Die Schottin ist verheiratet mit Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff und als Testfahrerin bei Williams die einzige Frau in der Formel 1. Sie hofft darauf, in diesem Jahr ihr erstes Rennen zu bestreiten.

Hamburg. „Ich liebe Barbara Schöneberger“, sagt Susie Wolff, „deshalb wollte ich die Talkshow auch sehr gerne machen.“ Und so saß sie also am Freitag im NDR-Studio in Lokstedt und ließ sich in großem Kreis befragen.

„Herausforderungen“ lautete das übergeordnete Motto der Sendung, und da hatte sie eine Menge Fragen zu beantworten. Wie es so ist, als Frau in der „Männerwelt“ Motorsport, darauf läuft es oft hinaus. Die 32-Jährige kennt das seit Jahren, sie ist darauf bestens vorbereitet, es gehört zu ihrem Leben und ihrer Karriere. „Ich sage, ich bin gut genug für die Formel 1, ich kann das. Aber die Frage wird so lange bleiben, bis ich es zeigen kann“, erklärt sie: „Und deshalb muss ich darüber sprechen.“

Immer wieder, seit sie in den Motorsport gekommen ist. Spätestens 2006 wurde die Schottin in Deutschland bekannt, als sie in die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) kam. Tatsächlich fährt sie seit ihrem achten Lebensjahr extrem schnell im Kreis, im Kartsport ging es los, wie bei fast allen erfolgreichen und bekannten Rennfahrern. Es gibt ein Foto aus vorpubertären Kindheitstagen, auf dem sie nach einem Kartrennen mit dem aktuellen Weltmeister Lewis Hamilton und vielen anderen Jungs im Rennoverall zu sehen ist. „Als Kind machst du nur, was dir Spaß macht“, sagt sie, „mit 18 habe ich dann gemerkt: Oh, es gibt keine anderen Mädels.“

Doch, natürlich gibt es Mädels in der bunten, schönen, reichen Motorsportwelt. reichlich sogar. Sie busseln die Sieger, spritzen Schampus, stehen Spalier, tragen Startnummern und wenig Kleidung. Die „Boxen-Luder“ sind fest in den deutschen Sprachgebrauch eingezogen. Aber eine Fahrerin? „Es gab kein Vorbild. Ich muss meinen Weg selbst finden“, sagt Susie Wolff, „ich bin nicht auf der Rennstrecke um zu zeigen, was eine Frau kann, sondern was Susie Wolff kann.“

Vor 22 Jahren fuhr zuletzt eine Frau in der Formel 1

Die Zeit ist jetzt möglicherweise reif. Immer mehr Frauen finden auch in der Formel 1 qualifizierte Jobs. Sie sind Ingenieurinnen, Teamchefinnen, Managerinnen, Sprecherinnen, „ich reite auf einer Welle, Frauen haben insgesamt in der Welt mehr Möglichkeiten, Karriere zu machen und auch eine Familie zu haben“, weiß sie, „es gibt auch im Motorsport tolle Frauen, und die sind nur deshalb da, weil sie die Besten für den Job sind.“

Die Italienerin Giovanna Amati war 1992 bislang die letzte Frau, die ein Formel-1-Auto in einer Qualifikation fahren durfte, sie scheiterte jedoch dreimal. Danach passierte 22 Jahre nichts – bis Susie Wolff im vergangenen Jahr in Hockenheim und in Silverstone im freien Training im Williams fahren durfte. In Silverstone hatte sie noch großes Pech, Motorschaden nach drei Runden. In Hockenheim aber zeigte sie, dass eine Frau in einem vernünftigen Auto durchaus mit den schnellsten Männern mithalten kann, fuhr nur unwesentlich langsamer als Teamkollege Felipe Massa. Im Qualifikationstraining und dem Rennen aber musste sie das Cockpit wieder für den zweiten Williams-Piloten Valtteri Bottas räumen.

„Diese Autos sind kompliziert zu fahren, wenn du in solch einem Auto sitzt, musst du gut genug sein, es zu fahren“, meint Susie Wolff. Im Oktober 2013 hat sie ihre Freundin Maria de Villota verloren, die an den Spätfolgen eines schweren Unfalls starb, der sich im Juni 2012 ereignet hatte. Die Spanierin kollidierte bei Testfahrten für das Formel-1-Team Marussia mit der Ladeklappe des Team-LKW. „Es war ein schrecklicher Unfall, der sollte nie passieren“, sagt Wolff. Angst aber habe sie dennoch nicht: „Wenn ich Angst hätte, wäre es an der Zeit aufzuhören.“

Seit 2012 ist sie bei Williams unter Vertrag, von Jahr zu Jahr wurde der verlängert. „Entwicklungsfahrerin“ nannte sich ihr Job. Es geht darum, in einem Simulator die Feinabstimmung für das Fahrzeug zu entwickeln. Es ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, ein wichtiger Job für das Team. Aber es ist eben nur Simulation. Das reicht dem Menschen auf Dauer nicht. Und schon gar nicht, wenn er so ehrgeizig und selbstbewusst ist wie die ehemalige Miss Stoddart aus dem westschottischen Fischerdorf Obart. „Wenn meine Chance kommt, dann nehme ich sie mit beiden Händen“, sagt sie: „Ich brauche nur eine Chance, ich brauche nur ein Rennen, um zu zeigen, was ich kann.“

Ohne Selbstvertrauen geht es eben nicht. Wer im Auto sitzt, der hat Druck, den muss er aushalten können, er muss stark im Kopf sein. Susie Wolff sagt diese Sätze ebenso professionell wie glaubwürdig. Sie macht den Job in der Öffentlichkeit so gut wie im Auto, sie hatte auch keine Angst, zu Barbara Schöneberger ins Fernsehstudio zu gehen. Warum auch, sie ist ja überzeugt von dem, was sie tut. „Wenn man selbst nicht daran glaubt, dass man es kann, warum soll dann ein anderer Vertrauen in dich haben?“

Bei Williams haben sie das Vertrauen offenbar. In diesem Jahr ist sie offiziell Testfahrerin, die Nummer drei hinter den Piloten Felipe Massa und Bottas. Am 19. Februar testet sie das neue Auto für die kommende Saison in Barcelona erstmals auf der Strecke.

Am 15. März geht es in Melbourne wieder los. Die Testzeit ist knapp, es gibt strenge Reglementierungen, es ist keinesfalls so, dass jedes Team so viel testen darf, wie es möchte. „Es ist ein harter Kampf momentan, wie immer im Winter“, erklärt Susie Wolff, „Jede gefahrene Runde im Auto ist deshalb wichtig.“ Auch für sie persönlich, das kann man wohl so sagen. Denn theoretisch würde sie im Rennen fahren, wenn einem der beiden männlichen Kollegen etwas passiert, eine Erkrankung, eine Sperre, ein verpasstes Flugzeug, oder – Gott bewahre – ein Unfall. Theoretisch: „Ich bin Realistin. Es ist auch möglich, dass dann ein Ersatzfahrer kommt.“

„Im Auto kann mein Mann mit nicht helfen“

Also doch noch Einschränkungen? Bernie Ecclestone, der mächtige Formel-1-Chef, sagte einmal: „Das große Problem mit einer Frau ist, dass sie, auch wenn sie gut genug ist, keine Gelegenheit haben wird, es zu zeigen.“ Susie Wolff kennt dieses Zitat natürlich, sie lächelt es freundlich weg: „Er sagt so etwas manchmal in den Medien, um lustig zu sein. Im Hintergrund hilft er mir viel. Ich glaube, jeder will eine Frau in der Formel 1 sehen.“ Sponsoren und Medien sicherlich, wahrscheinlich auch Fans. Aufmerksamkeit hat Susie Wolff auch so schon reichlich erzeugt. Es gibt reichlich Anfragen zu Fotoshootings, wahrscheinlich war auch der Playboy dabei, auch wenn sie das nicht bestätigen mag. Nur ihre Meinung dazu, die ist klar: „So etwas würde ich nie machen. Ich bin nicht nur eine Rennfahrerin, ich bin auch Frau Wolff. Es wäre mir peinlich, wenn mein Mann das Magazin öffnet und mich nackt sieht. Das ist nicht meine Sache.“

Apropos „ihr Mann“. Toto Wolff ist ein erfolgreicher österreichischer Geschäftsmann, ehemaliger Rennfahrer und aktuell der Motorsportchef bei Mercedes, das das Williams-Team mit Motoren ausrüstet. Deshalb also darf sie in der Szene mitmischen und versuchen, ihren großen Traum zu verwirklichen, oder was? „Sicher kenne ich diese Vorwürfe“, sagt sie. Und natürlich weiß sie auch eine Antwort darauf: „Wir sind ein Team, wir unterstützen uns gegenseitig. Aber die Leistung im Auto ist das Wichtigste, da sitzt er nicht neben mir, da kann er mir nicht helfen.“

Kennengelernt hat sie ihren zehn Jahre älteren Mann, als sie in der DTM fuhr. Er hatte Anteile an einer Firma, die DTM-Autos für Mercedes gebaut hat. Auf diese Beziehung konnte sie sich einlassen, wollte sie sich einlassen. Bei den Fahrerkollegen gab es diese Versuchung angeblich nie: „Ich habe früh die Entscheidung getroffen, nie eine Beziehung mit einem Rennfahrer einzugehen. ich war zu oft mit ihnen unterwegs, ich kenne die andere Seite.“ 2011 haben sie geheiratet, wohnen in der Schweiz. Aber reisen eigentlich ständig durch die Weltgeschichte. „Es ist eine sehr glückliche Situation, er weiß, wie es als Fahrer ist, er ist geschäftlich involviert, wir sind viel zusammen unterwegs, und ich bin nicht mehr allein“, schwärmt sie, „wir unterstützen uns in guten und in schlechten Tagen.“

Das klingt nun gar nicht nach taffer Emanze. Und die will sie auch gar nicht sein: „Ich bin keine Feministin. Aber ich bin ein Fan von erfolgreichen Frauen. Und ich lerne auch gerne andere erfolgreiche Frauen kennen.“ Und deshalb hat sie sich auch darauf gefreut, Barbara Schöneberger zu treffen. Einfach so, von Frau zu Frau.