem Kleingedruckten erwuchsen die Probleme. Nach Abendblatt-Informationen sicherte sich Aurubis vertraglich das letzte Wort bei sportlichen und personellen Beschlüssen zu, was im Innenverhältnis zwischen Vereinen und Sponsoren eher unüblich ist. Und das wirkte sich im Rückblick verheerend aus, weil es dem Unternehmen auf dem ihm sachfremden Gebiet schlicht an Kompetenz mangelte. Das Resultat war ein permanentes Missverhältnis zwischen finanziellem Einsatz, Anspruch und sportlichem Ergebnis.

Hinzu kam, dass eingeholte Expertisen zu Spielerinnen- und Trainerverpflichtungen oft ignoriert wurden. Ein Beispiel: Lüders bestand frühzeitig auf der Ablösung des ehemaligen Cheftrainers Helmut von Soosten (2005 bis 2010 und 2013 bis 2014), unter dessen Leitung sich kaum eine deutsche Spielerin dem Verein anschließen wollte. Aurubis aber verlängerte mit dem Coach sogar den Vertrag. 2013/2014 gewann das Team mit von Soosten kein einziges Spiel. Lüders sagt heute: „Ich habe mich nicht entschlossen genug gewehrt. Ich hätte früher als Präsident zurücktreten sollen. “

Jetzt scheint alles zu spät. Das VT Aurubis wird vom Netz gehen.