Hamburg. Mäzen Andreas Rudolph äußert sich erstmals öffentlich zur Situation des Bundesligaclubs. Für das Heimspiel gegen Magdeburg sind 8100 Karten weg.

Die Bundesligamannschaft des Handball Sport Vereins (HSV) Hamburg hat keine Zukunft mehr. So schätzt zumindest Andreas Rudolph die Perspektive des derzeitigen Tabellenfünften ein und widerspricht damit dem zuletzt verbreiteten Optimismus des vorläufigen Insolvenzverwalters Dr. Gideon Böhm, der weiter fest an eine Rettung glaubt. „Eine Fortführungsprognose sehe ich nicht mehr als gegeben an“, sagte der langjährige Präsident (Dezember 2004 bis August 2011 und November 2013 bis Mai 2014), Hauptsponsor und Mäzen am Sonnabendnachmittag bei einer Gesprächsrunde im Hotel Radisson Blu am Hamburger Flughafen. Der Verein stünde weit schlechter da als am 1. Januar 2005, als Rudolph einstieg und mit Millionenaufwand in den nächsten Monaten dem HSV Handball die Existenz sicherte.

Am vergangenen Dienstag hatte HSV-Geschäftsführer Christian Fitzek beim Amtsgericht Hamburg einen Insolvenzantrag gestellt. Der Verein hatte zuvor zwei Monatsgehälter der Profis und ein Gehalt der Geschäftsstellenmitarbeiter nicht zahlen können. Zudem belaufen sich die Forderungen zahlreicher Gläubiger, darunter Finanzamt, Krankenkassen, Berufsgenossenschaft und Hallenbetreiber Barclaycard-Arena, auf mehr als eine Million Euro. Der Spielbetrieb ist aber vorerst gesichert. An diesem Sonntag tritt der HSV (15 Uhr, Barclaycard-Arena) gegen den SC Magdeburg an. Mehr als 8100 Eintrittskarten sind für dieses Bundesligaspiel bereits verkauft. Es dürfte die größte Kulisse in dieser Saison werden.

Andreas Rudolph hat jedes Ticket mit 45 Euro subventioniert

Rudolph, 60, schwarzes Hemd, schwarze Hose, schwarze Schuhe, hatte eingeladen, um „meine Sicht der Dinge darzulegen“. Der Medizintechnikunternehmer (GHD) hatte in den vergangenen elf Jahren mehr als 40 Millionen Euro in den Club gesteckt. „Davon will ich auch keinen Cent wiederhaben“, stellte der Mäzen mit einem Lächeln klar. Er sei grundsätzlich zwar willig, auch jetzt und künftig mit einer namhaften Summe zu helfen, „wenn es zum Beispiel um eine Million Euro ginge, wäre das nicht der Punkt“ (Rudolph), jedoch nicht mehr als Alleinunterhalter und auch nur dann, wenn ein tragfähiges finanzielles Konzept vorläge – und sich andere Gläubiger ebenfalls in Verzicht übten. „Ich hoffe, dass sich der Verein retten kann, doch es fällt mir schwer, daran zu glauben. Besonders die Spieler tun mir leid.“ Er habe mit dem Kapitel HSV Handball im Moment emotional abgeschlossen, so schmerzlich dies auch für ihn sei. Kontakt habe er hauptsächlich noch zu einigen Spielern wie Kapitän Pascal Hens und Torhüter Johannes Bitter, zu Geschäftsführer Fitzek dagegen „seit Wochen nicht mehr“.

Strittig bleibt das Kapitel Patronatserklärung, die Rudolph zur Sicherung des Spielbetriebes vor der Saison gegenüber der Handball-Bundesliga (HBL) abgegeben haben soll. „Es war keine Patronats-, sondern eine Verpflichtungserklärung gegenüber dem Verein, die an gegenseitige Bedingungen geknüpft war. Ich habe alle Anforderungen bereits umfassend erfüllt“, sagte Rudolph. Seine Anwälte würden das ähnlich beurteilen.

Rudolph bietet an seine Darlehen in Anteile der Betriebsgesellschaft umzuwandeln

Der Unternehmer ist dennoch weiter bereit, seine dem Club gewährten Darlehen in Anteile in der Handball Betriebsgesellschaft mbH & Co. KG umzuwandeln, was das Nominalkapital der Gesellschaft entscheidend erhöhen, aber dem Verein keine neue Liquidität verschaffen würde. Der Effekt wäre allerdings, dass das negative Eigenkapital in positives umgewandelt würde und damit der drohenden Abzug von vier Pluspunkten in der laufenden Spielzeit verhindert wäre. „Mein Angebot besteht, ich habe jedoch bislang keine Antwort erhalten“, sagte Rudolph.

Warum es dem HSV Handball schwerfallen dürfte, eine Perspektive zu entwickeln, belegte Rudolph mit Zahlen aus der Gläubigerversammlung Ende November. Bis zum Ende der Saison erwarte der Club noch Einnahmen von 700.000 Euro, die Forderungen bis Ende Juni 2016, auch durch Altlasten, beliefen sich auf rund fünf Millionen Euro. Zurzeit nimmt der Verein 100.000 Euro im Monat ein, gibt aber 400.000 aus, drei Viertel davon für Gehälter. Zudem drohen hohe Rückzahlungen an den ehemaligen Vermarkter Kentaro, der ebenfalls insolvent ist und dessen Insolvenzverwalter deshalb darauf bestehen könnte, geleistete Zahlungen zurückzufordern. Das ist nach deutschem Insolvenzrecht möglich.

Über sein Engagement sagte Rudolph: „Ich habe in den vergangenen drei Jahren jede Eintrittskarte mit 45 Euro subventioniert.“ Jeder Besuch eines Heimspiels seiner Handballer hätte ihn 800.000 Euro gekostet. Er sei enttäuscht, dass trotz der großen Erfolge der Mannschaft, Gewinn der deutschen Meisterschaft 2011 und der Champions League 2013, es an Unterstützung gefehlt habe. „Ich hätte mir mehr Zuschauer, mehr Förderer, mehr Sponsoren und mehr Unterstützung der Stadt gewünscht. Oper, Theater, Elbphilharmonie werden mit Millionen am Leben erhalten, der Sport geht weitgehend leer aus. Es ist schon sehr enttäuschend, wie schlecht Spitzensport in Hamburg honoriert wird. Wenn an einem trüben Sonntagnachmittag nur 4500 Zuschauer in die Halle kommen, obwohl die heutige Mannschaft über die Erwartungen erfolgreich spielt, ist das dramatisch.“ Und: In der Saison 2014/15 hatte der HSV Handball 4,1 Millionen Euro Einnahmen durch Sponsoren, in der laufenden Spielzeit noch 2,1 Millionen, „den Großteil von meinen Firmen“. Für die Serie 2016/17 rechnet der Verein mit Sponsorengeldern von 3,4 Millionen Euro. „Dann fehlten voraussichtlich immer noch eine Million Euro, um den Etat zu decken“, sagte Rudolph.

Auch die Handball-Bundesliga habe Schuld an der Misere. „Der HBL ist es nicht gelungen, eine zentrale Vermarktung zustande zu bringen, die TV-Einnahmen tendieren gegen null, der Streit mit der Nationalmannschaft war den Verantwortlichen wichtiger, als sich um die Liga zu kümmern“, klagte Rudolph. Sich allein an der Marke „beste Handball-Liga der Welt“ zu klammern, sei zu wenig. „Und betrachtet man die Ergebnisse in der Champions League, hat die Bundesliga ihre dominierende Rolle längst eingebüßt.“