Hamburg. Beim 3:2-Erfolg gegen Greuther Fürth findet der FC St. Pauli auf diverse Widrigkeiten die richtigen Antworten

Als Schiedsrichter Frank Willenborg nach der Ausdehnung der angezeigten Nachspielzeit die Partie endlich abgepfiffen hatte, ließen sich etliche Spieler des FC St. Pauli einfach nur noch zu Boden fallen. Es war eine Mischung aus Erschöpfung, Erleichterung und Freude, die sie kollektiv erfasste. Das 3:2 (2:1) gegen die spielstarke Mannschaft der SpVgg Greuther Fürth war ein Erfolg, der seine Berechtigung nicht in einer fußballerischen Überlegenheit hatte, aber wohl in der Art und Weise, wie das verletzungsgeplagte Team gemeinsam einen spielstarken Gegner niedergekämpft hatte. Dass es dabei auch noch spielerische Elemente und technische Feinheiten zeigte, sorgte auf den Rängen des Millerntorstadions für eine zusätzliche Begeisterung. „Ich bin stolz, dass die Mannschaft den Kampf so angenommen hat“, sagte später St. Paulis Trainer Ewald Lienen.

Wie erhofft hatte Lienen im Vergleich zum DFB-Pokalspiel wieder auf Marcel Halstenberg als linken Verteidiger setzen können. Als dann aber Kapitän und Innenverteidiger Sören Gonther mit schmerzverzerrtem Gesicht das Aufwärmen rund eine halbe Stunde vor dem Anstoß abbrach, war Lienen erneut gezwungen zu improvisieren. „Er hat einen Stich in der Wade gespürt. Das ist ein Zeichen dafür, dass etwas kaputtgegangen ist, auch ohne eine genaue Diagnose stellen zu können“, sagte er. Als Ersatz entschied sich Lienen für Yannick Deichmann, der seit dem Trainingslager im Juli mit den Profis trainiert, aber zuvor noch keine Minute in der Zweiten Liga gespielt hatte (siehe Bericht unten).

Der gerade 21 Jahre alt gewordene Deichmann bildete somit gemeinsam mit Philipp Ziereis, 22, das Innenverteidiger-Duo, da auch Lasse Sobiech noch verletzt ausfiel. Kurioser Zufall war, dass vor dem Spiel Markus Thorandt, einer der etablierten Innenverteidiger der vergangenen Jahre, offiziell verabschiedet wurde. Nachdem er nach einer Knieverletzung immer wieder Rückschläge erlitten hatte, war sein Vertrag im Sommer nicht verlängert worden. Neben Thorandt verabschiedeten St. Paulis Präsident Oke Göttlich und Sportchef Thomas Meggle auch den bisherigen kaufmännischen Geschäftsführer Michael Meeske.

Die kurzfristige Umstellung schien unmittelbar nach dem Anpfiff vor allem Ziereis zu verwirren. Ziemlich unbedrängt spielte er einen Rückpass scharf, aber ungenau in Richtung des eigenen Tores. Torwart Robin Himmelmann muste nach hinten sprinten, um den Ball noch vor der Torlinie zu erwischen und ein kuriose Eigentor zu verhindern. „Da war ich dann gleich mal richtig wach“, sagte Himmelmann nach dem Sieg schmunzelnd. Nach einem Sieg lässt sich über einen solchen Patzer gut scherzen. „Es ist zum Glück gut gegangen“, sagte Verursacher Ziereis später, der ansonsten seine noch ungewohnte Rolle als Abwehrchef weitgehend ordentlich ausfüllte und sich nicht scheute, klare Anweisungen zu geben. „Von hinten hat man das Geschehen besser im Blick. Daher ist dies auch meine Aufgabe“, sagte Ziereis.

Das Geschehen bestimmten aber über weite Strecken die spielstarken und ballsicheren Fürther, ohne allerdings zunächst die ganz großen Torchancen zu haben. Dagegen profilierten sich die St. Paulianer als Meister der Effektivität. Den ersten sehenswerten Angriff schloss Marc Rzatkowski, der sich mit in den Strafraum gestohlen hatte, nach einem Zuspiel von Daniel Buballa von links zum 1:0 (19.) ab. Wie sechs Tage zuvor beim 1:4 im DFB-Pokal gegen Mönchengladbach zeichnete sich der quirlige, defensive Mittelfeldspieler erneut als Torschütze aus. „Das Tor ist wie aus heiterem Himmel gefallen“, räumte auch Trainer Lienen nach dem Spiel ein. „Aber wir trainieren diese Situationen auch ganz bewusst.“

St. Paulis zweiter Treffer entsprach streng genommen noch nicht einmal einer Torchance. Vielmehr entschloss sich Marcel Halstenberg auf der Suche nach einer Anspielstation, einen Haken zu schlagen und mit seinem – eigentlich schwächeren – rechten Fuß aus rund 18 Metern auf das Fürther Tor zu schießen. Mit Effet drehte sich der Ball unten rechts ins Netz – 2:0 (34.). Das Tor ähnelte Halstenbergs Siegtor zwei Wochen zuvor beim Karlsruher SC. „Ich habe den rechten Fuß nicht nur zum Stehen“, hatte er dort schon gesagt. Jetzt bestätigte er diese Aussage erneut auf sehenswerte Art.

Der Fürther Anschlusstreffer durch den im Strafraum zu frei stehenden Sebastian Freis (42.) war nach einer Drangphase der Gäste verdient.

Dem vorentscheidenden 3:1 ging ein Abseitstor der Fürther voraus. Während diese noch mit dem Schiedsrichter über den aberkannten Ausgleichstreffer diskutierten, leitete Himmelmann mit einem weiten, aber genauen Pass auf Waldemar Sobota einen mustergültigen Konter ein, den schließlich Rzatkowski im zweiten Versuch, nachdem er zunächst den Ball verfehlt hatte, im Tor unterbrachte. „Da hatte ich Glück, dass ich die zweite Chance bekommen habe“, sagte er.

Der erneute Anschlusstreffer der Fürther durch Robert Zulj (79.) konnte den St. Paulianern an diesem denkwürdigen Sommertag nichts mehr anhaben, auch weil Himmelmann noch einen gefährlichen Kopfball Domi Kumbelas (89.) hielt. Der Rest war einfach nur Jubel und Erschöpfung. Und die Belohnung, jetzt zwei Tage frei zu haben.