Ein Kommentar von Rainer Grünberg

Der Bann ist gebrochen. Die ARD steigt am 4. Juli bei der Tour de France wieder in den Sattel. Nach vier Jahren kehrt das Erste zu Liveübertragungen der Frankreichrundfahrt zurück. 2007 hatten ARD und ZDF während der Tour ihre Übertragungen nach einem positiven Dopingtest beim damaligen T-Mobile-Profi Patrik Sinkewitz abgebrochen und danach bis 2011 ihre vertraglichen Verpflichtungen unwirsch erfüllt. Weil das ZDF das schwerste Radrennen der Welt weiter boykottiert, hat das Comeback einen hohen Preis: rund 2,5 Millionen Euro.

Der Ausstieg der beiden öffentlich-rechtlichen Sender durfte damals als Selbstbestrafung verstanden werden. ARD und ZDF hatten spätestens mit Jan Ullrichs Toursieg 1997 die journalistische Distanz zum Team Telekom aufgegeben, die Leistungen unkritisch hochgejubelt und nie ernsthaft hinterfragt, obwohl es dazu Anlässe und Indizien genug gegeben hätte. Beide Seiten profitierten prächtig von diesem letztlich geldwerten Deal. Konsequent war die Haltung der Sender nicht. Der Profiradsport mag hochgradig dopingverseucht (gewesen) sein, andere Sportarten waren und sind es nicht minder – wie die jüngste ARD-Reportage aus Russland belegt. Bei Leichtathleten oder Biathleten kam es ARD und ZDF jedoch nicht in den Sinn, ihre Kameras auszuschalten.

Der Radsport, vor allem die bislang unverdächtigen deutschen Hauptdarsteller wie Zeitfahrweltmeister Tony Martin, die Topsprinter Marcel Kittel, André Greipel und John Degenkolb, hat eine neue Chance verdient. Die Bemühungen aller Beteiligten, künftig „without a little help from my friend“ ins Ziel zu kommen, sind unbestreitbar. Zweifel aber müssen bleiben, wenn ein Team wie Astana, dessen Fahrer fast im Monatstakt des Dopings überführt werden, weiter in der ersten Radsportliga starten darf. Die ARD hat sich deshalb zu Recht vorbehalten, beim nächsten Skandal sofort wieder auf die Bremse treten zu können.