Hamburg. Die HSV-Handballer bescheren Trainer Michael Biegler beim 37:28-Sieg gegen Lemgo eine überzeugende Heimpremiere

Müsste man die ganze Geschichte dieses Spiels mit einer einzigen Aktion erzählen, dann wäre es wohl die von Dener Jaanimaa zwei Sekunden vor Schluss. Es war längst entschieden, aber der Este hatte noch diesen einen Wurf in der Unterhand, abgefeuert aus wohl elf Metern. Und als der Ball im Torwinkel des TBV Lemgo zum Endstand von 37:28 (16:14) hängen blieb, war die Erleichterung der HSV-Handballer fast schon körperlich spürbar. Ja, dieser neue HSV ist in der Bundesliga konkurrenzfähig. Ja, er kann ansehnlichen, sogar begeisternden Handball spielen. Und nein: Es gibt keine Krise, jedenfalls keine sportliche. Und das ist die wichtigste Voraussetzung, damit der Club irgendwann einmal wirtschaftlich auf die Beine kommt.

„Meine Mannschaft hat sich mit einem guten Spiel für das gute Training belohnt“, sagte Trainer Michael Biegler nach seiner Heimpremiere. „Was mir imponiert hat: Meine Spieler haben über 60 Minuten nicht nachgelassen. Und das ist auch der Unterstützung unserer Fans zu verdanken.“

Auch das ist eine Lehre dieses Spiels: Es braucht keine künstlichen Knalleffekte, um die Barclaycard-Arena, wie sie jetzt heißt, in Stimmung zu bringen. Statt eines Feuerwerks wurde der Einlauf (aus Kostengründen) mit viel Nebel zelebriert. Als die Schwaden sich verzogen, legte sich der neue Hallensprecher Jonas Frank ins Zeug. Frage ans Publikum: „Wer ist der geilste Club der Welt?“ Und: „Wer fegt Lemgo von der Platte?“

Die Antwort fiel verhalten aus, was nicht nur daran lag, dass der Oberrang erstmals gesperrt blieb. Starke Sprüche hatte man vom HSV fürwahr oft genug vernommen. Diesmal allerdings folgten tatsächlich Taten. Es dauerte freilich 20 Minuten, dann erst schien sich in der Mannschaft der Glaube daran festzusetzen, dass sie zu mehr in der Lage ist als beim Pokalaus beim Zweitligisten Nordhorn-Lingen und bei der Bundesliga-Auftaktniederlage beim Aufsteiger Leipzig.

Wer wollte, konnte die Verunsicherung des Fehlstarts aus vielen Aktionen der Anfangsphase herauslesen. Allan Damgaard zum Beispiel: Der dänische Spielmacher scheiterte zunächst in der siebten Minute völlig frei am eine Halbzeit lang formidablen TBV-Torwart Nils Dresrüsse. Kurz darauf aber traf Damgaard erst aus unmöglichem Winkel und dann noch mit einem ansehnlichen Heber.

Dass sich der HSV in Überzahl von 10:10 (19. Minute) auf 14:10 (24.) absetzen konnte, war natürlich auch Jens Vortmann zu verdanken. In der 13. Minute beim Stand von 6:7 für Johannes Bitter (er hielt nur einen von acht Würfen) eingewechselt, konnte der neue Torwart erstmals nachweisen, warum ihn der HSV vom Absteiger Minden geholt hat. „Ein großer Ballast ist abgefallen“, sagte Vortmann später, „wir sind als Mannschaft angekommen und haben auf die Platte gebracht, was wir uns im Training erarbeitet haben.“

Seine zwölf Paraden machten mit zunehmender Spieldauer einen Unterschied aus, vor allem in der Phase zwischen der 36. und 52. Minute, als der HSV von 21:18 auf 32:22 davonzog. Aber die Torwartleistung und die Treffsicherheit von Rechtsaußen Hans Lindberg waren eben nicht das Einzige, worauf sich der HSV verlassen konnte, wie noch in der vergangenen Saison.

Sondern auch auf Spieler wie Tom Wetzel. Der große Unbekannte im linken Rückraum, der in der vergangenen Saison noch für Rostock in der Zweiten Liga spielte, wurde in der zweiten Halbzeit mit seinen vier Toren „zum entscheidenden Spieler“, wie Lemgos Trainer Florian Kehrmann befand. Aber auch Wetzel war nur einer von elf HSV-Torschützen. Von der Deckung hatte Biegler mehr Leidenschaft und Aggressivität gefordert – Auftrag ausgeführt. Von den Rückraumspielern den Mut, den direkten Weg zum Tor zu suchen, wenn er sich bietet – Auftrag ausgeführt. Im Rückzugsverhalten mehr Tempo – Auftrag ausgeführt.

Bei so viel Lernfähigkeit sollte dem HSV vor dem Spiel am kommenden Freitag (19.45 Uhr) beim Aufsteiger TVB 1898 Stuttgart nicht bange sein. „Wir müssen jetzt eine Schippe drauflegen“, forderte Geschäftsführer Christian Fitzek, „dann können wir die Halle am 9. September gegen Flensburg zum Brennen bringen.“

Tore, HSV: Lindberg 12 (3 Siebenmeter), Pfahl 6, Wetzel 4, Damgaard 4, Flohr 2, Jaanimaa 2, Feld 2, Mortensen 2, Hens 1, Brozovic 1, Schmidt 1;
Lemgo: Haenen 9 (5), Hermann 4, A. Niemeyer 3, M. Niemeyer 3, Stenbäcken 2, Feuchtmann 2, Kogut 2, Höning 2, Zieker 1.
Schiedsrichter: Moles/Pittner (Heddesheim/Karlsruhe). Zuschauer: 4765. Zeitstrafen: 4; 3.