Hamburg. Sophia Saller promoviert in Oxford – und zählt zu den besten Triathletinnen der Welt. Heute startet sie beim größten Dreikampf der Welt.

Neuerdings hat Sophia Saller angefangen, Französisch zu lernen. Sie hat eine App auf ihr Handy heruntergeladen und ruft sie auf, wann immer einmal Zeit dazu ist. Und sie findet, dass sie jetzt vergleichsweise viel Zeit hat. Ihr Mathematikstudium an der Universität Oxford hat sie ja gerade abgeschlossen, der Umzug ihrer Eltern innerhalb Londons ist auch erledigt. Hin und wieder kommt sie sogar dazu, zwischen den Trainingseinheiten ein Mittagsschläfchen einzulegen, woran bis vor Kurzem gar nicht zu denken gewesen wäre. „Das genieße ich richtig.“

Andererseits wäre es Saller, 21, doch zu einseitig, nur als Triathletin unterwegs zu sein, auch wenn sie die WM-Serie um die halbe Welt führt, an diesem Wochenende nach Hamburg. „Ich brauche nach dem Training etwas, wobei ich abschalten kann.“ Französisch lernen zum Beispiel. Oder, noch besser, mathematische Aufgaben lösen.

Olympia ist kein Grund die Karriere an den Nagel zu hängen

Wer das Leben von Sophia Saller verstehen will, kommt mit den im Sport üblichen Maßstäben nicht weiter. In einer der trainingsintensivsten Sportarten ist sie eine der besten Athletinnen der Welt, ist deutsche Meisterin über die Sprintdistanz, EM-Zweite und U23-Weltmeisterin. Und sie promoviert in einem der anspruchsvollsten Fächer an einer der anspruchsvollsten Universitäten der Welt.

Anders gesagt: Sophia Saller vereint zwei Ausnahmebegabungen in einer Person. „Sie ist eine, die das braucht und auch kann“, sagt der deutsche Cheftrainer Ralf Ebli, „was sie leistet, ist vielen anderen gar nicht möglich.“ Er hat gar nicht erst versucht, Saller nahezulegen, sich im Hinblick auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio doch auf den Sport zu konzentrieren.

Es ist ja nicht so, dass es Saller nicht ausprobiert hätte im vergangenen Frühjahr. „Aber ich habe mich da viel zu sehr reingestresst.“ Der Erfolg blieb jedenfalls aus. Beim Saisonauftakt in Abu Dhabi Anfang März reichte es nur zum 33. Platz. Kurz darauf kam das Angebot zu promovieren. Sie hat es als Zeichen gesehen. Es ist offenbar so: Was andere als Stress empfinden, tut ihr gut. Und umgekehrt. Als Saller vor einem Jahr in Kitzbühel EM-Silber gewann, besiegt nur von der Schweizer Olympiasiegerin Nicola Spirig, hatte sie am Tag davor eine Studienprüfung zu bestehen. Sie sagt: „Ich wüsste nicht, wie ich dem Druck im Leistungssport und an der Universität standhalten könnte, wenn ich nicht die Balance zwischen beidem hätte.“

Immerhin: Saller kann sich die Zeit, die sie für die akademische Arbeit aufwendet, jetzt freier einteilen als bisher, weil sie nicht mehr täglich um 10 Uhr eine Vorlesung besuchen muss. Das gibt ihr die Möglichkeit, öfter ihren Trainer Roland Knoll in Ingolstadt aufzusuchen. Für den dortigen Schwimmclub Delphin startet die gebürtige Münchnerin immer noch, auch wenn sie seit sieben Jahren in England zu Hause ist, nach zuvor sieben Jahren in Essen und weiteren sieben in Fürth.

Als Ausnahmetalent ausgezeichnet

Vergangene Woche wurde sie als „herausragende Nachwuchsathletin“ mit dem Bayerischen Sportpreis ausgezeichnet. Eine besondere Auszeichnung sei das gewesen, wo sie doch in der Regel Fußballern oder Wintersportlern vorbehalten sei. Einige hätten ihre Sportart dann auch mit Biathlon verwechselt. Die Laudatio trug Faris Al-Sultan vor, der Münchner Ironman-Hawaii-Sieger von 2005. „Es war eine große Ehre, ihn persönlich zu treffen“, sagt Saller.

In Deutschland werde der Dreikampf aus Schwimmen, Radfahren und Laufen oft mit der Ironman-Distanz gleichgesetzt – obwohl in Hamburg beim weltgrößten Triathlon nach knapp einer Stunde alles vorbei ist. In England gelte die olympische Distanz mehr. Saller hat es 2012 bei den Spielen in London erleben können. Damals war sie als freiwillige Helferin in der Athletenlounge im Einsatz, hat Wasserflaschen gereicht und die Atmosphäre aufgesogen.

Im nächsten Jahr in Rio könnte Sophia Saller als Aktive bei Olympia dabei sein, wie schon ihre Mutter Susanne unter dem Mädchennamen Riermeier, 1980 im Skilanglauf. „Nahe und doch weit weg“ sei dieses Ziel für sie. Nahe, weil sie allemal das Leistungsvermögen hat. In der Weltrangliste belegt sie aktuell den 19. Platz, obwohl sie von sechs WM-Wettkämpfen in diesem Jahr nur drei bestritten hat – neben Abu Dhabi noch Kapstadt (Platz vier) und London (Platz zehn).

Weit weg, weil zwei Deutsche, Rebecca Robisch (14.) und Anne Haug (18.), vor ihr liegen und zwei weitere, Hanna Philippin (23.) und Laura Lindemann (26.), knapp hinter ihr. „Wir Mädels sind alle ziemlich stark“, sagt Saller. Aber sie sehe das ganz gelassen. Bei den Spielen 2020 in Tokio wäre sie 26, „das ist sogar ein besseres Triathlonalter“.

Bis dahin wird Sophia Saller längst auch ihren Doktortitel haben. Am besten, sie fängt schon einmal an, sich nach einer neuen geistigen Herausforderung umzusehen.