Ein Spiel, eine klare und eine vermeintliche Fehlentscheidung im Bundesliga-Topspiel. Schiedsrichter Gräfe bittet um fairen Umgang.

Wolfsburg. Für den tobenden Rudi Völler war es „eine riesengroße Ungerechtigkeit“, für Klaus Allofs „großes Glück“ und für Schiedsrichter Manuel Gräfe ein Argument für den Videobeweis - zumindest in dieser einen fatalen Szene. Durch den groben Fehler Gräfes vor dem 1:0 des VfL Wolfsburg beim 2:1-Sieg über Bayer Leverkusen wurde das Topspiel des elften Bundesliga-Spieltages mit entschieden. Noch weit nach Spielschluss war Gräfes Blackout das beherrschende Thema und die x-te Diskussion um den Videobeweis längst entbrannt.

„Das ist mein Fehler, das tut mir auch leid. Die Leverkusener können auch zu recht sauer sein“, bekannte Gräfe am späten Samstagabend. Mehrere Male deutete der unglückliche Unparteiische auch an, allein gelassen worden zu sein: „Der Videobeweis hätte in dieser Szene geholfen.“

Auf den Fernsehbildern war deutlich zu erkennen, was im Stadion eben nicht klar zu sehen war: Dass Wolfsburgs André Schürrle vor dem Tor durch Nicklas Bendtner (34. Minute) den Ball auf den im Abseits stehenden Vorlagengeber Vieirinha spielte, und nicht Leverkusens Kevin Kampl, was Gräfe fälschlicherweise annahm und seinen Linienrichter überstimmte. „Ich war mir eben hundertprozentig sicher. Der Assistent war sich halt nicht so sicher“, begründete der 42-jährige die Entscheidung.

Völler: „Riesengroße Ungerechtigkeit“

„Ich verstehe, dass man sich aufregt. Da haben wir großes Glück gehabt“, bekannte Wolfsburgs profitierender Sportchef Allofs. Durch den Sieg nach weiteren Toren von Bayers Javier Hernandez (40.) und Wolfsburgs Julian Draxler (77.) ist der VfL nun Dritter.

Trotz seiner angeblichen Sicherheit fragte der Referee wegen der Leverkusener Proteste die betroffenen Spieler noch vor Wiederanpfiff. Das Tor hätte also noch zurück genommen werden können. Selbst Schürrle und Kampl waren sich aber nicht eindeutig sicher. „Ich habe leider von den Spielern keine Hilfestellung bekommen, das kann ich aber auch nicht erwarten“, meinte der leidtragende Gräfe.

„Ich frage mich, warum er die Spieler dann fragt, wenn er sich so sicher ist. Das passt irgendwie alles nicht“, echauffierte sich Völler. „Es ist eine riesengroße Ungerechtigkeit.“ Vor allem Bayers Sportdirektor war nach der irregulären Führung außer sich.

Er sprintete während des Spiels von der Tribüne in den Innenraum, schrie den vierten Offiziellen Wolfgang Stark an, schmiss sein Kaugummi vor Wut weg und wütete gestenreich an der Seitenlinie. „Wenn ich bei so einer Situation ruhig sitzen bleibe, dann bin ich in dem Job fehl am Platz. Da werde ich nochmal was sagen dürfen“, meinte Völler patzig.

Schmidt fordert Videobeweis

Leverkusens Coach Roger Schmidt forderte den Videobeweis, da zu viele Spiele durch falsche Entscheidungen entschieden würden: „Ich finde schon, dass man daran was ändern könnte. Um auch die Schiedsrichter zu entlasten.“

Gräfe leugnete dies nicht, technische Hilfsmittel sind für den erfahrenen Referee dennoch kein Allheilmittel: „In der Situation hätte es heute geholfen. Viele andere bleiben aber grau und verhelfen nicht zu mehr Gerechtigkeit.“

Bestes Beispiel dafür war eine weitere knifflige Szene, als Gäste-Keeper Bernd Leno Wolfsburgs Daniel Caligiuri im Strafraum zu Fall brachte, der Pfiff aber ausblieb. Allofs witterte gar eine Konzessionsentscheidung. „Für uns ist auch ärgerlich, dass wir als Konsequenz den Elfmeter nicht bekommen haben.“

Gräfe wünscht sich fairen Umgang

Tatsächlich war dieser Moment alles andere als eindeutig, die Meinungen darüber gingen auseinander. Was beweist, dass es in vielen Szenen eben nicht die eine Wahrheit geben kann, wenn Situationen unterschiedlich bewertet werden. „Da wird mittlerweile so ein Druck aufgebaut auf die Herren, dass da auch mehr Fehler passieren als in der Vergangenheit. Wir müssen aufpassen, dass der Druck nicht unmenschlich wird“, gab VfL-Coach Dieter Hecking zu bedenken.

Es ehrt Gräfe, dass er darauf nicht einging: „Damit muss man leben in der Bundesliga.“ Gleichwohl forderte er ein „faires Miteinander“ ein, als er sich noch in der Halbzeit bei den Leverkusenern entschuldigte. „Ich habe nur darum gebeten, dass man vernünftig miteinander kommuniziert. Dass man nicht sagt: jeder im Stadion hat es gesehen, nur die vier unten nicht.“

Diesen Gefallen taten ihm die Gäste freilich nicht. „Es hat jeder im Stadion gesehen“, sagte Keeper Leno mehrfach. Schmidt befand: „Es war natürlich ein klar irreguläres Tor. Das hätte man auch sehen können.“ Und Völler ereiferte sich: „Wie alle im Stadion habe ich es gesehen.“