Hamburg. Eine Datenanalyse zeigt, warum der FC St. Pauli auf einem Abstiegsplatz steht. Hoffnung machen die Verteidiger – und das auch offensiv.

Berlin gegen Hamburg, Teil zwei. Nach dem Duell um die Bewerbung für die Olympischen Spiele kommt es am Freitagabend (18.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) an der Alten Försterei zur Zweitligapartie zwischen Union Berlin und dem FC St. Pauli. Anschließend folgt in Hamburg die Bundesligapartie zwischen dem HSV und Hertha BSC. Ewald Lienen, Trainer bei St. Pauli, hat von dieser Städte-Konstellation kaum etwas mitbekommen. „Ich bin im Tunnel und beschäftige mich mit ganz anderen Dingen. Für mich zählt nur Union“, sagte Lienen am Mittwoch.

Akribisch arbeitet der 61-Jährige Tag und Nacht am Projekt Klassenerhalt. Defizite, die es zu beseitigen gilt, gibt es viele. Denn obwohl Lienens Mannschaft seit seinem Amtsantritt im Dezember weniger Gegentore kassiert (0,87 pro Spiel), mehr Zweikämpfe gewinnt (52 Prozent), mehr Kilometer läuft (117,8 im Schnitt) und mehr Punkte pro Spiel holt (1,12) als unter den Vorgängern Roland Vrabec und Thomas Meggle, stehen die Hamburger noch immer auf einem Abstiegsplatz. Das Abendblatt zeigt anhand verschiedener Daten, wo weiterhin die größten Probleme der Mannschaft liegen.

Das Halbzeitproblem

Seit Wochen ist bei St. Pauli ein ähnliches Muster zu beobachten: Die Mannschaft startet schwungvoll und konzentriert in ein Spiel. Doch nach 15 Minuten kommt zuverlässig der Wurm aus seinem Versteck und mischt sich in die Partie ein. Nur drei Gegentore ließ St. Pauli bislang in der Anfangsviertelstunde zu – der drittbeste Wert der Liga. Noch vor der Halbzeit klingelte es dann aber schon 23-mal im eigenen Tor, das bedeutet Platz 18. Auch vorn ist vor der Pause nicht viel los. In den ersten 30 Minuten traf nur Aalen seltener als St. Pauli (5 Tore). „Wir mussten in der Halbzeit etwas korrigieren“, ist dementsprechend einer der häufigsten Lienen-Sätze nach den Spielen.

Das Flügelproblem

Die Effektivität im Spiel über die Außen ist gleich null. Eine einzige Flanke führte in dieser Saison zu einem Tor für St. Pauli. In dieser Wertung ist der Kiezclub gemeinsam mit Braunschweig Ligaschlusslicht. Auch im Flügelspiel insgesamt hakt es. Nur acht von 26 Toren wurden über die Seiten eingeleitet. 18 Treffer erzielte St. Pauli nach Angriffen durch die Mitte. „Wir haben nicht die Spielertypen, die bis zur Grundlinie gehen“, hatte Lienen bereits nach dem 0:0 gegen Aue vor zweieinhalb Wochen gesagt. Ein Hoffnungsträger ist Waldemar Sobota. Der Flügelstürmer ist nach muskulären Problemen wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen. Ein Einsatz in Berlin kommt aber wohl noch zu früh.

Das Aufbauproblem

Lienens System ist auf Ballbesitz und Spielkontrolle ausgerichtet. Die Mannschaft betreibt einen hohen Aufwand für den Spielaufbau. „Wir wollen Fußball spielen“, wiederholte Lienen am Mittwoch. Dabei agiert St. Pauli aber zu fehlerhaft. Durch unnötige Ballverluste schwächt sich das Team immer wieder selbst. Zehn Gegentore durch Konter sind der Spitzenwert der Liga. 36 Gegentore kassierten die Hamburger aus dem Spiel heraus – so viele wie keine andere Mannschaft. Zudem gelangen erst drei eigene Kontertore. Nur Düsseldorf und Aue sind in dieser Statistik schlechter. „Oft fehlt am Ende der Pass zum freien Mann“, erklärt Lienen.

Das Abschlussproblem

Es bleibt das größte Defizit bei St. Pauli: die Chancenverwertung. Während der kommende Gegner Union Berlin 73 Prozent der Großchancen nutzt, sind es bei den Hamburgern nur 38 Prozent. Einzig Aue braucht mehr hochkarätige Möglichkeiten. Lienen legt mehr Wert auf die Defensivorganisation, darunter leidet offenbar die Konzentration vor dem Tor. War unter Meggle und Vrabec noch jede zweite Großchance ein Tor, sind es unter Lienen nur 22 Prozent. Die Erklärung des Trainers: „Vor allem unsere Außenstürmer wie Lennart Thy arbeiten so viel nach hinten, dass sie vorne oft nicht entspannt genug sind.“

Die Hoffnung

Auch wenn Lasse Sobiech und Sören Gonther gegen den FSV Frankfurt zwei Großchancen vergaben: Die Innenverteidiger sind hinten und vorn St. Paulis Bank. Der FC hat die drittmeisten Tore durch Abwehrspieler erzielt – Gonther (2 Tore) und Sobiech (3) sei Dank. 39 Prozent der Tore schießt St. Pauli nach Standards, fünf Treffer gelangen nach Ecken, 68 Torschüsse wurden per Kopf abgegeben. Hinten wurde erst ein Tor nach einer Ecke zugelassen, nur 16 Prozent der Gegentore fallen nach ruhenden Bällen. In all diesen Rubriken liegt die Lienen-Truppe in der Spitzengruppe. „Vor allem defensiv sind wir stabiler geworden“, sagt der Trainer. „Jetzt müssen wir noch die Chancen, die wir uns erspielen, endlich nutzen.“ Dann sieht Lienen auch wieder Licht am Ende des Tunnels.