Bremen. Neu-Trainer Labbadia bleiben nach der Auftaktniederlage in Bremen nur noch fünf Endspiele für den Klassenerhalt. Ist das zu schaffen?

Es lief bereits die Nachspielzeit im Weserstadion, als sich die Zuschauer am Sonntagnachmittag erhoben und Bruno Labbadia mit Sprechchören feierten. „Bruno Labbadia – oh, oho oho. Bruno Labbadia – oh, oho oho“, spotteten die siegestrunken Bremer Fans lautstark. Und Labbadia? Der ließ die ironischen Sprechchöre äußerlich unbeeindruckt über sich ergehen, genauso wie den wenige Sekunden später folgenden Schlusspfiff. Mit versteinerter Miene blieb der Fußballlehrer an der Seitenlinie stehen, die Arme vor der Brust verschränkt, den Kopf ungläubig von rechts nach links und umgekehrt schüttelnd. „Es ist eine große Enttäuschung“, sagte er wenig später.

Es dauerte eine ganze Weile, ehe Hamburgs Neu-und-Alt-Trainer wieder die richtigen Worte für den aus seiner Sicht falschen Spielausgang gefunden hatte. „Es ist natürlich extrem bitter, durch einen Elfmeter in der 84. Minute zu verlieren“, sagte der Coach im Bauch des Weserstadions. „Natürlich ist auch die Mannschaft sehr enttäuscht, aber wir dürfen jetzt nicht lange am Boden bleiben. Wir müssen jetzt ganz schnell wieder aufstehen.“

+++ Die HSV-Profis in der Einzelkritik +++

Genau dafür war Labbadia schließlich in der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch verpflichtet worden. Eine schnelle Genesung, das war es, was sich Hamburgs Verantwortliche von dem 49 Jahre alten Trainer im Saisonendspurt erhofften. Und Feuerwehrmann Labbadia legte wirklich wie die viel beschriebene Feuerwehr los. Die ersten Personalgespräch noch in derselben Nacht, die Vorbereitung des ersten Trainings um 7 Uhr morgens, die erste Einheit, die erste Pressekonferenz, die erste Sofortmaßnahme. Ein Kurztrainingslager in Rotenburg an der Wümme sollte Abhilfe leisten. Und tatsächlich: Der vor fünf Jahren vom Hof gejagte Trainer schaffte in wenigen Tagen das, was keinem seiner drei Vorgänger in dieser Saison gelingen wollte. Aus kaum zu erklärenden Gründen hatten die Leute in Hamburg wieder Hoffnung.

„Man hat sofort eine Veränderung im Auftreten der Mannschaft gesehen“, sagte direkt nach dem Schlusspfiff ausgerechnet derjenige, der diese nicht zu erklärende Hoffnung innerhalb weniger Sekunden zerstörte wie eine Seifenblase. Valon Behrami stand in der Mix­ed­zone des Weserstadions, die Hände in die Hüften gebohrt. „Der Trainer hat ja auch nicht viel Zeit gehabt, viel zu verändern“, sagte der Schweizer, der Labbadias Comeback als HSV-Trainer durch den verursachten Strafstoß zunichte machte.

Dabei war es natürlich nicht Behrami alleine, der für Labbadias misslungenes Comeback verantwortlich gemacht werden konnte. Unter dem gebürtigen Darmstädter spielten die HSV-Profis kompakter und sicherer als zuletzt, besseren Fußball nach vorne spielten sie nicht. „Wir haben einfach an unserer taktischen Disziplin gearbeitet“, beantwortete Torhüter René Adler die Frage, was sich denn unter dem vierten Trainer dieser Spielzeit geändert hätte. „Wir haben die Daten aus unseren letzten Spielen ausgewertet und erkannt, dass wir in den Läufen und Sprints immer mehr hatten als der Gegner. Der Trainer wollte uns verdeutlichen, wie wir das gemacht haben, dass man als Einzelner aber nicht gewinnen kann.“ Doch als Team hat der HSV zuletzt vor mehr als zwei Monaten gewonnen, als sich Labbadias Vor-Vorgänger Joe Zinnbauer über ein 2:1 gegen Hannover 96 freuen durfte.

„Wir dürfen kurz enttäuscht sein, aber dann müssen wir die Spieler wieder aufrichten“, sagte Labbadia, der mit der „Mission Impossible“ an diesem Montagmorgen weitermachen will. „Wir haben keine Zeit zu verlieren.“

Offen bleibt nur die Frage, was der gerade erst verpflichtete Hoffnungsträger nun noch machen kann. Seit 586 Minuten hat seine Mannschaft kein Tor mehr erzielt, seit neun Spielen hat das Team nicht mehr gewonnen. Es sind die Kennzahlen eines sicheren Absteigers. Und auch der Blick auf die Tabelle, der nach den Ergebnissen des Sonnabends kurz Hoffnungen weckte, war am Sonntagabend wenig hilfreich.

„Manchmal gehört auch ein bisschen Zauber dazu“, hatte Labbadia, der 1,5 Millionen Euro pro Saison verdienen soll, noch am Donnerstag mit fester Stimme gesagt, als er seine Profis im Landhaus Wachtelhof zusammengezogen hatte. Drei Tage später klang das schon anders. „Innerlich glaube ich noch an die Rettung“, sagte Labbadia mit trauriger Stimme nach dem Schlusspfiff. Er ist wohl der Einzige.