Fifa-Chef Joseph Blatter soll für Organisationszuschuss für die WM 2006 6,7 Millionen Euro gefordert haben – Weltverband widerspricht.

Wolfgang Niersbach wirkt angespannt. Als der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) den Tagungsraum 4 in der Frankfurter Verbandszentrale mit Mediendirektor Ralf Köttker betritt, weist dieser erst mal die Fotografen zurecht, sie mögen doch etwas Abstand halten. Die tiefen Ringe unter den Augen des DFB-Bosses sind nicht zu übersehen. „Ich zermartere mir auch den Kopf, seitdem das in der Welt ist“, sagt er.

Mit „das“ sind die 6,7 Millionen Euro gemeint, die der „Spiegel“ am vergangenen Freitag zutage gefördert hat und mit denen angeblich die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland geholt worden sein soll. Das wiederum weist Niersbach bei seiner kurzfristig einberufenen Pressekonferenz vehement zurück: „Das Sommermärchen war ein Sommermärchen, und es bleibt ein Sommermärchen.“

Inhaltlich hatte sich der DFB-Präsident zur ominösen Zahlung aber lange nicht geäußert. Nach der Fifa-Sitzung in Zürich traf sich der 64-Jährige auf der Wahrheitssuche am Dienstag mit Franz Beckenbauer, dem strahlenden Gesicht der WM 2006. Was Niersbach von seinem langjährigen Weggefährten in dessen Heim in Kitzbühel hörte, dürfte ihn nicht beruhigt haben.

Fifa forderte Vorauszahlung

Ganz im Gegenteil. Der DFB wollte (laut Niersbach) im Januar 2002 einen Millionenzuschuss in Höhe von 250 Millionen Schweizer Franken von der Fifa für die WM 2006, wie ihn auch Japan und Südkorea als Veranstalter des Weltturniers 2002 bekommen hatten. Der Weltverband sagt diesen auch zu, verlangt als Gegenleistung aber erst einmal eine Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken, umgerechnet 6,7 Millionen Euro. Komische, dubiose, unschöne große Fußball-Welt.

Die Erklärung im Wortlaut

Doch es wird noch bizarrer: Weil das deutsche WM-OK zu diesem Zeitpunkt noch nicht über die nötigen Gelder verfügt, will Beckenbauer, so Niersbach, mit seinem Privatvermögen einspringen. Sein damaliger Berater Robert Schwan rät davon ab, bringt aber Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus ins Gespräch. Beckenbauer und Fifa-Präsident Joseph Blatter klären die Details unter vier Augen. Wie Niersbach weiter ausführt, habe Milliardär Dreyfus die Summe an die Fifa-Finanzkommission überwiesen und der DFB daraufhin den Zuschuss erhalten. Eine Version, die die Fifa als falsch zurückwies: „Nach heutigem Kenntnisstand wurde keine derartige Zahlung von zehn Millionen Schweizer Franken bei der Fifa im Jahr 2002 registriert“, teilte der Fußball-Weltverband mit. Blatter erklärte (fast erwartungsgemäß), dass er keine Kenntnis über den Vorgang habe.

Franz Beckenbauer will vorerst auf öffentliche Stellungnahmen verzichten. „Er wird zunächst der Bitte der externen Untersuchungskommission des DFB entsprechen und diesem Gremium Rede und Antwort stehen“, teilte sein Management mit. Niersbach selbst habe von den Details nichts gewusst, beteuert der DFB-Boss. Die Bewerbung und die Organisation seien „extrem komplex“ gewesen, an alle Details könne er sich mehr als zehn Jahre später nicht mehr erinnern. Er sei auch in die Finanzabwicklung nur sehr bedingt eingebunden gewesen.

Erinnerungslücken bei Niersbach

Was Niersbach heute weiß, ist, dass 2005 eine Rückabwicklung dergestalt geschehen sollte, dass es damals die Absicht war, eine besondere Fifa-Gala in Berlin durchzuführen. „Es gab den Antrag der Fifa, dass sich das OK an dieser Gala beteiligen solle. Diese Vorlage wurde genehmigt, und dann wurde dieser Betrag von 6,7 Millionen Euro an die Fifa überwiesen.“ Und zu dem Fax von 2004, das dem Spiegel vorliegt mit einem persönlichen Vermerk: „Daran kann ich mich nicht erinnern – ich kann es aber auch nicht ausschließen.“

Wie Niersbach da vorn im Raum sitzt, sich immer wieder verhaspelt und nervös mit den Füßen kippelt, hat man den Eindruck, als könne der DFB-Präsident selbst nicht glauben, was er da nach dem Gespräch mit Beckenbauer berichtet. „Da sind schon noch ein paar Fragen offen“, räumt er ein. Korruption aber habe es weder in der Bewerbungsphase noch danach gegeben.

Zum Ende seines 40-minütigen Auftritts werden Niersbachs Aussagen immer verwirrender. Man sieht, wie das Thema an ihm nagt und vor allem die Tatsache, dass er es nicht allein aufklären kann. Dafür wäre die Hilfe der übrigen OK-Mitglieder notwendig. Doch Beckenbauer schweigt öffentlich ebenso wie Theo Zwanziger. Horst R. Schmidt erklärte, es habe sich um einen Alleingang Beckenbauers gehandelt. Andere Protagonisten wie Schwan oder Louis-Dreyfus leben nicht mehr.

Als Niersbach den Raum verlässt, wirkt er fast schon ein bisschen erleichtert. Endlich ist er dem Druck der Öffentlichkeit nachgekommen und hat sich geäußert. Das Thema wird Niersbach weiter verfolgen. Schon heute, wenn das DFB-Präsidium in Dortmund zusammenkommt.