Hamburg. Referee Benjamin Stello beklagt mangelnde Aufstiegschancen und fehlende Wertschätzung

Ein sonniger Septembermorgen im Jahre 2025: Mitten in Hamburg verlassen Teams und Fans unverrichteter Dinge einen Amateurfußballplatz. Das Spiel fällt aus, wie so viele Partien in letzter Zeit. Wieder mal ist kein Schiedsrichter gekommen.

Diese traurige Zukunftsvision im Hamburger Amateurfußball ist realistischer, als man heute denkt. Das sagt Oberliga-Schiedsrichter Benjamin Stello, 38, vom SC Egenbüttel: „Wenn die Entwicklung bei den Referees so weitergeht, werden in spätestens zehn Jahren viele Spiele gerade in unteren Klassen unbesetzt bleiben.“

Mit Sorge beobachtet Stello die demografischen Daten. „Wir verlieren in etwa genauso viele Schiedsrichter, wie wir ausbilden“, sagt Stello. Zahlen des Verbands belegen seine Analyse. 5600 Schiedsrichter wurden in den vergangenen zwölf Jahren geschult, mit 2800 aktiven Unparteiischen gibt es jedoch 100 weniger als 2003.

Stello will das so nicht hinnehmen – und stellt deshalb nun Vorschläge zur Diskussion, damit sich die Lage für die Schiedsrichter verbessert. Der Unparteiische plädiert für stärkere materielle Anreize, bessere Aufstiegsmöglichkeiten und härtere Sanktionen bei mangelnder Wertschätzung gegenüber den Schiedsrichtern. „Ein Schiedsrichter in der Kreisklasse erhält für ein Spiel nur 13 Euro Spesen und sechs Euro Fahrgeld. Das ist ein Stundenlohn von nur vier Euro“, sagt Stello. „Und überregional können Schiedsrichter realistisch nur dann Karriere machen, bis sie 25 Jahre alt sind. Wer es bis dahin nicht in den Norddeutschen Fußball-Verband schafft, dem fehlt oft die Motivation zum Weitermachen, wenn er Beruf oder Studium abgeschlossen hat.“

Viele junge Schiedsrichter würden zudem schnell wieder aufhören, wenn sie schon bei Jugendspielen von Eltern oder Trainern angepöbelt werden, was leider die Regel sei, weiß Stello. „Ich plädiere deshalb in diesen Fällen für härtere Strafen. Ebenso wie für jene Vereine, die nicht wie vorgesehen einen Schiedsrichter pro Mannschaft stellen. Wenn das eigene Oberligateam plötzlich mit einem Punktabzug in die Saison zu starten droht, erhalten die Schiedsrichter im Verein auch wieder eine ganz andere Wertschätzung.“ Hamburgs Schiedsrichter-Boss Wilfred Diekert befürchtet eine ähnlich düstere Zukunft wie Stello. „Schon jetzt leiten manche Schiedsrichter jede Woche bis zu fünf Jugendspiele, damit nichts ausfällt. Dazu sind die jungen Nachrücker auf Dauer nicht mehr bereit.“ Punktabzüge für Vereine mit zu wenigen Schiedsrichtern sind für Diekert ein letztes Mittel, eine Erhöhung der Bezahlung für Schiedsrichter über die zum 1. Juli 2015 erfolgten 20 Prozent des Aufwendungsersatzes hinaus schwer durchsetzbar.

Das Problem der mangelnden Aufstiegschancen sieht auch Diekert: „Die Schiedsrichter zwischen 28 und 35 sind uns die Liebsten – aber da haben wir die geringste Quote. Immerhin haben in Hamburg auch einige ältere Schiedsrichter wie Harry Gigar, Bernd Fürstenberg und Ralph Vollmers den Sprung in die Regionalliga geschafft.“ Diekert plädiert für eine positivere Darstellung gerade der Bundesliga-Schiedsrichter in der Öffentlichkeit, um die allgemeine Akzeptanz der Schiedsrichter zu fördern.

Egal welcher Weg letztlich zum Ziel führt – geschieht nicht bald etwas, so wird der Septembermorgen des Jahres 2025 leider keine traurige Zukunftsvision bleiben.