Die Jahreshauptversammlung am Sonntag im CCH verspricht Brisanz und Spannung. Harte Konkurrenz beim Kampf um die Posten im Aufsichtsrat

Hamburg . Voraussichtlich zwischen 1500 und 2000 Mitglieder des FC St. Pauli werden an diesem Sonntagmorgen in den Saal 1 des CCH am Dammtor pilgern und den Tag dort wohl mindestens bis zum Einbruch der Dunkelheit verbringen. Anlass ist die mit Spannung erwartete Jahreshauptversammlung des Kiezclubs. Zwar stehen auf der Tagesordnung nur zwölf Punkte, doch einige davon werden wohl jeweils Stunden in Anspruch nehmen.

Im Mittelpunkt der Versammlung stehen die anstehenden Wahlen, die sich zu einem Marathon entwickeln werden. Dabei scheinen die Abstimmungen über den neuen Präsidenten und nachfolgend über die vier Vize-Präsidenten noch überschaubar. Doch spätestens die Wahl für die sieben zu vergebenden Posten für den Aufsichtsrat wird sich hinziehen und womöglich emotionale Momente mit sich bringen.

Gefühlsausbrüche beim Redner oder den Zuhöreren sind aber auch schon vorher zu erwarten, wenn bei Tagesordnungspunkt 5 der bisherige Präsident Stefan Orth den Rechenschaftsbericht für das gesamte, fünfköpfige Präsidium ablegen wird. Nach der bisherigen Planung ist es nicht vorgesehen, dass auch die Vize-Präsidenten Bernd-Georg Spies, Tjark Woydt, Gernot Stenger und Jens Duve einen Bericht zum abgelaufenen Geschäftsjahr und zu ihrer gesamten Amtszeit vortragen. Denkbar ist allerdings, dass sie bei der folgenden Aussprache das Wort ergreifen, sofern sie es angesichts anderer Beiträge für nötig halten.

Der noch amtierende Präsident Stefan Orth wird bei seiner Rede aller Voraussicht deutlich machen, dass er und seine Mitstreiter aufgrund ihrer Arbeitsbilanz es nach wie vor nicht nachvollziehen können, dass sie vom Aufsichtsrat nicht das Vertrauen für die kommende Amtszeit erhalten haben und stattdessen Oke Göttlich neuer Präsident werden und dieser mit einer Viererteam seiner Wahl die neue Clubführung bilden soll. Im Anschluss wird der Aufsichtsrat in seinem Bericht Stellung beziehen und noch einmal die Gründe für die Entscheidung darlegen. Es dürfte dabei interessant werden, wie die Mitglieder auf diese Darstellungen reagieren, die sich in wesentlichen Punkten widersprechen werden.

Womöglich kommt auch Licht ins Dunkel im Hinblick auf die Frage, ob der Aufsichtsrat dem bisherigen Präsidium als Grund für den Wechsel genannt hat, man strebe eine andere politische Ausrichtung an. Stefan Orth hatte vor zwei Wochen im großen Abendblatt- Interview gesagt: „Der Aufsichtsrat hat mir als Grund genannt, dass man jetzt ein ,linksalternatives, kreatives Fan-Präsidium’ haben will. Und das seien wir eben nicht.“ Marcus Schulz, der bisherige Vorsitzende des Aufsichtsrates, hatte daraufhin dementiert, dieses Vokabular benutzt zu haben.

Grundsätzlich wird spannend sein, ob die Differenzen zwischen bisheriger Clubführung und dem bisherigen Aufsichtsrat auf der Versammlung offen ausgetragen werden. Dem Vernehmen nach strebt das Kontrollgremium ein möglichst harmonisches Amtsende für das Präsidium an. Es ist allerdings wahrscheinlich, dass sich die fünf überwiegend unfreiwillig ausscheidenden Präsidiumsmitglieder nicht mit Lobeshymnen beschwichtigen lassen und stattdessen Tacheles reden wollen.

Nach den obligatorischen Abstimmungen über die Entlastungen des Präsidiums und des Aufsichtsrates haben dann die designierten, neuen Führungskräfte das Wort, allen voran der vom Aufsichtsrat nominierte Oke Göttlich, 38. Dieser hat bekanntlich Jochen Winand, 63, Joachim Pawlik, 49, Thomas Happe, 50, und Reinher Karl, 45 als Vize-Präsidenten nominiert. Alle vier wurden bereits auch vom Aufsichtsrat akzeptiert. Das vorgegebene Prozedere sieht vor, dass zunächst (Punkt 7) über Göttlich abgestimmt wird. Zur Wahl reicht die einfache Mehrheit der gültigen Stimmen.

Da es zum einen gemäß der Satzung keinen Gegenkandidaten geben kann und zum anderen Göttlich angekündigt hat, sehr viel stärker als bisher die verschiedensten Gruppierungen des Clubs in die Entscheidungsprozesse einzubinden, dürfte es ein klares Ergebnis für Göttlich geben. Der Musikunternehmer selbst gibt sich trotz der scheinbar klaren Ausgangsposition bescheiden und nennt „50 Prozent plus x“ als Ziel. Wird Göttlich gewählt, so dürfte es auch für die vier Kandidaten seines Vertrauens für die Vizepräsidents-Posten keine bösen Überraschungen geben.

Lange hinziehen wird sich im Anschluss die Wahl des neuen Aufsichtsrates. Für die sieben Posten haben sich 16 Kandidaten beworben. Alle haben auf der Versammlung noch einmal die Chance, sich vorzustellen. Eine Redezeit von jeweils drei Minuten steht ihnen dabei zur Verfügung. Bei der Wahl haben die Mitglieder jeweils vier Stimmen, die sie allerdings auch auf vier verschiedene Bewerber verteilen müssen. Aus der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) stellen sich nicht weniger als zwölf Kandidaten zur Wahl, aus der Fußball-Abteilung sind es drei, und der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Marcus Schulz geht für die Bowling-Abteilung erneut ins Rennen.

Insgesamt 16 Bewerber kämpfen um sieben Plätze im Aufsichtsrat

Außer ihm stehen aus dem jetzigen Kontrollgremium nur Roger Hasenbein und Uwe Doll wieder auf der Kandidatenliste. Dagegen haben Tay Eich, Michael Burmester, Christoph Kröger und Lars Sörensen auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Damit steht schon jetzt fest, dass die Mehrheit des Aufsichtsrates aus neuen Mitgliedern bestehen wird. Denkbar ist sogar, dass das Kontrollgremium ebenso wie der Aufsichtsrat komplett neu besetzt wird. Der FC St. Pauli würde in jenem Fall zwölf Novizen in seinen beiden Führungsgremien haben.

Die Bewerber für den Aufsichtsrat sind: Uwe Doll, 59, selbstständiger Kaufmann, Sönke Thomas Goldbeck, 37, Geschäftsführender Gesellschafter, Dagmar Hansen, 51, Service-Koordinatorin in der IT-Branche, Roger Hasenbein, 56, Diplom-Sozialarbeiter, Dieter Jurgeit, 55, Bankvorstand, Roland Kreisl, 66, Studienrat i. R., Karsten Meincke, 55, Diplom-Bibliothekar, Gerrit Onken, 31, Rechtsanwalt, Christian Ott, 54, Unternehmer, Martin Paulekun, 59, Pastor, Holger Scharf, 58, Speditionskaufmann, Kai Scharff, 47, Steuerberater, Marcus Schulz, 47, Diplom- Kaufmann, Sandra Schwedler, 34, Senior Account Managerin, Frank Tamaschke, 49, Kaufmann, Martin Zimmermann, 54, Kaufmännischer Geschäftsführer.

Nach den Wahlen stehen noch einige, durchaus interessante Anträge auf der Tagesordnung. In einem geht es darum, die in der Satzung verankerte Altersgrenze für ehrenamtliche Amtsbewerber zu kippen, die bei 70 Jahren liegt. Zudem wird beantragt, dass künftig der Aufsichtsrat ein Jahr vor dem Präsidium gewählt werden soll.

Schließlich fordern vier Mitglieder, dass sich der FC St. Pauli „öffentlichkeitswirksam“ gegen eine Hamburger Olympiabewerbung stellt. Erhält dieser Antrag eine Mehrheit, so wäre der Club vom Millerntor der erste Sportverein in Hamburg, der eine Bewerbung der Stadt für das größte Sportereignis der Welt bekämpft.