Selbst die Champions-League-Trikots brachten kein Glück. Nach dem 0:1 gegen Hannover 96 muss der ambitionierte BVB langsam aber sicher seine Saisonziele korrigieren. Am Dienstag geht es im DFB-Pokal gegen den FC St. Pauli, der ebenfalls auf den Erfolgs-Weg zurück will.

Dortmund. Trauerspiel statt Trendwende – bei Borussia Dortmund sind die Saisonziele bereits nach nur neun Spieltagen in fast unerreichbare Ferne gerückt. Die ersten Reaktionen im Anschluss an das 0:1 (0:0) gegen Hannover 96 klangen wie Kapitulationserklärungen. „Es ist wie verhext. Ich glaube, dass das, was man sich vorgenommen hat, nicht mehr realisierbar ist“, gestand Weltmeister Mats Hummels. Nicht minder frustriert kommentierte Angreifer Marco Reus den unerwarteten Fall des hochgehandelten Revierclubs auf Rang 15: „Die Spiele werden weniger und wir stecken tief unten drin. Über die Champions-League-Quali zu reden, wäre jetzt der falsche Ansatz.“

Es passte ins Bild von großer Ratlosigkeit, dass am Ende eines erneut ernüchternden Fußball-Nachmittages nur noch Trainer Jürgen Klopp, Sportdirektor Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in der Kabine verweilten. In Abwesenheit der Profis dürften die drei Führungskräfte ein ernstes Krisengespräch geführt haben.

Die ernüchternde Bilanz gibt Anlass zu großer Sorge. Nur zweimal stand die Borussia in ihrer Bundesliga-Geschichte zum gleichen Zeitpunkt schlechter da. Zudem verlor sie letztmals vor mehr als 14 Jahren vier Spiele in Serie. Weiteres Unheil droht: In den nächsten beiden Partien treffen die Dortmunder auf die beiden zurzeit besten Teams aus München und Mönchengladbach. Nicht zuletzt deshalb riet auch Mittelfeldspieler Sven Bender zu einer realistischen Sicht der Dinge: „Wir sind nun in einer Situation, in der wir nie sein wollten. Bei uns braucht niemand nach oben zu schauen.“

Drei Tage nach dem famosen 4:0 bei Galatasaray Istanbul verfiel der BVB im Duell der einzigen Bundesliga-Teams mit zuletzt drei Niederlagen wieder in seinen alten Trott. Selbst der psychologische Kniff verpuffte, nach einer kurzfristigen Genehmigung der Deutschen Fußball Liga in den zuletzt siegbringenden Champions-League-Trikots aufzulaufen.

Champions League: hui - Bundesliga: pfui

Der Zauber vergangener Tage ist nur noch in Europa zu bestaunen. Dagegen scheint die Bundesliga den Borussen fremd geworden zu sein. Fußball wird auf nationaler Bühne nicht mehr zelebriert, sondern gearbeitet. So mangelte es auch in der Partie gegen Hannover nicht an Einsatz, wohl aber an Finesse. Ein Freistoßtreffer von Hiroshi Kiyotake (61. Minute) traf die stürmende, aber glücklose Borussia mitten ins Herz.

Der Gegentreffer, bei dem Torhüter Roman Weidenfeller nicht gut aussah, veranlasste Hummels zu Kritik: „Der Ball ist sehr lange geflogen. Ich war sehr überrascht, dass er ins Tor geflogen ist.“ Auf Fragen, ob es vielleicht innerhalb der Mannschaft nicht mehr so harmonisch zugeht wie in den vergangenen Jahren, reagierte Klopp mit einem Kopfschütteln: „Es liegt nicht daran, dass irgendeiner mit irgendwem in der Mannschaft nicht kann. Die gängigen Erklärungen greifen nicht.“

Zumindest die ersten Niederlagen zu Saisonbeginn konnten noch mit dem Personalnotstand begründet werden. Doch der Negativtrend hält auch nach der Rückkehr von Stars wie Reus, Ilkay Gündogan und Henrich Mchitarjan an.

Nur noch einen Platz liegt die Abstiegszone entfernt. An ein Szenario, dass die Borussia nach zwei Meisterschaften und zwei zweiten Plätzen in den vergangenen vier Jahren am Ende dieser Spielzeit gar um den Klassenerhalt bangen muss, verschwendet Kapitän Hummels bei allen Nöten trotzdem keinen Gedanken: „Es sei denn, wir haben eine Phase mit 30 schlechten Spielen. Aber das halte ich für schlicht unmöglich.“ Auch Coach Klopp hat den Glauben an einen Aufschwung noch nicht verloren: „Solche Spiele könnten dazu führen, dass man sagt, es hat alles keinen Sinn mehr. Aber wir werden weiterkämpfen.“

Dagegen war bei den Gästen der Frust in Windeseile verflogen. Mit dem ersten Auswärtstreffer der Saison gelang der erste Auswärtssieg. Großen Anteil daran hatte Ron-Robert Zieler. Mit jeder Parade sorgte er bei den Borussen für wachsende Verunsicherung. „Ich bin schon oft hier in Dortmund gewesen, aber es hat nie geklappt ohne Gegentor zu bleiben. Ich hoffe, dass jetzt bei uns Ruhe einkehrt“, sagte der Torhüter in Anspielung auf die angespannte Stimmung nach zuletzt drei dürftigen Partien. Die Gelb-Rote-Karte für Ceyhun Gülselam (89.) konnte die Freude der Norddeutschen nur bedingt schmälern.

Besonders groß war die Freude bei Tayfun Korkut. Dem zuletzt in die Kritik geratenen Coach stand die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: „Wir hatten das Glück und einen sehr guten Torwart. Damit haben wir den Trend der vergangenen Wochen gestoppt.“

Am Dienstag geht es nun gegen den FC St. Pauli. Die Mannschaft von Trainer Thomas Meggle hat am Millerntor am Sonnabend gegen den Karlsruher SC ebenfalls eine Niederlage hinnehmen müssen. Anders als erhofft, gab es für die Hamburger keinen Mutmacher für das schwere DFB-Pokalspiel gegen die Dortmunder. Das Spiel gegen den KSC entwickelte sich zu einem „Schlag mitten ins Gesicht“ (Kapitän Sören Gonther).

Das 0:4 (0:2) vor 28.029 Zuschauern im Millerntor-Stadion schmerzte gewaltig. Die Mannschaft von Trainer Thomas Meggle blieb in der Partie gegen den KSC, der durch Hiroki Yamada (18., 89.), Rouwen Hennnings (31.) und Selcuk Alibaz zu seinen Toren kam (80.), vieles schuldig. Meggle ärgerte, dass nur ein Gegentor ausreichte, um sein Team zu verunsichern: „Uns fehlte der absolute Wille und das Selbstvertrauen. Anscheinend sind wir doch nicht so weit, wie wir nach der englischen Woche gehofft hatten.“

Der 39 Jahre alte Fußballlehrer vermisste bei seinen Spielern nach dem 0:1 den Glauben an die eigene Klasse. „Man muss auch nach einem Gegentor dranbleiben, dann muss sich jeder sagen: 'Das ist völlig egal, was hier passiert, wir können immer noch das Spiel drehen.' Es gibt nicht so viele Stadien, in denen so etwas möglich ist. Das Millerntor gehört aber dazu“, sagte Meggle. Sein Team rutscht mit erst elf Punkten weiter in den Tabellenkeller der 2. Liga ab.

Das wird auch Borussia Dortmund befürchten müssen. Denn für eine der beiden Mannschaften geht es am Dienstag in der zweiten Runde im DFB-Pokal (20:30 im Liveticker auf abendblatt.de und ARD) um Wiedergutmachung und zumindest einen Schritt in die richtige Richtung. Für den Verlierer dürfte die Krise dagegen weitergehen. „Wir müssen uns jetzt regenerieren und das Spiel schnell aus den Köpfen bekommen. Dortmund ist ein neues Spiel, es geht wieder bei null los“, sagte Ex-BVB-Profi Florian Kringe.