Sepang. Nach dem Aus für den Nürburgring steht das nächste Traditionsrennen auf der Kippe

Für den 84 Jahre alten Bernie Ecclestone ist seine Formel 1 „ein altes Haus, das wir immer weiter reparieren“ – und das trotzdem oder gerade deswegen kurz vor dem Einsturz steht. Die Königsklasse steckt in einer handfesten Krise, und der vermeintlich starke Mann an der Spitze glaubt immer noch, mit einer Mischung aus nicht mehr ganz so frischen Ideen, Rückkehr zu alten Strukturen und handfesten Drohungen das Ruder noch herumreißen zu können.

Ecclestone würde gerne die „alten Verträge zerreißen“, die Motoren erheblich billiger machen, ein Einheits-Chassis einführen, dazu Telemetrie und die teuren Windkanäle gleich komplett verbieten. Aber der Engländer sieht sich gefangen in den aktuellen Machtstrukturen, in denen die Uneinigkeit der Teams jede Veränderung schwierig bis unmöglich mache. „Sie werden nichts gegen ihre eigenen Interessen entscheiden“, sagt er. Da sehnt sich nicht nur Ecclestone nach den guten alten Zeiten seiner „Diktatur“ zurück: „Im Krankenhaus gibt es vor einer notwendigen Amputation auch kein Meeting.“

Andererseits ist Ecclestone immer noch Ecclestone, der Selfmade-Milliardär, der kühl kalkulierende Geschäftsmann, der immer ein bisschen schlauer ist als die meisten anderen. Die Verteilung der rund 900 Millionen Dollar, die jedes Jahr an die Teams ausgeschüttet werden, ist „in Stein gemeißelt. Würde man den (kleinen, d. Red.) Teams mehr geben, würden sie mehr ausgeben. Es würde keinen Unterschied machen.“ So viel zum Thema Solidarität angesichts der Pleiten von Caterham und Marussia im Vorjahr und der aktuellen finanziellen Schieflage bei Sauber, Lotus und Force India.

Möglichen neuen Einnahmequellen steht Bernie Ecclestone gewohnt skeptisch gegenüber. Die sozialen Medien seien gut, „wenn man eine Uhr oder einen Hund kaufen will“, sagte Ecclestone jetzt im Vorfeld des Großen Preises von Malaysia in Sepang an diesem Wochenende. Dies ist sicherlich ein einigermaßen witziger Spruch, doch neben Uhren und Hunden warten bei Facebook, Twitter und Co. auch die potenziellen Formel-1-Zuschauer von heute und vor allem morgen – und genau diese Zielgruppe wird eben derzeit nicht abgeholt.

Ganz auf die alte Schule geht Ecclestone dagegen mit den aktuellen Sorgen zahlreicher Streckenbetreiber im eigentlichen Kernmarkt Europa um – nämlich schlicht mit Druck. Auf Nachfrage wollte Ecclestone nicht bestätigen, dass der Große Preis von Deutschland 2016 auf dem Hockenheimring stattfindet. Und das, obwohl Hockenheim einen Vertrag für die Rennen 2016 und 2018 hat. „Das macht keinen Unterschied. Viele Leute haben einen Vertrag“, sagte Ecclestone. „Geld ist das Problem in Deutschland.“

Der für dieses Jahr vorgesehene Große Preis auf dem Nürburgring war bekanntlich in der vergangenen Woche ersatzlos gestrichen worden, nachdem keine Einigung über die Finanzierung erzielt werden konnte. Auch der Hockenheimring, der lange Zeit als Alternative dazu gehandelt worden war, verzichtete angesichts der drohenden Verluste auf eine Austragung. Selbst das Hilfsangebot von Mercedes, sich finanziell zu beteiligen, reichte letztlich nicht aus.

„Das Lustige ist, dass diese Leute Geld auftreiben für Olympische Spiele, Schwimm-Meisterschaften und Gott weiß was noch, um für ihr Land zu werben“, klagt Ecclestone. Und weiter: „Das Problem in Deutschland war, dass der Nürburgring einen Haufen Geld ausgegeben hat, das er sich geliehen hatte. Sie hätten aber gar nicht so viel ausgeben und sich deshalb auch nicht so viel leihen müssen. Sie haben dann vergessen, es zurückzuzahlen. Das hat eine Welle ausgelöst und für ein schlechtes Bild gesorgt.“ Früher seien in Deutschland 100.000 Zuschauer am Rennsonntag gekommen, „jetzt vielleicht noch 45.000 oder 50.000“, sagte Ecclestone.

Als Nächstes allerdings steht Monza, das Heimrennen von Ferrari, auf der Kippe. Die Formel 1 könnte somit innerhalb kürzester Zeit zwei Traditionsrennen und damit ihre Wurzeln, ihre Seele, ihr Herz verlieren.

Bei der Suche nach Lösungen will sich Bernie Ecclestone nicht helfen lassen. „Ich wäre ein schlechter Lehrer. Das wäre, als hätte Sinatra langsam aufgehört und jemanden gebraucht, der neben ihm singt“, sagte Ecclestone. Nach seinem Abgang werde es sicherlich eine andere Struktur an der Spitze geben, mit mehr Leuten. Bis es aber so weit kommt, müsse man warten, „bis ich gefeuert werde oder sterbe“. Begraben unter den Ruinen des Hauses, das er einst eigenhändig baute.