Ein Kommentar von Björn Jensen

Man hat sich in den vergangenen Wochen mehrfach ertappt bei dem Gedanken, warum Michael Stich sich das alles antut. Warum hat es ein Wimbledonsieger, erfolgreicher Geschäftsmann und mit mehreren Ehrenämtern ausgestatteter 46-Jähriger nötig, sich der oft kleingeistigen Engstirnigkeit von Verbandsfunktionären auszusetzen? Die Antwort darauf hat Stich am Dienstag noch einmal gegeben: Weil er der festen Überzeugung ist, dass der Deutsche Tennis-Bund (DTB) reformiert werden muss, und seine Hilfe dabei wichtig sein könnte.

Dass er es ernst meint mit seinem Ansinnen, an diesem Sonntag DTB-Präsident zu werden, zeigt der Fakt, dass er bereit ist, mehrere – für das Alphatier Stich ungewöhnliche – Kompromisse einzugehen. Er will den Posten nicht um des Amtes willen, sondern weil er gestalten will, und weil die Widerstände im Verband seinen Kampfgeist angestachelt haben. Aber er wird nur antreten, wenn er ein Team hat, auf das er sich verlassen kann. Dass er ein Macher ist und als Teamplayer taugt, hat er bewiesen, wenn er von Vertrauten umgeben ist und Entscheidungen treffen kann.

Michael Stich ist beileibe kein Diplomat, er eckt oft an, weil er unbequeme Fragen stellt und bisweilen dazu neigt, Dinge hinzuwerfen, wenn sie nicht nach seiner Fasson ausgeführt werden. Auch weil er fordert, im DTB totale Transparenz zu schaffen und alle Verträge offenzulegen, wollen manche Landeschefs ihn nicht wählen. Er wird lernen müssen, dass ein Verband nicht wie ein Unternehmen geführt werden kann. Aber wenn der DTB, der lange genug im eigenen Saft geschmort hat, es ernst meint mit einem Neuanfang für eine erfolgreiche Zukunft, muss er alles tun, um Stich für sich zu gewinnen.