Edmonton. Nach dem 0:1 gegen England und Platz vier bei der Fußballfrauen-WM werden die Verantwortlichen für das deutsche Abschneiden gesucht

Das Bild ist unvergessen. Silvia Neid auf der Ehrentribüne der Frankfurter Arena, Beifall klatschend für die Japanerinnen. Damals am 17. Juli 2011 leistete die Bundestrainerin Beistand für den Außenseiter, als dieser im Finale der Frauen-WM den Favoriten USA aufs Kreuz legte. Zuvor war die deutsche Elf im Viertelfinale an den Asiatinnen gescheitert, und die Parteinahme hat sie in Amerika Kredit gekostet. Vielleicht ist es ganz gut, dass der 51-Jährigen nun eine Anwesenheit bei der Neuauflage erspart blieb.

Denn am Sonntag ist es zu dem kuriosen Umstand gekommen, dass die von Edmonton nach Vancouver geflogene deutsche Delegation im Terminal von Vancouver auf ihre zwei Weiterflüge wartete – der eine nach Frankfurt, der andere nach München –, während im BC Place das Finale (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) stattfand. Es wäre nur eine kurze Autofahrt über die Cambie Street gewesen, um dorthin zu gelangen. Aber für wen hätte Neid sein sollen? Etwa für die US-Girls, die diesmal im Halbfinale den deutschen Titeltraum platzen ließen?

Deutschland hat rückblickend alle Ansprüche auf die finale Bühne verspielt. Nachdem das zur Versöhnung gedachte Spiel um Platz drei gegen England – einen Gegner, gegen den die DFB-Auswahl noch nie verloren hatte – mit einem 0:1 nach Verlängerung unschön endete, staute sich im Commonwealth Stadium von Edmonton unendlich viel Frust an. „Wir machen das verflixte Tor nicht und kriegen wieder ein Eierding rein. Jetzt fahren wir mit einem Kack-Gefühl nach Hause“, klagte Deutschlands Fußballerin des Jahres, Alexandra Popp. Und es flossen viele Tränen. Als vor den Augen von Simone Laudehr sich der Gegner die bronzenen Plaketten abholte, legte sich die hemmungslos weinende Dauerläuferin bäuchlings aufs Plastikgras.

Auch das selbst ernannte Kampfschwein vom rechten Flügel kam vom Viertelfinale an kaum noch durch, geschweige denn zum Abschluss. Überall waren von Frankreich, USA und nun auch vom limitierten englischen Team imaginäre Stoppschilder auf dem Feld aufgestellt worden. Eine spielerische Lösung dafür? Fehlanzeige. „Je besser der Gegner wird, desto schwerer haben wir uns getan“, räumte Neid ein. Nach ihrem Dafürhalten sind aber nicht das Spielsystem oder die Einstellung („Wir haben gefightet und gekämpft“), sondern die Ausbildung und die Qualität der Spielerinnen dafür verantwortlich.

Am Donnerstag gibt es eine Aussprache zwischen DFB und Vereinen

Deshalb rollte die Fußballlehrerin den Ball an die Vereinstrainer zurück. „Wir haben immer gesagt, dass wir alle über den Tellerrand schauen müssen. Nur man muss auch dafür sorgen, dass die Spielerinnen sich weiterentwickeln.“ In den Clubs solle ein besserer Spielaufbau, eine gepflegtere Ballbehandlung einstudiert werden. Sie habe aus dem Ende Mai in der Schweiz eingetroffenen Kader gar nicht mehr machen können. „Wir hatten zehn Tage in der WM-Vorbereitung, und das war nur Regeneration, weil die Spielerinnen in einem katastrophalen Zustand zu uns kamen. Wir mussten erst mal schauen, dass wir die Blessuren hinkriegen. Dafür können wir froh sein, dass wir so weit gekommen sind.“

Ganz so knapp bemessen war der Vorlauf nicht. Anfang des Jahres rechnete Welttrainer Ralf Kellermann (VfL Wolfsburg) vor, welche Zeiträume die Nationalteams im internationalen Frauen-Kalender erhalten: „Im Januar vier, im Februar fünf, im März zwölf und im April noch einmal sieben Tage.“ Das sind zwar nicht die vollen sieben Monate Vorbereitungszeit wie bei den USA, aber eben viel mehr als Joachim Löw je an Abstellungsperioden auf ein Männer-Turnier gewährt bekommt.

Im weiblichen Segment ist das Pingpong-Spiel damit in vollem Gange, wer die Schuld am Abschneiden trägt. Die Bundestrainerin betont wie die Vertreter der Frauen-Bundesliga, alle würden in einem Boot sitzen. Doch wer es rudert und vor allem wohin, scheint unklar. Vor diesem Hintergrund könnte die für Donnerstag angesetzte Managertagung der Frauen-Bundesliga zu ersten Aussprachen zwischen DFB- und Vereinsvertretern führen. Auf die Analyse mit Neid, die das Team bis Olympia 2016 trainieren wird, müssen die Kritiker warten. Die Chefin will ihrer Trainercrew nicht vorgreifen. „Das wird ausgewertet, dann werde ich auf einer Trainertagung die Ergebnisse vorstellen.“ Irgendwann, hat sie noch gesagt. Hörte sich nicht so an, als passiere das zeitnah.