Dramatische Bilder bei der Tour de France! Gelbträger Cancellara überschlägt sich bei schwerem Massensturz. Mehrere Fahrer geben auf.

Huy. Fabian Cancellara überschlug sich mit seiner Rennmaschine in hohem Bogen, wenige Meter neben dem Träger des Gelben Trikots krümmten sich zahlreiche Fahrer vor Schmerzen. Auf der dritten Etappe der 102. Tour de France von Antwerpen nach Huy ist es gut 55 Kilometer vor dem Ziel zu einem schweren Massensturz von mehr als 20 Fahrern gekommen. Für den mehrfachen Zeitfahr-Weltmeister Cancellara aus der Schweiz ist die Tour nun vorzeitig beendet.

Der 34-Jährige hat sich laut Untersuchungen zwei Rückenwirbel gebrochen. Cancellara, der am Vortag das Gelbe Trikot des Gesamtspitzenreiters erobert hatte, beendete die Etappe zwar, wird jedoch am Dienstag auf dem vierten Teilstück von Seraing nach Cambrai nicht mehr an den Start gehen. "Das ist unheimlich enttäuschend für mich", sagte Cancellara. "Das Team war extrem motiviert, das Gelbe Trikot zu verteidigen." Der Eidgenosse hatte im Frühjahr bereits eine ähnliche Verletzung erlitten und daraufhin die Klassiker-Saison verpasst.

Die Tour-Organisation musste die Etappe am Montag sogar für gut zehn Minuten neutralisieren, was es zuvor in 112 Jahren Frankreich-Rundfahrt nur fünfmal gegeben hatte. Die Neutralisation war aber durchaus berechtigt. Zahlreiche Fahrer verletzten sich bei dem Crash, der sich bei einer Geschwindigkeit von 42 km/h ereignete. Cancellara fuhr mit großen Schmerzen ins Ziel, verlor aber bei mehr als elf Minuten Rückstand sein Gelbes Trikot an Chris Froome. Anschließend ging es für den Berner, der im Frühjahr schon einen zweifachen Wirbelbruch erlitten hatte, ins Krankenhaus. Er hatte sich an der gleichen Stelle verletzt.

Unter anderen mussten der bisherige Dritte Tom Dumoulin (Niederlande) vom deutschen Giant-Alpecin-Team mit einer ausgekugelten Schulter und der frühere Mailand-San-Remo-Sieger Simon Gerrans (Australien) mit einem Handgelenkbruch aufgeben. Beide wurden ebenfalls ins Krankenhaus gebracht. Andere Fahrer wie der Australier Michael Matthews setzten mit zerfetzten Trikots und schlimmen Schürfwunden die Reise fort.

„Das ist der schlimme Teil von unserem Sport“

„Es war wirklich krass. Es ist direkt hinter mir passiert. Dass wir jetzt auch Tom verloren haben, ist für uns ein herber Rückschlag. Das war vorprogrammiert, dass die Etappe so hektisch, so turbulent und gefährlich wird“, sagte John Degenkolb.

Die Tour-Organisation begründete die Neutralisation damit, dass alle medizinischen Fahrzeuge beim Sturz halten mussten und dem Feld nicht mehr folgen konnten. „So etwas habe ich noch nie gesehen - viel Blut und Schmerzen hier. Das ist der schlimme Teil von unserem Sport“, twitterte Oleg Tinkow, der Teambesitzer von Saxo-Tinkoff.

Der Sturz wurde ausgelöst vom Franzosen William Bonnet, für den es ebenfalls nicht weiterging. Auch der Russe Dimitri Kosontschuk von Katusha musste aufgeben. Der Niederländer Laurens ten Dam kugelte sich ebenfalls die Schulter aus, setzte aber seine Fahrt fort. Der deutsche Meister Emanuel Buchmann war heilfroh, durchgekommen zu sein: „Das sah böse aus. Ich konnte gerade noch ausweichen.“

Cancellara wollte letzte Tour-Teilnahme genießen

Cancellara hatte sich seinen 29. Tag im Gelben Trikot anders vorgestellt. Der Schweizer fasste sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Schulter und den Rücken, fuhr aber weiter. Im Vollbesitz seiner Kräfte war er verständlicherweise nicht mehr. Beim ersten Angriff im Feld musste Cancellara abreißen lassen.

Dabei wollte der 34-Jährige seine letzte Tour eigentlich genießen. Noch vor der Etappe hatte Cancellara seinen Abschied angekündigt. „Es ist noch nicht offiziell, aber ja: Das ist meine letzte Tour de France. Im nächsten Jahr beginnt die Tour in Mont-Saint-Michel nicht mit einem Zeitfahren. Ich will mit guten Erinnerungen aufhören“, sagte der Schweizer noch vor der Diagnose.

Cancellara trug am Montag zum 29. Mal in seiner Karriere das begehrte „Maillot Jaune“ auf seinen Schultern - so oft, wie kein anderer aktiver Fahrer. Damit führte er bei sechs seiner insgesamt zehn Teilnahmen die Gesamtwertung der Tour an, womit er mit Eddy Merckx gleichzog. Nur Bernard Hinault war besser: Der Franzose holte in acht verschiedenen Auflagen jeweils das Gelbe Trikot.

(dpa/sid)