Hamburg. Ralph Vollmers ist Hamburgs bekanntester Amateur-Schiedsrichter. Mi einem Journalisten hat er ein Buch über seine Karriere geschrieben.

Ralph Vollmers betritt den Rasen an der Hoheluft und schaut sich im Stadion um. „Ich würde gerne noch ein Amateurpokalfinale pfeifen. 2013 war das eine große Ehre für mich“, sagt Vollmers. Victoria besiegte Elmshorn vor 4400 Zuschauern mit 2:1 nach Verlängerung. Vollmers leitete das sportliche Spektakel souverän. Wie eigentlich immer, wenn der bekannteste Hamburger Amateurschiedsrichter zur Pfeife greift. Darf er 2017, wenn er die Altersgrenze erreicht, erneut das Finale leiten, wäre das der krönende Abschluss seiner ungewöhnlichen Karriere. Diese hat der markante Charakterkopf jetzt in einem eigenen Buch beschrieben. „Ey Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht. Aus dem nicht immer lustigen Leben eines Amateur-Schiedsrichters“ heißt das Werk.

„Ich habe dem Journalisten Julien Wolff meine Geschichten erzählt. Er hat das Buch in meinem Stil verfasst“, sagt Vollmers. Die Idee lag nahe. Schließlich ist Vollmers einer, der viel zu erzählen hat. Seine Karriere an der Pfeife startete er erst mit 28 Jahren. Als Amateurspieler ein echtes Raubein wagte Vollmers – Spitzname „Drago“ wegen seines damaligen Dolph Lundgren in „Rocky IV“ ähnlichen Haarschnitts – den Spruch „Bevor ich Jugendtrainer werde, werde ich eher Schiedsrichter“. Börnsens Liga-Obfrau stand zufällig daneben und meldete den Sprücheklopfer ohne dessen Wissen zum Schiedsrichter-Lehrgang an.

Ein paradox anmutender Werdegang

So begann ein Werdegang, der in der heutigen Zeit der im Auftreten auf dem Feld und gegenüber den Medien oft stromlinienförmig wirkenden Verbandsschiedsrichter ein bisschen paradox anmutet. Einerseits ist Vollmers ein ordnungsliebender Mensch mit großem Gerechtigkeitssinn und einer der Besten seiner Zunft. Andererseits schaffte der heutige Oberliga-Schiedsrichter seinen Aufstieg bis in die vierte Liga (von 2001–2005) oftmals gegen die „ungeschriebenen Gesetze“ im Hamburger Fußball-Verband. Er bevorzugt paradiesische Outfits, schnackt gerne mit den Spielern auf Augenhöhe, leitet seine Spiele sehr großzügig mit nur wenigen Karten. Und brüllt ihn ein Trainer an, wie seinerzeit Meik Ehlert bei einem Spiel des SC Condor über 50 Meter, schreit er von der Mittellinie auch mal zurück. „Respekt soll für alle gelten, auch für mich. Und manchmal provoziere ich auch ganz gerne ein bisschen“, sagt Vollmers: „Hätten meine Schiedsrichter-Obmänner in Bergedorf Helmut Timmann und Werner Schenk nicht immer zu mir gehalten, wäre es schwer für mich geworden.“

Lesegenuss bei Geschichten von den Plätzen

So polarisiert Vollmers bei seinen Kollegen durchaus. „Die einen lieben mich für das, was ich tue. Die anderen hassen mich. Ich kann damit gut leben. Der Amateurfußball gibt mir sehr viel“, sagt er. Schade nur: Davon erfährt der Leser zu wenig. Lesegenuss stellt sich ein, wenn Vollmers Geschichten von den Plätzen erzählt. Witzige (wie die seines Assistenten an der Linie, der seine Brille vergaß), nachdenklich stimmende (tätlicher Angriff auf ihn und sein Gespann mit einer Dose Bier in Billstedt) und nicht ganz jugendfreie (alkoholisierte Tour seines Assistenten beim Auswärtsspiel in Cloppenburg). Die Betrachtungen zum Profifußball wirken dafür ebenso verzichtbar wie die eher oberflächliche Aufarbeitung des letztjährigen Wettskandals in Hamburgs Amateurfußball. Vollmers 2017 die Leitung des Pokalendspiels anzuvertrauen wäre jedoch aus sportlichen Gründen eine gerechtfertigte Ausnahme der Verbandsregel, dass jeder Schiedsrichter nur einmal ein solches Finale leiten darf. „Ich mache auch den Assistenten an der Linie oder Vierten Offiziellen“, sagt Vollmers und lacht herzlich. „Aber bis dahin will ich alles genießen, was noch kommt.“

„Ey Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht. Aus dem nicht immer lustigen Leben eines Amateur-Schiedsrichters“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf, 9,90 Euro)