Edmonton. Bundestrainerin enthüllt: Viele Spielerinnen waren überhaupt nicht fit. Große Sorge um das Team. Jeder Dritte sah das Spiel in der ARD.

Es war nur ein verlorenes Spiel um Platz drei, das Verlierer-Finale, wie Spötter sagen. Doch für die Bundestrainerin der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Silvia Neid, war es ein Fanal: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Anschluss an die Weltspitze verlieren“, sagte Neid nach dem 0:1 der Vorzeige-Frauen gegen England. Dabei enthüllte sie erstmals, dass viele Spielerinnen offenbar nicht fit waren – über weite Strecken der Fußball-WM in Kanada. Trotzdem will Neid bis zu den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro weitermachen. Das hat sie immer betont.

Die ARD konnte sich immerhin über eine gute Einschaltquote freuen. Das 0:1 sahen 5,39 Millionen Zuschauer. Der Marktanteil betrug 30,1 Prozent. Damit holte das Spiel der Frauen-Nationalmannschaft den Topwert am Sonnabend im Ersten.

Ironischerweise war es ein Elfmeter, der die deutschen Frauen besiegte. „Berechtigt“, sagte Neid. Noch nie konnten die Engländerinnen gegen die Deutschen gewinnen. Und wenn es um Elfmeter geht, schimpften englische Teams immer, weil sie stets gegen deutsche verloren.

Nun ist der Bronze-Traum geplatzt! Englands Fußballerinnen haben Neids Team beim Abschied von Rekord-Torhüterin Nadine Angerer einen versöhnlichen Abschluss der WM verdorben. Mit ihrem Elfmetertreffer in der 108. Minute zum 1:0 (0:0) nach Verlängerung zerstörte Fara Williams vor 21.483 Zuschauern in Edmonton die deutsche Hoffnung auf den Gewinn der Bronzemedaille. Für England war es im 21. Versuch der erste Länderspielsieg überhaupt gegen eine DFB-Elf.

Torhüterin Angerer, die ihre 19 Jahre währende DFB-Karriere mit einer Niederlage beendete, wird am Montag nicht nach Deutschland zurückkehren. Die 36-Jährige reist direkt weiter nach Portland, wo sie die US-Saison mit den Thorns noch zu Ende spielt. Beim Elfmeter von Williams war Angerer chancenlos. Vorausgegangen war ein Foul von Tabea Kemme an Lianne Sanderson.

„Man kann der Mannschaft keinen Vorwurf machen, bis auf den Torabschluss“, sagte Angerer. „Es zieht sich durch das ganze Turnier, dass wir nicht gut im Torabschluss waren“, meinte die Spielführerin in der ARD. „Wenn man keine Tore schießt, kann man nicht gewinnen.“ Auch die Bundestrainerin sah es ähnlich: „Wir hatten einfach wieder unsere Abschlussschwäche.“

Neid nahm nach der 0:2-Niederlage im Halbfinale gegen die USA gleich fünf Veränderungen vor. Neu in die Startelf rückten Bianca Schmidt, Babett Peter, Melanie Behringer, Lena Petermann und Sara Däbritz. Dafür nahmen Leonie Maier, Annike Krahn, Melanie Leupolz, Anja Mittag und Alexandra Popp zunächst auf der Bank Platz. Dzsenifer Marozsan und Lena Lotzen waren wegen Sehnenreizungen nicht einsetzbar.

Der Elfmeter war neben den kämpferischen Aktionen und Rempeleien die Szene des Spiels: In der Verlängerung umklammerte Linksverteidigerin Tabea Kemme ihre Gegnerin Lianne Sanderson von hinten. Die Engländerin drehte sich Richtung Tor in den Strafraum, Kemme kam nicht hinterher und rang die Angreiferin ungestüm im Fallen zu Boden. Der Pfiff eigentlich unstrittig. Trotzdem beschwerte sich die deutsche Mannschaft, allen voran Nadine Angerer, lautstark.

Im Spiel gab es in der Bilanz 34:18 Torschüsse zugunsten der Deutschen. Ausgerechnet die Torfrau Karen Bardsley, die oft gepatzt hatte, aber in diesem Match ordentlich hielt, wurde zur „Spielerin des Spiels“ gekürt.

Bundestrainerin Neid sagte: „England hat mich gar nicht überrascht. Man hat ja gesehen, dass sie sich im Turnierverlauf stetig verbessert haben. Und sie haben den Sieg unbedingt gewollt. Sie waren so zweikampfstark, so clever, auch in ihrem Verhalten. Das war wirklich gut.“ Jetzt werde man das Turnier analysieren. Dabei gebe es die Gefahr, dass man den Anschluss an die Weltspitze verliere. „Wir haben immer gesagt, dass wir über den Tellerrand schauen und alle an einem Strang ziehen müssen.“ Sie hoffe, dass die „Vereine ihren Teil zur Weiterentwicklung der Nationalmannschaft beitragen“.

Die Fitness der Spielerinnen sei bedenklich gewesen. „Wir haben die Spielerinnen nicht das ganze Jahr wie die Vereine. Wir hatten sie zehn Tage in der WM-Vorbereitung. Und das war keine Vorbereitung, sondern eine Regeneration. Die Spielerinnen waren in einem katastrophalen Zustand als sie zu uns kamen.“ Gemessen daran könne man froh sein, dass „wir so weit gekommen sind“

Die Spiel-Statistik:

Deutschland: Angerer/Portland Thorns FC (36 Jahre/146 Länderspiele) - Schmidt/1. FFC Turbine Potsdam (25/50), Peter/VfL Wolfsburg (27/92), Bartusiak/1. FFC Frankfurt (32/85), Kemme/1. FFC Turbine Potsdam (23/19) - Goeßling/VfL Wolfsburg (29/78) ab 101. Popp/VfL Wolfsburg (24/60), Behringer/Bayern München (29/108) ab 46. Leupolz/Bayern München (21/34) - Laudehr/1. FFC Frankfurt (28/94), Däbritz/Bayern München (20/21) - Petermann/SC Freiburg (21/5), Sasic /vereinlos (27/111) ab 73. Mittag/Paris Saint-Germain (30/127). - Trainerin: Neid.

England: Bardsley - Houghton, Bassett, Potter - Bronze, J. Scott, Williams (112. Stoney), Chapman (80. Sanderson), Greenwood - White (61. Aluko), Carney. - Trainer: Sampson

Schiedsrichterin: Ri Hyang Ok (Nordkorea)

Tor: 0:1 Williams (108., Foulelfmeter)

Zuschauer: 21.483.

Gelbe Karten: Chapman, Bardsley, Bassett