München. Im deutschen „Clasico“ demontieren die Münchner Verfolger Borussia Dortmund mit 5:1. Nun droht die große Langeweile

Sven Bender stand noch eine Weile nach diesem bösen Debakel vor der Auswechselbank und blickte gedankenverloren vor sich her, während sich die Münchener in der Fankurve feiern ließen. Roman Weidenfeller gab ihm aufmunternd einen Klaps mit auf den Weg, die übrigen Mannschaftskollegen von Borussia Dortmund waren nach dem 1:5 (1:2) beim FC Bayern eiligst in die Kabine geflüchtet. Das Debakel im Bundesliga-Schlager muss sich wie ein aus den Fugen geratener Besuch auf der Wiesn angefühlt haben, die am Sonntag ja zu Ende ging. Leicht vorstellbar, dass die fünf Gegentore bei den Schwarz-Gelben genauso gewirkt haben dürften wie fünf Maß in nur 90 Minuten auf dem Oktoberfest. So oder so, beim BVB herrscht nach der ersten Saisonpleite Katerstimmung.

„Wir müssen akzeptieren, dass wir nicht gut genug waren“, klang Thomas Tuchels Erklärung für das zuvor Geschehene noch äußerst nüchtern und profan. Auf dem Rasen hatte sich zumindest für gut 20 Minuten gar keine so große Leistungslücke zwischen den beiden derzeit besten deutschen Mannschaften aufgetan, ehe Dortmunds individuelle Entscheidungen sowie das Abwehrverhalten der ganzen schwarz-gelben Gruppe einen Klassenunterschied möglich machten. „Ich hätte mir gewünscht, die Tore wären nicht zu verteidigen gewesen“, sagte BVB-Coach Tuchel, „aber das waren sie nicht. Und das tut doppelt weh.“

Zwei der fünf Gegentore fielen nach identischem Muster: Beim ersten Treffer von Thomas Müllers Oans-zwoa-g’troffa-Doppelpack (26. und 35. Minute/Foulelfmeter nach Vergehen Mkhitaryans an Thiago) hatte Abwehrchef Jerome Boateng einen langen Pass auf den Weltmeister gespielt, der seinem Gegenspieler Lukasz Piszczek (spielte für den verletzten Marcel Schmelzer links hinten) entwischt war. Nur 22 Sekunden nach der Pause bediente Boateng nun Robert Lewandowski. Roman Bürki vermied es in beiden Situationen, eine Verletzung nach Frontalzusammenstoß oder eine Rote Karte für Handspiel außerhalb des Strafraums zu riskieren. Tuchel sprach seinen Torhüter frei von Schuld und nahm stattdessen die komplette Abwehrkette in die Verantwortung. „Bei solchen Bällen gibt es klare Verhaltensweisen“, rügte der Trainer, was der auf dem Rasen ebenfalls indisponierte Mats Hummels kleinlaut einräumte. „Die langen Bälle kamen nicht überraschend, das ist ja das Schlimme.“

Ebenjener dritter Treffer war es allerdings, der die Dortmunder fortan nicht mehr daran glauben ließ, Zählbares aus München mitnehmen zu können. Wonach es zur Pause noch ausgesehen hatte, weil Pierre-Emerick Aubameyang mit seinem zehnten Saisontor (37.) auch im achten Bundesligaspiel in Folge einnetzte. Marco Reus, der nach seinem Zehenbruch noch nicht wieder richtig in Fahrt gekommen ist, wurde wie auch der Belgier Adnan Januzaj erst nach dem 1:3 eingewechselt. Mit wenig Erfolg. „Wir haben es ja selbst in unserer guten Phase nicht geschafft, gefährlich zu werden“, sagte Tuchel, „entweder war es zu kompliziert oder ein Bein dazwischen.“

Letzteres hatte sich Dortmunds sportlich Verantwortender vergeblich gewünscht, als Lewandowski sein Torkonto auf zwölf hochschraubte (58.) und Mario Götze (66.) aus einer Niederlage ein Debakel samt Lehrstunde machte. „Wir haben gegen eine der besten Mannschaften Europas gewonnen“, übertrieb es FCB-Coach Pep Guardiola abschließend bei der Lobhudelei für Dortmund. Dass der BVB „eine Maschine“ sei, quittierte Tuchel, indem er sich ungläubig an die Stirn fasste. So hätte der 42-Jährige nach diesem Abend aber auch reagiert, wenn er fünf Maß Bier getrunken hätte.

Das Endergebnis befeuert natürlich Befürchtungen, wonach in der Liga nun gähnende Langeweile einziehen könnte. „Was soll ich sagen, Pep?“, gab Tuchel noch mit einem Schmunzeln im Gesicht die Frage eines Journalisten weiter, ob die nun mit sieben Punkten von der Konkurrenz enteilten Bayern auf dem Weg zur vierten Meisterschaft in Serie noch aufzuhalten seien. „Ich habe nicht gefragt“, entgegnete der Bayern-Coach, weshalb Tuchel nicht um diese Einschätzung herumkam: „Nein, natürlich nicht.“

Guardiola wollte das 5:1 am achten Spieltag selbstredend nicht als Entscheidung im Meisterschaftsrennen verstanden wissen. „Im Oktober ist niemand Deutscher Meister – in keiner Liga der Welt.“ Doch auch sein Doppeltorschütze Thomas Müller wusste, dass es äußerst schwierig werden dürfte, den Rekordmeister am nächsten nationalen Titel zu hindern. „Das war auf jeden Fall ein Big Point. Mit der Art und Weise, wie wir gewonnen haben, ist das schon ein Signal.“