Mainz/Hamburg. Sensationeller Vorstoß eines St.-Pauli-Offiziellen: Der Videobeweis kann 2016 kommen. HSV-Relegations-Schiri Gräfe spricht über Fehler.

Er ist der Mann der besonderen Ideen. Das hat sein Vorstoß zur Neuverteilung der TV-Gelder im deutschen Profifußball gezeigt. Der kaufmännische Geschäftsführer des FC St. Pauli, Andreas Rettig hat eine neue Diskussion über den Videobeweis in der Fußball-Bundesliga, die Schiedsrichter sowie Phantomtore und die Korrektur von falschen Entscheidungen entfacht.

Rettig, der sich in einer internationalen Kommission mit dem Videobeweis beschäftigt, sagte im Aktuellen Sportstudio des ZDF, schon in der kommenden Saison seien Tests in der Bundesliga möglich. „Das wird in der ersten Märzwoche entschieden.“ Dabei gehe es um Torentscheidungen, knifflige Situationen im Strafraum und Dinge, die im Rücken des Schiedsrichters abliefen.

So könnte der Videobeweis ablaufen

Grundsätzlich könne man zukünftig entscheiden, wie der Videobeweis gehandhabt werden soll, entweder beantragt der Referee das, eine der beiden Mannschaften, oder ein Mitarbeiter eines unabhängigen Videoteams mache den Schiedsrichter auf eine knifflige Situation aufmerksam. Das dauere nicht lange, sagte Rettig. Wie in anderen Sportarten habe man nach zwölf, 13 Sekunden Gewissheit über einen strittigen Vorgang.

Gräfe war Schiedsrichter bei der HSV-Relegation gegen den KSC

Im Sportstudio beklagte Schiedsrichter Manuel Gräfe, dass auch die Unparteiischen überlastet seien und sogar mit Verletzungen zu kämpfen hätten, die schlecht verheilten. Das Spiel sei enorm schnell geworden, die Balljungen machten es noch schneller, das moderne Gegenpressing erhöhe zusätzlich das Tempo. Gräfe war der Schiedsrichter im Relegationsspiel des HSV beim Karlsruher SC, der in letzter Sekunde einen Freistoß für den HSV gab, was dem Bundesliga-Dino ein Tor (Marcelo Diaz) und später den Verbleib in der Liga sicherte (Tor zum 2:1 von Nicolai Müller).

Zuletzt hatte es herbe Kritik von Vereinen und einige Fehlentscheidungen gegeben, unter anderem ein Handtor von Hannover 96-Spieler Leon Andreasen. "Wir haben die Angelegenheit eingehend geprüft. Im Endeffekt hat der Schiedsrichter eine Tatsachenentscheidung getroffen. Eine Bestrafung des Spielers wäre unserer Einschätzung nach nur dann möglich gewesen, wenn Herr Andreasen auf eine Befragung durch den Schiedsrichter wahrheitswidrig geantwortet hätte. Dies ist nicht der Fall", sagte Anton Nachreiner, Vorsitzender des Kontrollausschusses der DFL.

Pöbeleien und Angriffe gegen Unparteiische nehmen zu

Gräfe beklagte im ZDF die überharte und persönliche Kritik an den Schiedsrichtern aller Ligen: „Grundsätzlich ärgere ich mich über jeden Fehler. Aber wir opfern unseren Sonntag, damit andere fußballspielen können. Wir müssen auch fordern dürfen, dass manche Dinge ein Ende haben.“ Damit meinte Gräfe Pöbeleien im Internet, auf Facebook und Twitter, sowie brutale Angriffe gegen Schiedsrichter. Auch der Hamburger Amateur-Referee Ralph Vollmers war eingeladen, der ein Buch geschrieben hat mit dem Titel „Ey Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht“. Es geht um tätliche Attacken auf Schiedsrichter.

Zum Videobeweis sagte Gräfe, er finde alles sinnvoll, was den Sport „gerechter“ macht. „Aber die Szenen im Graubereich werden bleiben.“ St.-Pauli-Mann Rettig sagte, selbst beim Videobeweis entscheide der Schiedsrichter in letzter Konsequenz. Gräfe, der offenbar noch immer mit dem Relegationsspiel HSV gegen den KSC hadert, fragte zum Videobeweis abschließend kleinlaut: „Kann ich da ein Handspiel überprüfen wie beim HSV-Spiel?“ Das vermeintliche Handspiel hatte dem HSV in letzter Sekunde den Freistoß gebracht, der überhaupt erst zum 1:1 und zur Verlängerung führte.