Claudia Schüler fand nach starken Leistungen in der World League ihren Weg nach Hamburg. Inzwischen hat sich die Torhüterin etabliert - und staunt über das Niveau und die Vorzüge der Hansestadt.

Hamburg. Kalt war das Wasser, in das sie sprang im Sommer 2013. Claudia Schüler hatte ihren Studienabschluss als Physiotherapeutin in der Tasche und war bereit, ins Berufsleben einzusteigen. Ein Wunsch, den sie schon lange hegte, ließ ihr jedoch keine Ruhe: Aus ihrem Hobby Hockey mehr herauszuholen, Grenzen zu überschreiten, die ihr das dürftige Niveau in ihrer Heimat Santiago de Chile setzte. Als Nationaltorhüterin hatte sich die heute 27-Jährige etabliert, aber sie wusste, dass da noch mehr gehen könnte, wenn sie nur die Chance erhielte.

Die Chance kam bei der World League in Rotterdam im Juni 2013. Claudia Schüler überzeugte mit ihrer aktiven Kreisbeherrschung und guten Reflexen, und dank ihrer Nationalmannschaftskameradin Javiera Villagra, die für SW Neuss in der Bundesliga spielte, kam ein Angebot des westdeutschen Traditionsclubs.

„Ich musste nicht lange überlegen“, sagt die Torhüterin, deren Großeltern väterlicherseits aus Deutschland stammen. „Bei uns zu Hause wird viel Wert auf deutsche Traditionen gelegt. Ich bin auf eine deutsche Schule gegangen, konnte die Sprache, und die Bundesliga ist eine der besten Ligen der Welt. Was also konnte schief gehen?

Eineinhalb Jahre später sitzt die Südamerikanerin im Café Alex am Jungfernstieg, schaut über die weihnachtlich glänzende Alster und kann ihr Glück kaum fassen. Dass nichts schief gegangen wäre, das kann man kaum behaupten angesichts der Tatsache, dass Neuss mangels Geld und Spielerinnen im Sommer seine Damen vom Bundesligabetrieb in Feld und Halle abmeldete.

Aber Claudia Schüler hatte schon im vergangenen Winter die Weichen für ihre Zukunft gestellt und sich mit dem Club an der Alster darauf geeinigt, die Nachfolge von Stammtorhüterin Karin Blank anzutreten, die ihre Karriere beendet hatte. Ursprünglich sollte sie sich mit U21-Nationaltorhüterin Emma Seng duellieren, die allerdings wegen eines Meniskusschadens noch kein Spiel bestreiten konnte. Ihr Leid ist Schülers Glück, auch wenn „mir das für sie sehr leid tut“.

Höheres Niveau in Deutschland

Doch nicht nur des Stammplatzes wegen hat sie in Hamburg ihr Glück gefunden. „Das Niveau, das hier im Training und in den Spielen herrscht, ist genau das, was ich mir erhofft hatte, als ich nach Deutschland gewechselt bin. Ich lerne unheimlich viel“, sagt sie. Die Unterstützung ihres neuen Vereins ist immens, man hat ihr sogar im Rehazentrum STC Walddörfer einen Job als Physiotherapeutin beschafft, „und mein Chef hat sehr viel Verständnis für meine vielen Fehlzeiten wegen des Sports“, sagt sie. Und diese Fehlzeiten summieren sich natürlich, wenn man neben den Bundesligaspielen auch noch zu Turnieren mit Chiles Nationalteam fliegt.

In der Heimat, die Claudia Schüler natürlich vor allem wegen des Wetters vermisst, sieht man ihr Auslandsabenteuer durchweg positiv. „Im Nationalteam sind alle überzeugt davon, dass ich in Deutschland auf höchstem Niveau trainiere“, sagt sie. Zwar ist Chile hinter Argentinien die Nummer zwei in Südamerikas Damenhockey, „aber mit Deutschland können wir uns nicht vergleichen.“

Kein Wunder also, dass sie für die Auswahl gesetzt ist, auch wenn sie selten mittrainiert. „Und in meiner Familie freuen sich alle sehr, dass ich mich hier durchgebissen habe“, sagt sie. So ganz allein in der Fremde ist sie ja auch nicht, der ältere ihrer beiden Brüder arbeitet in Homburg (Saar) als Braumeister. „Wir sind beide wegen der Liebe in Deutschland. Er wegen seiner Liebe zum Bier, ich wegen des Hockeys“, sagt sie. Wie lang diese Liebe sie in Hamburg hält, ist unklar. „Wenn es gut läuft, bleibe ich. Wenn nicht, gehe ich zurück nach Chile“, sagt sie pragmatisch.

Hallenhockey wird in Chile fast gar nicht gespielt, umso mehr freut sich Claudia Schüler auf die Hallensaison, die seit vergangenem Wochenende läuft. An diesem Sonntag (14 Uhr, Hallerstraße) empfängt Alster den Lokalrivalen Uhlenhorster HC. Die Bedeutung von Lokalderbys kennt die Torhüterin zwar schon aus dem Feld, „dennoch ist es für mich etwas Besonderes, das jetzt auch in der Halle zu erleben, wo alles neu für mich ist.“ Sie wird schon damit klarkommen, schließlich hat sie auch schnell gelernt zu schwimmen, als sie im Sommer 2013 ins kalte Wasser sprang.