Dortmund . Der ehemalige Mainzer Trainer erhält in Dortmund einen Drei-Jahres-Vertrag. Borussia schlägt Paderborn mit 3:0

Jürgen Klopp hatte sich einen Schutzpanzer umgeschnallt, um die Gefühle wegen der bevorstehenden Trennung von Borussia Dortmund nicht zu nah an sich herankommen zu lassen. „Als Mensch kann ich mich nicht jede Woche so brutal darauf einlassen“, will sich Klopp bis zum letzten Spieltag der Sentimentalität versperren. Niemand wolle in den letzten Spielen ernsthaft sehen, „wenn ein 47-jähriger Mann einmal pro Woche im Fernsehen flennt“, sagte Klopp später. In seinen sieben Jahren im Ruhrgebiet stand der Fußballlehrer etliche Male vor der Südtribüne, er liebt den emotionalen Doppelpass mit den Zuschauern. Nach dem 3:0 über den SC Paderborn schien sich der Coach aber hinter seinen Spielern verstecken zu wollen, er verschwand schnell in die Kabine. Im Sommer endet die Ära Klopp beim Bundesligisten, der einen Tag nach dem Sieg auch den neuen Coach präsentierte: Wie erwartet sitzt Thomas Tuchel in der neuen Spielzeit auf der schwarz-gelben Trainerbank.

In zwei Sätzen verkündeten die Dortmunder Thomas Tuchel als neuen Trainer ab dem 1. Juli. Die Verhandlungen mit dem 41 Jahre alten Ex-Coach des FSV Mainz 05 haben also früher als erwartet zu einer Unterschrift unter einen Dreijahresvertrag geführt, BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wollte den Nachfolger ursprünglich erst im Laufe der nächsten Tage präsentieren. Tuchel wird erst nach dem letzten Spiel vorgestellt, da in Klopps Traum das DFB-Pokalfinale am 30. Mai in Berlin ist, um noch einmal mit dem Laster über den Borsigplatz fahren zu können. Bis dahin wollen sich die BVB-Offiziellen nicht zu dieser wichtigen Personalie äußern.

Statt einer mit österreichischen Brause-Millionen finanzierten Aufbauarbeit in Leipzig und womöglich einem Himmelfahrtskommando in Hamburg hat sich Tuchel nun für die Schwarz-Gelben entschieden, was mit Sicherheit keiner wesentlichen leichteren Aufgabe gleichkommt. Emotional wäre wohl jeder Thronerbe von Jürgen Klopp überfordert: Er erfüllte den Werbeslogan „Echte Liebe“ mit Leben, gierte auf und abseits des Spielfelds nach großen Auftritten, selbst wenn sie für ihn wie bei der Abschiedsankündigung am Mittwoch von eher traurigem Anlass waren. Sollte sich Tuchel das Spiel gegen Paderborn nicht im Fernsehen angesehen haben: Für die Menschen auf der Südtribüne ist die Interaktion mit ihnen ebenso wichtig wie der sportliche Erfolg. Tuchel vermied bisher immer den Eindruck, sich zum Liebling der Massen aufschwingen zu wollen: „Sehr wichtig ist mir hingegen, dass alles stimmig ist zwischen mir und meiner Mannschaft.“

Tuchel scheut eher Nähe als Konfrontationen. Dadurch wird er nicht zur Kopie von Klopp, der sowohl mit den Fans als auch mit den Medien exzellent umzugehen wusste. Man vergleicht die Schwaben unweigerlich, weil sie aus einem Stall kommen und Dreitagebärte tragen. Beide gelten zudem als positiv verrückt. Weil Tuchel bei seiner Arbeit gerne Wissenschaftler und Statistiker zu Rate zieht, spricht man gern vom ganzheitlichen Ansatz. Wie es heißt, soll Klopp selbst Watzke und BVB-Sportdirektor Michael Zorc Thomas Tuchel ans Herz gelegt haben für seine Nachfolge. Der Mann gilt seit seinem abrupten Weggang aus Mainz, als mit FSV-Präsident Harald Strutz viel schmutzige Wäsche gewaschen wurde, als einer der gefragtesten deutschen Trainer. Tuchel galt sogar als Kandidat für den Nationaltrainerposten, falls Joachim Löw nach der WM aufgehört hätte.

In Dortmund muss er dem in schwere See geratenen Verein einen neuen Kurs geben. Bis zum Sommer wird sich Tuchel noch viele Gedanken machen und Ansätze erarbeiten können. Denn nicht allein nur zum Zweck der Unterscheidbarkeit liebt er es, neue Wege zu gehen. Den Mainzer Manager Christian Heidel und sich bezeichnete er mal als „Rulebreaker“, als Regelbrecher. Heidel, weil der 2009 den Mut aufbrachte, vier Tage vor dem Bundesligastart den Aufstiegstrainer Jörn Andersen durch einen Mann zu ersetzen, der nie in der höchsten Liga selbst gespielt hat und bis dahin nur für Jugendteams verantwortlich war. Und sich selbst, weil „wir in Mainz zum Vorreiter wurden, verkrustete Denkmuster aufzubrechen“. Von der „Zeit“ wurde Tuchel neulich gefragt, was er nach der langen Abwesenheit vom Bundesligageschäft vermisse. „Die Kabine. Meine Spieler, mein Trainerteam, das Training, den Geruch des Rasens, den Kick am Wochenende“, antwortete er. Das alles bekommt er ab dem 1. Juli wieder zurück – als Trainer von Borussia Dortmund.