Die Niederlande feierte eine heiße Party-Nacht. Arjen Robben und Co. ließen sogar das Flugzeug warten. Die Elftal ist der erste WM-Finalist.

Kapstadt. Kapstadts mächtige Tafelberg-Kulisse erlebte eine rauschende Party in Orange: „Viva, Hollandia!“ Das niederländische Prinzenpaar verneigte sich, die Fans flippten völlig aus - und Arjen Robben zeigte seinen nackten Hintern. Nach dem Finaleinzug der niederländischen Himmelsstürmer durch das 3:2 (1:1) über Uruguay stieg vor. Mit einem entrückten Lächeln ließ HSV-Abwehrspieler Joris Mathijsen die unglaubliche Safari durch Südafrika Revue passieren: „Ich kann immer noch nicht begreifen, dass wir das geschafft haben. Wir sind im Endspiel, das ist ein Traum.“ Selbst der künftige König, Kronprinz Willem-Alexander, vergaß auf der Tribüne seine blaublütige Zurückhaltung und ließ es sich nicht nehmen, dem Team an der Seite von Prinzessin Maxima zum historischen Erfolg zu gratulieren.

Berauscht vom Erfolg kehrte die Mannschaft aus der Kabine nochmals auf den Rasen zurück - als ein übermütiger Mitspieler auf dem Rasen lange nach dem Schlusspfiff im Überschwang der Gefühle das Hinterteil von Robben entblößte, erreichte der Fan-Jubel für kurze Zeit noch einmal Orkanstärke. Dass der Flieger Richtung Johannesburg deshalb warten musste, scherte niemanden.

Der dritte Einzug in ein WM-Endspiel versetzte alle Niederländer in Feststimmung. Nicht nur in den Straßen von Amsterdam, sondern auch auf Kapstadts Partymeile in der Long Street feierten Tausende bis tief in die Nacht den ersten Finaleinzug ihrer Mannschaft seit 32 Jahren. Doch nach rund einer Stunde machte Trainer Bert Marwijk dem bunten Treiben seiner Mannschaft ein Ende und rief seine Profis zur Ordnung: „Es ist fantastisch, dass wir diese Mission nun beinahe erfüllt haben. Aber wir sind noch nicht am Ziel.“

Nach sechs WM-Siegen in Serie ist der langersehnte Titel für den zweimaligen Vize-Weltmeister zum Greifen nahe. Anders als bei den Finalpleiten 1974 gegen Deutschland und vier Jahre später gegen Argentinien soll das Turnier mit einem historischen Triumph zu Ende gehen. Noch hält der ehemalige Bundesliga-Profi Rafael van der Vaart (Real Madrid) Vergleiche mit der großen Mannschaft von einst um Weltstar Johan Cruyff für verfrüht. „Zunächst müssen wir den Sonntag abwarten. Aber wenn wir das Finale gewinnen, sind wir die beste holländische Mannschaft, die es jemals gab“, sagte van der Vaart.

Fußball-Ästheten mögen das anders sehen. Denn von der einstigen Schönheit des holländischen Spiels ist wenig geblieben. Auch im zähen Duell mit Uruguay gab es zunächst wenig Berauschendes zu sehen, ehe der Doppelschlag von Wesley Sneijder (70. Minute) und Robben (73.) den Weg nach Johannesburg ebnete. Obwohl die Mannschaft im bisherigen Turnierverlauf nur in der zweiten Halbzeit des Viertelfinales gegen Brasilien (2:1) voll überzeugte, spricht mittlerweile niemand mehr von einem Makel. „Wir würden natürlich auch lieber schöneren Fußball spielen. Aber am Ende ist es das Wichtigste, weiter zu kommen“, kommentierte Bayern-Star Robben.

Nicht nur die imposante Erfolgsserie von zuletzt 25 Spielen ohne Niederlage und zehn Siegen in Serie macht Mut für den Showdown im Soccer-City-Stadion. Darüber hinaus stimmt das Phänomen optimistisch, dass die Mannschaft von van Marwijk auch nach schwächeren Spielen den Platz stets als Sieger verlässt - für Mathijsen ein gutes Zeichen für das Finale: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren wenig verloren. Da bekommt man ein Gefühl dafür, nicht verlieren zu können.“

Alle wissen: Selbst wenn es schlecht läuft, trifft einer der Hochkaräter im Angriff wie Robben, Sneijder, Dirk Kuyt oder Robin van Persie irgendwann das Tor. Zudem hilft die große Erfahrung des eingespielten Teams mit einigen Profis im sogenannten besten Fußball- Alter über die eine oder andere Klippe hinweg. Dieser Vorteil soll auch am Sonntag zum Tragen kommen. „Das ist meine letzte WM, mein letzte Chance. So eine Gelegenheit will ich mir nicht entgehen lassen“, sagte FC Bayern-Profi Mark van Bommel.

Geschlagen, aber nicht gedemütigt verließen die Uruguayer das Green-Point-Stadion. „Wir waren so nahe am Finale dran. Es ist furchtbar schade, diese einzigartige Chance vergeben zu haben“, sagte Kapitän Diego Forlán, der die letzten Minuten der Partie wegen einer Oberschenkelblessur nur noch vom Spielfeldrand aus erlebte. Die Auswahl aus dem 3,5-Millionen-Einwohner-Land darf sich auf einen stürmischen Empfang in der Heimat gefasst machen. Vor allem wenn die „Himmelblauen“ noch das Spiel um Platz drei am Samstag in Port Elizabeth gewinnen sollten.

„Wir haben alles versucht, aber es hat nicht gereicht. Es ist nicht der Moment, um Tränen zu vergießen oder Ausreden zu suchen“, sagte Oscar Tabárez voller „Stolz“ auf sein Team. Offen ließ der Erfolgscoach, ob er die „Urus“ auch durch die WM-Qualifikation für Brasilien 2014 führt. „Das hängt nicht von mir ab. Meine Arbeit der letzten vier Jahre ist getan.“ Jedenfalls wird der 63-Jährige einen kräftigen Gehaltsaufschlag verlangen.