Hamburg. Trainer Hamed Attarbashi über das neue Basketball-Team der Hamburg Towers. Freitagabend Saisonstart gegen Essen.

Wie es um die Bekanntheit der Hamburg Towers in Norddeutschland bestellt ist, musste die Mannschaft vor zwei Wochen auf dem Weg zu ihrem Testspiel nach Rostock erfahren. Eine Polizeistreife stoppte die beiden Neunsitzer-Busse des Teams auf der Autobahn. Der Verdacht der Beamten: Hier könnte eine internationale Schlepperbande unterwegs sein. Auch die Beteuerungen von Trainer Hamed Attarbashi, man sei ein Basketballteam und die Tatsache, dass fast alle Insassen perfekt Deutsch sprachen, nutzten nichts. Schikanöse 15 Minuten dauerten die Personenkontrollen, bis sich die Towers schließlich wieder in Bewegung setzen konnten.

Dabei hatten die Türme in der vergangenen Spielzeit weit über die Grenzen der Zweiten Bundesliga ProA auf sich aufmerksam gemacht. Sogar das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hatte dem Projekt einen dreiseitigen Artikel gewidmet, in ganz Basketball-Deutschland verfolgten Spieler und Funktionäre interessiert die Entwicklung. Fast 2900 Zuschauer im Schnitt in der meist ausverkauften Inselparkhalle in Wilhelmsburg und ein beachtlicher achter Platz in der Premierensaison schufen Respekt in der Szene.

Hobby-Schachspieler Attarbashiverbindet eine tiefe Liebe zum Detail

Nun gilt es, im zweiten Jahr die Anfangserfolge zu bestätigen. Attarbashi aber warnt: „Die ProA ist noch einmal stärker geworden, das ist jetzt eine richtige Profiklasse. Kämen wir wieder in die Play-offs, also unter die ersten acht, wären wir alle sehr zufrieden.“

Mit rund einer Million Euro ist der Etat ähnlich hoch wie vor einem Jahr, die Suche nach einem Hauptsponsor geht weiter. Immerhin stieg jetzt mit Stosch Immobilien ein neuer Co-Sponsor ein. Dass mit dem ehemaligen Nationalmannschaftskapitän Pascal Roller Ende Mai einer der Gründungsväter ausstieg, erschwert die Aufgabe zusätzlich. Differenzen über die mittelfristige Ausrichtung der Towers und das Tempo der Professionalisierung hatten zum Bruch geführt. Roller hatte vergeblich einen Zeitplan gefordert.

Seine Mahnungen wurden jedoch ernst genommen, die Zahl der Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle am Kurt-Emmerich-Platz erhöht, und mit Benka Barloschky, 27, ein Assistenztrainer vom VfL Stade eingestellt, der seine Mission – im Gegensatz zu seinem Vorgänger Özhan Gürel, 25, – als Vollzeitjob versteht. Das erhöht den sportlichen Handlungsspielraum des Headcoaches. „Ich werde immer mehr zum Trainer“, sagt Attarbashi angesichts der zunehmenden Arbeitsentlastung im organisatorischen Bereich.

Seine Spieler könnten das als Drohung verstehen, denn den 39 Jahre alten Hobby-Schachspieler verbindet eine tiefe Liebe zum Detail. Und dass er vor drei Wochen zum ersten Mal Vater geworden ist – Ehefrau Evin brachte Söhnchen Nadeem zur Welt –, hat bislang nur Einfluss auf Attarbashis privaten Fernsehkonsum. Den aufgenommenen „Tatort“ vom Vorsonntag haben seine Frau und er immer noch nicht gesehen, das Videostudium der Gegner beschäftigt ihn dagegen weiter bis vier Uhr nachts, weshalb er zum Interview im Block House auch mit ungewohntem Drei-Tage-Bart erschien.

Die sieben Wochen bis zum Saisonstart an diesem Freitag (20 Uhr, Inselparkhalle) gegen Essen hat Attarbashi weidlich genutzt, um an Technik und Taktik zu feilen. Auch wenn Unfälle, Verletzungen und ein „Kabinenvirus“ eine systematische Vorbereitung störten und keiner der zwölf Spieler das komplette Programm absolvieren konnte, sieht Attarbashi Fortschritte: „Wir sind schlauer und erfahrener geworden und werden mehr Punkte erzielen als in der letzten Saison.“ Das habe sich in den Testspielen angedeutet. Besonders die Distanzwurfschwäche sei auf gutem Weg, behoben zu werden. Dies vor allem dank Neuzugang Xavier Roberson, 25, der in der Preseason regelmäßig der Topscorer war. Der US-Amerikaner soll neben Spielmacher Bazoumana Koné, 21, das Gesicht der diesjährigen Mannschaft werden.

Bei der Auswahl der fünf Neuzugänge legte der Trainer Wert auf Teamfähigkeit. Jeden Kandidaten traf er persönlich, bestellte ihn zum Vorspielen. „Nicht nur ich muss mit dem Spieler zurechtkommen, er auch mit mir. Deshalb ist es wichtig, gemeinsame Erfahrungen zu sammeln“, sagt Attarbashi.

Die Towers sind unter dem Korb größer geworden

Wurde der letztjährige Kader nach der Wildcard-Vergabe auf die letzte Minute zusammengestellt, so tüftelte Attarbashi diesmal schon seit dem Frühjahr. Auffälligster Unterschied: Die Mannschaft ist größer geworden. Mit dem Trierer Topzugang Stefan Schmidt (2,07 m) und Talent Helge Baues (2,05 m) können künftig zwei weitere Center Michael Wenzl (2,10 m) bei der Arbeit unter dem Korb unterstützen.

Auch die Kooperation mit Rist Wedel (Zweite Bundesliga Nord ProB) nimmt die von beiden Seiten gewünschte Formen an. Attarbashi und Wedels Coach Michael Claxton, 38, tauschen sich regelmäßig aus, stimmten sich bei der Spielersuche ab. Wedel trainiert inzwischen einmal in der Woche in Wilhelmsburg, deren US-Profis dort zwei- bis dreimal – genauso wie Hamburgs größte Basketballtalente, die 17-Jährigen Louis Olinde und Lennard Larysz. Attarbashi: „Da wächst zusammen, was zusammengehören soll.“

Perfekt funktioniert bereits die Physiotherapie, und für optimale Trainingsbedingungen hat jeder Spieler einen Hallenschlüssel. „Das hat schon Erstliganiveau“, meint der Coach. Ob der Club irgendwann wirklich in die Bundesliga will, „darüber müssen andere entscheiden“, sagt Attarbashi. Als Trainer würde ihn dies „natürlich reizen, aber ich stehe auch für andere Konzepte zur Verfügung, wenn sie glaubwürdig und nachhaltig sind, zum Beispiel der Aufbau einer Mannschaft nur mit Talenten aus der Umgebung“.