Curler John Jahr jr. befürchtet weitere Kürzungen von Fördermitteln. Kein Stützpunkt in Hamburg

Hamburg. Noch im Urlaub erreichte ihn der dringende Anruf von Sportdirektor Rainer Nittel. John Jahr jr. wollte eigentlich etwas abschalten, Tauchen und Kultur erleben, aber nun holte ihn das Desaster für seine Sportart Curling doch ein. „Was ist hier los, habe ich gedacht“, erzählt der Skip des Hamburger Olympiateams von Sotschi im Gespräch mit dem Abendblatt: „Es ist doch einmalig im deutschen Sport, dass ein ganzer Verband rasiert werden soll, obwohl wir immer allen Vorgaben gefolgt sind. Es ist eine Sauerei.“

Eine Woche nach Bekanntwerden der geplanten vollständigen Streichung der öffentlichen Fördermittel für den Deutschen Curling-Verband (DCV) wirken die Sportler immer noch ein wenig wie in Schockstarre. Jahr hat zwar mit seinem langjährigen Kontrahenten und Weggefährten Andreas Kapp in Füssen telefoniert, Nittel hat Interviews gegeben, es gibt Aktivitäten bei Facebook, schon. Aber ein hörbarer Aufschrei der Empörung und des Protestes bei anderen Sportverbänden zum Beispiel ist bislang völlig ausgeblieben. Dabei ist sich nicht nur Jahr sicher: „Wir sind nur der erste Dominostein.“

Der Hamburger Immobilienkaufmann befürchtet, „dass irgendwann auch bei anderen Sportarten gestrichen wird“. Gerade die weniger großen und erfolgreichen Disziplinen duckten sich deshalb jetzt eher weg, froh, dass es nicht sie erwischt hat. „Deutschland will Olympische Spiele ausrichten und zerstört gleichzeitig einen olympischen Sport im Land, das ist eine Farce“, sagt Jahr. „Insbesondere für den Nachwuchs ist das verheerend. Sie müssen auf Turniere fahren, um sich zu entwickeln. Das geht nun nicht mehr. “

Knapp 400.000 Euro betrug die Förderung der Curler durch das Bundesministerium des Inneren (BMI) bislang jährlich. Um international konkurrenzfähig zu bleiben, hatte der DCV ein Konzept aufgestellt und dafür einen Mehrbetrag von etwa 160.000 eingefordert. Doch nicht allein diese Steigerung wurde vom BMI abgelehnt. Stattdessen soll die Förderung auf Empfehlung des Deutschen Olympischen Sportbundes gleich ganz eingestellt werden.

Der Plan, in der Halle des Curling-Clubs Hamburg an der Hagenbeckstraße einen Bundesstützpunkt des DCV anzusiedeln, „ist damit obsolet“, sagt Jahr. Nach Sotschi hatte er darüber bereits Gespräche mit Olympiastützpunktleiterin Ingrid Unkelbach geführt, auch mit Stadt. Das Konzept war stimmig: „In Hamburg hätten die Spieler auch studieren können und das mit dem Sport verbinden.“ Aus und vorbei.

Schon bei den Olympischen Winterspielen hatte Jahr öffentlich eine höhere Förderung als die 130 Millionen Euro für den deutschen Spitzensport gefordert und sich damit bei Innenminister Thomas de Maizière unbeliebt gemacht. Stattdessen wird nun bei seinem Sport als erstem olympischem Fachverband Tabula rasa gemacht. „Ja“, sagt Jahr, „wenn sich daran nicht noch etwas ändert, dann ist es wahrscheinlich, dass wir das letzte deutsche Team bei Olympia waren.“