Im Tabellenkeller der Fußball-Bundesliga bahnt sich ein Drama bis zum letzten Spieltag an. Hannover zieht es ins Kloster, der VfB Stuttgart könnte es nachmachen. Ein Gewinner des Spieltags kommt aus Paderborn

Paderborn zieht Freiburg runter. Die Comeback-Helden aus Paderborn sanken erst völlig ausgepowert auf den Rasen, dann reichte die Kraft aber doch noch für ein ausgelassenes Freudentänzchen vor den mitgereisten Fans. „Jetzt glaubt wieder jeder daran – das Kribbeln und die Gier sind wieder da“, sagte Moritz Stoppelkamp nach dem 2:1 beim SC Freiburg, der dadurch tiefer in den Tabellenkeller rutschte. Für die Ostwestfalen ist der Klassenerhalt plötzlich wieder greifbar. Im Abstiegskampf der Fußball-Bundesliga geht der SCP dank zweier Tore von Joker Lukas Rupp mit 31 Punkten sogar als leichter Favorit in den Endspurt. „Wir haben es selbst in der Hand“, sagte der 24-Jährige, der sechs Minuten nach seiner Einwechslung erst die Wende eingeleitet (70.) und dann den Siegtreffer erzielt hatte (80.): „Aber es werden noch drei sehr schwere Aufgaben.“

Gegen Wolfsburg, auf Schalke und zum Schluss im nächsten Sechs-Punkte-Spiel gegen den VfB Stuttgart „können wir die Sensation perfekt machen“, sagte Stoppelkamp. In Freiburg sah es danach allerdings lange nicht aus. „In der Pause haben wir deutlich angesprochen, dass es so kein weiteres Jahr in der Bundesliga geben wird“, sagte Trainer André Breitenreiter, der, so berichtete es Stoppelkamp, in der Kabine „etwas lauter als sonst“ geworden war. „In der zweiten Halbzeit haben wir an uns geglaubt“, sagte Breitenreiter. „Uns hatte schon jeder abgeschrieben, aber wir wissen um unsere eigene Stärke.“

Die Freiburger verpassten dagegen die Vorentscheidung im Keller. Ein Sieg hätte die Gastgeber ganz nah an das große Saisonziel gebracht. „Mindestens ein Unentschieden wäre gerecht gewesen“, sagte Freiburgs Trainer Christian Streich sichtlich niedergeschlagen. Besonders bitter: Alle drei Auswechslungen des Trainers waren Verletzungen geschuldet. Ob Mike Frantz (Knie), Torschütze Nils Petersen und Oliver Sorg (beide muskuläre Probleme) am Freitag gegen den HSV mitwirken können, ist noch offen. „Wir müssen wieder aufstehen “, sagte Streich.

Restprogramm Paderborn: Wolfsburg (H), Schalke (A), Stuttgart (H).

Restprogramm Freiburg: HSV (A), Bayern München (H), Hannover (A).

Hannover bleibt 2015 sieglos. Wirklich glücklich wirkten die Hannoveraner trotz der Aufholjagd nicht. Mit dem 2:2 in Wolfsburg verlängerte sich die Serie von sieglosen Spielen auf 15, erstmals rutschten die 96er unter die letzten drei Teams der Liga. Vorsichtig zuversichtlich stimmte die Verantwortlichen lediglich die nicht für möglich gehaltene Energieleistung im Niedersachsen-Derby und den Punktgewinn nach dem 0:2-Rückstand.

„So wie die Mannschaft in der zweiten Halbzeit aufgetreten ist, kann man optimistisch sein“, sagte Clubchef Martin Kind mit heiserer Stimme. Vor dem „Anpfiff“ (Mittelfeldspieler Edgar Prib) durch Trainer Michael Frontzeck in der Pause hatte Hannover allerdings wie ein Absteiger gespielt und Tore von Bas Dost (24.) und Ivan Perisic (45.) kassiert. Dass es nach den Treffern von Jimmy Briand (47.) und Salif Sané (58.) noch zu einem Zähler im Abstiegskampf reichte, verdankten die 96er aber nicht nur der eigenen Steigerung, sondern vor allem dem unerklärlichen Leistungsabfall des Nachbarn. Hannovers Verteidiger Christian Schulz sah deshalb auch höchstens „einen Sieg der Moral“. Bei der Kabinenansprache von Dieter Hecking hatten die Wolfsburger Spieler offensichtlich „nicht gut zugehört“, wie der Coach monierte.

Hannover nutzte die unfreiwillige Hilfsbereitschaft des Nachbarn und hätte sogar noch gewinnen können. Doch Prib versagten in der Nachspielzeit die Nerven, als er allein auf VfL-Keeper Diego Benaglio zulief. „Wir freuen uns trotzdem, wir sind zufrieden mit dem Punkt“, behauptete Dirk Dufner. Der 96-Manager weiß aber auch, dass Hannover endlich die Wende und den ersten Sieg des neuen Jahres braucht. Setzt sich die Quote mit nunmehr sechs Punkten aus 14 Spielen fort, steigt 96 ab. „Mir ist nicht angst und bange, dass wir die nötigen Punkte holen“, sagte Frontzeck. Nun geht es ins Kloster. In einem Trainingslager in Marienfeld soll nach dem Trainerwechsel die „letzte Patrone“ genutzt werden, wie es Leon Andreasen ausdrückte. Dass diese Maßnahme erst für das Werder-Spiel genutzt wird und nicht schon vor der Partie in Wolfsburg ins Auge gefasst wurde, lässt vermuten, dass die 96-Führung nicht wirklich mit einer Chance in Wolfsburg gerechnet hatte. Und spätestens in der Pause, sagte Schulz, „hätte niemand auch nur einen Cent auf uns gesetzt“.

Restprogramm Hannover: Bremen (H), Augsburg (A), Freiburg (H).

Stuttgarts K. o. in letzter Minute. Huub Stevens blickte hilfesuchend an die Decke. „Unser lieber Herr da oben...“, sagte der Trainer des VfB Stuttgart nach der unglücklichen 2:3 (1:1)-Niederlage bei seinem Ex-Club Schalke 04 schulterzuckend und grübelte: „Vielleicht sollten wir auch ins Kloster gehen.“ Gerade hatte der Niederländer mit dem Tabellenletzten erneut einen Vorsprung aus der Hand gegeben, war dem ersten Abstieg seiner Karriere wieder ein Stück näher gekommen. Wie die Schalker in der Krise die Ruhe in der Nähe eines Klosters zu suchen, sei „auch eine Überlegung“, meinte Stevens. Das Glück, das dem VfB in den letzten Wochen fehlt, sollte „ganz schnell zurückkommen“.

Es wird auch Zeit: Drei Spieltage vor Schluss ist der Rückstand des Tabellenletzten auf den Relegationsplatz ist auf drei Punkte angewachsen. Die erste Pleite für Stevens als Gästetrainer bei seinen Schalkern, deren Fans ihn zwischenzeitlich mit Gesängen feierten, schmerzte besonders. 2:1 hatte der Tabellenletzte geführt – völlig verdient mit deutlich mehr Spielkultur als die taumelnden Königsblauen. Doch Klaas-Jan Huntelaar, der schon in der Anfangsphase (9.) nach einem kapitalen Fehler von Georg Niedermeier seine Torflaute nach 1196 Bundesliga-Minuten beendet hatte, mit seinem zweiten Treffer (78.), und Florian Klein, der einen Volleyschuss des eingewechselten Kevin-Prince Boateng ins eigene Netz ablenkte (89.), besiegelten die vierte Auswärtsniederlage in Folge.

Die sehenswert herausgespielten Tore von Martin Harnik (22.) und Filip Kostic (51.) waren nichts wert. Stevens wirkte nach dem erneuten Rückschlag mitgenommen. „Wenn der Verein meint, ein anderer kann es besser, dann müssen sie eine Entscheidung treffen. Ich versuche, jeden Tag zu kämpfen.“

Den Schalkern brachte das Kurztrainingslager vor den Toren des Klosters Marienfeld in Ostwestfalen zumindest den ersten Dreier nach sechs Bundesligaspielen ohne Sieg. „Die Mannschaft hat die Klostermauern genutzt, weinige Dinge offen anzusprechen und sich die Wahrheit zu sagen“, berichtete Aufsichtsratschef Clemens Tönnies. Dass sein langjähriger Weggefährte Huub Stevens dem ersten Abstieg seiner Karriere immer näher kommt, interessierte den Schalker Boss nur wenig: „Heute tut er mir nicht leid.“

Restprogramm Stuttgart: Mainz (H), HSV (H), Paderborn (A).