Monaco. Die Formel 1 entfernt sich immer weiter vom Kernmarkt Europa. Monaco wirkt da wie eine Erinnerung an glorreiche Zeiten

Inmitten von Schönheiten wie Irina Shayk und Hollywood-Stars wie Adrien Brody gönnte sich Lewis Hamilton eine kurze Auszeit von seinem Formel-1-Alltag in Monaco. Im piekfeinen schwarzen Anzug machte der Weltmeister einen Ausflug nach Cannes und besuchte am Donnerstagabend eine hochkarätig besetzte Aids-Gala. An der Côte d’Azur herrscht wieder einmal Ausnahmezustand vor dem Großen Preis von Monaco am Sonntag (14 Uhr/RTL und Sky).

In Cannes defilieren die Stars und Sternchen über den roten Teppich der Filmfestspiele, in den engen Kurven des waghalsigen Stadtkurses von Monte Carlo elektrisiert die PS-Hatz. „Die Stadt ist während des Rennens ganz anders. Sie wird auf den Kopf gestellt, nur Partys überall, nur Geld, das hier herumfliegt“, beschrieb Mercedes-Pilot Nico Rosberg die Verwandlung auf Zeit in seiner Wahlheimat, in der er schon zweimal gewinnen konnte. „Alle Reichen der Welt sind hier. Das ist eine total andere Welt.“

Diese Welt ist fast etwas in Vergessenheit geraten. Chefvermarkter Bernie Ecclestone treibt den Formel-1-Zirkus immer weiter fort vom alten Kernmarkt Europa. Die Betreiber so mancher Traditionsstrecke können sich die millionenschweren Antrittsgebühren nicht mehr leisten. Neue Dienstreisen führen 2016 etwa nach Aserbaidschan.

Der Grand Prix im Fürstentum wirkt da wie die Erinnerung an eine glorreiche Vergangenheit. Fürst Rainier und Grace Kelly empfingen früher den Sieger in der Fürstenloge. Und schon damals war der Kurs eine einzige Mutprobe. Kaum ein Meter Auslaufzone, jeder Fehler wird bestraft. Im Schatten des Fürstenpalastes treffen Glamour und Gefahr aufeinander. „Monaco ist das Juwel in der Krone des Formel-1-Kalenders“, beteuert McLaren-Fahrer Jenson Button.

Das erstmals 1950 ausgetragene Formel-1-Rennen ist für die selbst ernannte Königsklasse des Motorsports unverzichtbar. Vermutlich nirgendwo sonst ist die Dichte an Jetsettern höher, vermutlich nirgendwo sonst können die Superreichen besser in Szene gesetzt werden. „Das ganze Drumherum ist nicht unbedingt für mich geschaffen“, meinte dagegen Ferrari-Star Sebastian Vettel.

Auch wenn das Aufgebot an Berühmtheiten früher höher war: Das Drumherum ist ein einziger Hingucker. Von den polierten Jachten im Hafen über die langbeinigen Schönheiten am Rande des Fahrerlagers bis zu den Penthouse-Terrassen der Hautevolee.

Das einfache Volk indes muss beim Gastspiel in der Steueroase genügsam sein. Am Zaun zum Fahrerlager lauern sie auf Autogramme ihrer Stars. Auf dem Fürstenhügel drängen sie sich auf Campingstühlen, um einen Blick auf die Raserei zu erhaschen. Statt Champagner gibt es den mitgebrachten Wein von zu Hause, statt mundgerechter Häppchen gibt es Wurst und Käse aus der Plastikbox.

„Früher stand die Historie des Rennens im Vordergrund. Mittlerweile nimmt der Glamour den größten Raum ein. Dieses Formel-1-Rennen ist ein Bestandteil einer großen Party, die sich um den Glamour dreht“, sagt Vettels Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene. Für Red-Bull-Pilot Daniel Ricciardo steht unumwunden fest: „Monaco ist das einzige Wahre.“

Aber ist es auch das, was die Fans wollen? Um ihre Vorstellungen von der Zukunft der Formel 1 zu ergründen, hat die Fahrervereinigung GPDA am Donnerstag eine weltweite Umfrage gestartet. Dabei werden nach offiziellen Angaben alle Facetten der Rennserie einbezogen: vom Sport an sich über die Show bis zu den Regeln. Mit der Umfrage soll auch Fannähe bewiesen werden.

„Es hilft zunächst zu verstehen, was die Leute überhaupt wollen“, sagte Ferrari-Pilot Sebastian Vettel, der einer der GPDA-Direktoren ist. „Am Ende hilft es uns allen, das Gesamtbild zu verstehen.“ Die Auswertung soll dann als Diskussionsgrundlage dienen, um mit dem Formel-1-Rechteinhaber, Chefvermarkter Bernie Ecclestone und Automobil-Weltverbandschef Jean Todt in einen Dialog über mögliche Änderungen an der Rennserie zu treten.

Beim freien Training am Donnerstag zog die Formel 1 den Unmut der Fans auf sich. 57 Minuten lang standen die Motoren still, und die zahlenden Zuschauer an der Strecke und im TV schauten in die Röhre – weil es regnete. Natürlich gab es gute Gründe, bei diesen Bedingungen die Boliden in der Garage zu lassen. Aber es zeigte auch das ganze Dilemma der Formel 1 in diesen Tagen: Man kann mit den besten Absichten das Falsche tun.

Entsprechend geladen war Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff: „Egal, mit welchen Vorschlägen wir kommen, das ist alles scheiße“, sagte der Österreicher, der es leid ist, dass sein Sport „runtergeredet wird“. Damit meint Wolff aber nicht nur die Medien, in denen die Vorschläge der Strategiegruppe wie schnellere Autos, breitere Reifen oder die Wiedereinführung der Tankstopps auf ein sehr geteiltes Echo stießen, sondern auch seine Kollegen im Fahrerlager.