Hamburg. Nach 1936 und 1972 sollen an der Förde zum dritten Mal die Segelregatten stattfinden. Entscheidung könnte international überzeugen.

Eine letzte verbale Schleife drehte Alfons Hörmann noch, aber als der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) die „Stadt mit Weltruf im Segelsport“ als Gewinner ankündigte, war damit das Geheimnis bereits gelüftet: Sollte Hamburg die Spiele 2024 oder 2028 bekommen, darf Kiel die Olympischen Regatten ausrichten – und die Paralympischen, sofern die Sportart wieder ins Programm aufgenommen wird.

„Die Auswahlkommission hat sich einmütig für diesen Bewerber ausgesprochen, und das Präsidium des DOSB sowie die Stadt Hamburg haben sich diesem Votum angeschlossen“, sagte Hörmann im Hamburger Rathaus bei einer Pressekonferenz, die ursprünglich erst für Ende der Woche erwartet worden war. Offensichtlich hatte sich die Kommission, in die der DOSB, der Deutsche Segler-Verband (DSV) und Hamburg je drei Vertreter entsandten, schnell auf die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt einigen können.

Von Donnerstag bis Sonnabend hatte die Delegation die vier Bewerber Rostock-Warnemünde, Lübeck-Travemünde, Kiel und Cuxhaven in Augenschein genommen und auf die Anforderungskriterien hin geprüft: Sportinfrastruktur, Segelrevier, Entfernung von Hamburg, Nachhaltigkeit, Zuschauermanagement, Olympisches Segeldorf und „internationale Positionierung“ der Stadt. Am Ende der Evaluierungstour sei es auf ein „Medal Race“ zwischen Kiel und Rostock hinausgelaufen, wie es der für die Olympiabewerbung verantwortliche DOSB-Vorstand Bernhard Schwank formulierte. Es endete mit einem Favoritensieg.

„Wir freuen uns sehr darüber, Kiel, das Mekka des Segelsports, mit an Bord zu haben“, sagte Hamburgs Sportsenator Michael Neumann. „Wasser spielt in unserem Konzept für die Spiele eine große Rolle. Nun gelingt mit dem Segelrevier auf der Kieler Förde auch der Sprung in Richtung Südskandinavien.“

Noch in dieser Woche will die schleswig-holsteinische Landeshauptstadt Planungs- und Machbarkeitsstudien für den Bau der Olympiastätten in Auftrag geben. Am 1. Mai wird ein Olympiabüro eingerichtet. Für den Herbst ist dann ein Bürgerentscheid vorgesehen. Er soll zeitgleich mit dem Hamburger Referendum durchgeführt werden, voraussichtlich im November. In einer qualitativen Umfrage der Stadt befürworteten zuletzt 82 Prozent der Befragten eine Kieler Bewerbung.

Offenbar war das Bestreben groß, dem international weniger bekannten Bewerber Hamburg einen Segelstandort zur Seite zu stellen, den man in der Fachwelt niemandem zu erklären braucht. Die Kieler Woche mag sportlich in die Zweitklassigkeit gerutscht sein, gilt aber noch immer als größte Regatta der Welt. „Das Leitmotiv war die weltweite Durchsetzbarkeit“, sagte Hörmann: „Am Ende müssen wir mehr als 100 Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees überzeugen.“

Zwar verfügt auch Rostock über die nötige Infrastruktur und gilt in Seglerkreisen als das attraktivere Revier, was auch DSV-Präsident Andreas Lochbrunner indirekt einräumte: „Warnemünde hat sich sehr gut präsentiert. Es bedurfte wenig Fantasie, sich dort Olympia vorzustellen.“ Auch wären die Zuschauer an keinem anderen Revier so nahe am sportlichen Geschehen.

Drei Standortnachteile waren jedoch nicht wettzumachen: dass die Warnemünder Woche nicht annähernd die Bekanntheit der Kieler hat; dass die Entfernung zur Bewerberstadt Hamburg mehr als doppelt so groß ist wie die von Kiel; und dass ein Zuschlag bedeutet hätte, dass der deutsche Segelsport seinen Schwerpunkt von Schleswig-Holstein nach Mecklenburg-Vorpommern hätte verlagern müssen.

Nun aber besteht die Aussicht, dass der Kieler Olympiastützpunkt modernisiert wird. Ein Punkt, der laut Schwank auch im IOC berücksichtigt wird: „Es ist durchaus im Interesse der Nachhaltigkeit, an einem Olympiastandort Topathleten auszubilden.“

Entsprechend zufrieden zeigte sich Lochbrunner mit der Entscheidung: „Alle vier Bewerber wären in der Lage gewesen, die Wettbewerbe auszurichten. Aber Kiel verbindet die Segler weltweit, Weltverbandspräsident Carlo Croce hat selbst 20 Jahre lang an der Kieler Woche teilgenommen. Und von der erforderlichen Infrastruktur ist vieles vorhanden, das ist im Sinne der Nachhaltigkeit.“ Die Entscheidung sei die Chance, auf der „Dauerbaustelle Schilksee den großen Wurf zu landen“.

Kiel soll Segelwettkämpfe bei Olympia austragen

weitere Videos

    Allerdings wollte Lochbrunner sie auch als Auftrag verstanden wissen: „Ziel muss sein, die Kieler Woche wieder international schlagkräftiger zu machen.“ Sollte Hamburg den Zuschlag erhalten, werde auch das Interesse der Spitzensegler an der Regatta wiederaufflammen. Jedoch müsse man sich auch um die Austragung weiterer hochklassiger Veranstaltungen bemühen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Thorsten Albig stellte für 2016 und 2017 bereits „eine Million Euro pro Jahr für mehr Segel-Events und internationale Meisterschaften“ in Aussicht.

    Davon könnte auch Travemünde profitieren. Die Lübecker konnten bei der Kommission mit dem Ambiente und der Nähe zu Hamburg punkten. Doch erschien das Konzept als zu unsicher. Knackpunkt ist das Waterfront-Projekt, das zum Olympischen Dorf werden sollte: Was, wenn der Investor in die Insolvenz geht oder Bewohner gegen ihre Ausquartierung klagen? Diese Bedenken konnten die Lübecker nicht zerstreuen. Cuxhaven galt als Tidenrevier mit seinen starken Strömungen von vornherein als Außenseiter.

    Die Entscheidung beinhaltet aber auch eine historisch-moralische Ebene. Kiel hat bereits bei den Spielen in Berlin 1936 und München 1972 die Segelwettbewerbe ausgerichtet. „Eine deutsche Olympiabewerbung muss sich mit diesem Erbe auseinandersetzen“, sagte Schwank. „Kiel bietet dafür die richtige Plattform.“

    Dass die Zuschauer recht weit von den Bahnen entfernt sind, sieht der designierte Hamburger Bewerbungschef nicht als Problem: „Entscheidend ist, dass die Medaillenrennen in Ufernähe stattfinden.“ Die Idee, sie nach Hamburg zu verlegen, wurde verworfen. Jedoch soll es auf der Außenalster zum Abschluss der Spiele eine Art Schaulaufen der Medaillengewinner geben.