Zürich. Der 79 Jahre alte Schweizer wird trotz aller Skandale zum fünften Mal zum Fifa-Präsidenten gewählt. Jetzt will er die Macht der Europäer beschneiden

Der „Sonnenkönig“ hatte kurz mit den Tränen zu kämpfen, die Siegerposen fielen eher spärlich aus – am Ende war am „Teflon-Präsidenten“ wieder mal nichts hängen geblieben: Für den riesigen Skandal bekam Joseph Sepp Blatter nur eine kleine Ohrfeige verpasst, der 79-Jährige bleibt dennoch Chef des Fußball-Weltverbandes Fifa. Der Schweizer wurde beim Kongress am Freitagabend trotz aller Vorwürfe zum fünften Mal zum Fifa-Boss gewählt – allerdings scheiterte Blatter an der Zweidrittelmehrheit. „Ich bin nicht perfekt. Aber ich werde die Fifa meinem Nachfolger in einem sehr guten Zustand übergeben“, sagte Blatter nach seiner Wahl: „Let’s go, Fifa!“ Bei seiner launigen Schlussrede war Blatter die Erleichterung anzumerken. „Ich war nervös“, äußerte der Präsident, der am Ende sogar einen Plausch mit seinem aktuellen Intimfeind Michel Platini hielt, dem Präsidenten der Europäischen Fußball-Union Uefa.

Der verbliebene Herausforderer Prinz Ali bin al-Hussein, 39, aus Jordanien erzielte einen Achtungserfolg bei der Abstimmung der 209 Fifa-Mitglieder in Zürich. Im ersten Wahlgang hatten Blatter (133 Stimmen) sieben Stimmen zur notwendigen Zweidrittelmehrheit gefehlt. Für Prinz Ali hatten 73 Delegierte votiert. Danach zog Ali seine Kandidatur zurück, der zweite Wahlgang fiel somit aus. „Am Ende meines Mandats will ich 2019 eine solide Fifa weitergeben, eine Fifa, die den Sturm überstanden hat!“, sagte Blatter. „Es wird eine starke Fifa sein, das verspreche ich. Eine robuste Fifa. Eine schöne Fifa.“ Erneut präsentierte sich Blatter als Reformer, statt persönliche Konsequenzen zu ziehen. „Die vergangenen Ereignisse haben einen langen Schatten auf den Kongress und den Fußball geworfen“, sagte der neue und alte Fußball-Präsident: „Versuchen wir diesen Schatten verschwinden zu lassen! Wir können nicht zulassen, dass der Ruf des Fußballs, der Fifa in den Dreck gezogen wird.“

Zu diesem „Dreck“ hatte sich selbst die Weltpolitik geäußert. Nach Russlands Präsidenten Wladimir Putin, WM-Gastgeber 2018, der alle Kritiker kritisiert hatte, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel dem entgegen schnelles Handeln. Wichtig sei, „dass mit der Korruption gebrochen wird, dass Transparenz einkehrt. Das ist absolut notwendig bei diesem wunderschönen Spiel. Die schmutzige Seite muss aufgeräumt werden – und zwar dringend“, sagte Fußballfan Merkel.

Vor der Wahl hatte es eine Bombendrohung gegeben. Spezialisten der Züricher Stadtpolizei durchsuchten das Kongresszentrum und gaben am frühen Nachmittag Entwarnung. Dadurch verzögerte sich die Abstimmung bis in den frühen Abend.

Blatter ist seit 1998 Chef im Weltverband und hat seitdem alle Skandale überstanden. Auch die Verhaftungen und erneuten Korruptionsermittlungen vom Mittwoch hielten die Delegierten nicht davon ab, ihrem „König vom Zürichberg“ das Vertrauen auszusprechen. Die Gegenstimmen kamen größtenteils von den 53 europäischen Verbänden, auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wollte bei der geheimen Wahl nicht für Blatter stimmen, hatte DFB-Chef Wolfgang Niersbach angekündigt. Insgesamt scheiterte die angestrebte Palastrevolution kläglich, obwohl Blatter angeschlagen war wie nie in seinen 17 Jahren als Fifa-Präsident.

Der Weltverband war von zwei voneinander unabhängigen Ermittlungen der US- und der Schweizer Behörden erschüttert worden. Sieben hochrangige Funktionäre wurden wegen Korruptionsverdacht festgenommen, darunter zwei Vizepräsidenten. Sie warten auf ihre Auslieferung in die USA. Zudem werden die WM-Vergaben an Russland (2018) und Katar (2022) wegen „Unregelmäßigkeiten“ von der Schweizer Bundesanwaltschaft überprüft. Persönliche Konsequenzen lehnt Blatter weiter ab: „Die Schuldigen, die dahinterstehen, wenn sie denn als schuldig verurteilt werden, sind Einzelpersonen. Es ist nicht die gesamte Organisation. Es sind jene, die vergessen haben, dass sich unser Fußball auf Disziplin, Respekt und Fair Play stützt.“

Er räumte aber eine gemeinsame Verantwortung mit dem Exekutivkomitee der Fifa ein. „Und ich bin gerne dazu bereit, diese Verantwortung zu teilen und auch zu tragen. Wir sind an einem Scheideweg. Deshalb müssen wir uns zusammenschließen, nach vorne blicken und weitermachen“, sagte Blatter. „Wir können nicht andauernd alle kontrollieren.“ Der Schweizer prophezeite „schlechte Nachrichten“ für die nächsten Monate. Diese Zeit werde „nicht einfach. Wir müssen einen Weg finden, Dinge richtig zu machen. Ich werde nicht erlauben, dass die Würde jener, die so hart für den Fußball arbeiten, zerstört wird.“ Nach dem schwarzen Mittwoch in Zürich war der Druck auf die Fifa und vor allem Blatter weiter gestiegen. Mehrere Sponsoren denken derzeit über einen Rückzug aus dem Milliardengeschäft nach, die unabhängigen Weltorganisationen wie Human Rights Watch und Transparency International nahmen Blatter, der wie kein Zweiter für die zahlreichen Skandale steht, noch stärker ins Visier.

Doch Blatter hat jetzt vor allem eins im Sinn: Er will seine Macht stärken, die ihm lästigen Europäer sollen weiter an Einfluss verlieren. „Wir brauchen eine bessere Vertretung der Konföderationen. Die Anzahl der Nationen in den Konföderationen soll sich auswirken auf die Zusammensetzung des Exekutivkomitees“, sagte er. Dies ist als Angriff auf das Blatter-kritische Europa zu werten. Derzeit ist Europa in dem Gremium im Vergleich zur Anzahl der Mitgliedsländer in der Fifa überrepräsentiert. Blatter: „Die, die mehr haben, können auch etwas abgeben.“

Das Schlusswort nahm sich Luis Figo. „Heute ist ein weiterer schwarzer Tag in Zürich“, sagte der frühere portugiesische Fußballstar, der vor zehn Tagen seine Kandidatur zurückgezogen hatte. „Die Fifa hat verloren, aber vor allem hat der Fußball verloren und jeder, der sich wirklich um ihn sorgt.“