Im Kampf um den Klassenerhalt sollen jetzt auch in Bremen Tabus gebrochen werden. Der erste Werder-Funktionär fordert eine Schulden-Politik. Und Investoren machen ein unmoralisches Angebot.

Bremen. Die Angst vor dem Abstieg erschüttert die scheinbar so heile Werder-Welt. Die nette Fußball-Familie von der Weser streitet jetzt auch öffentlich, und zwar ums Geld. Ausgerechnet der dienstälteste Werder-Funktionär fordert beim kriselnden Bundesliga-Schlusslicht einen „Strategiewechsel“ bei der bisher sehr vorsichtigen Finanzpolitik, was in Bremen einem Tabubruch gleichkommt – und zugleich eine Attacke auf Aufsichtsrats-Chef Willi Lemke ist.

Um den drohenden Abstieg des Bundesligisten zu verhindern, will Klaus-Dieter Fischer Schulden machen und mit Krediten in der Winterpause neue Spieler kaufen. Als einer der drei Geschäftsführer der GmbH & Co KGaA und als Präsident des Stammvereins ist Fischer einer der einflussreichsten Funktionäre an der Weser und fordert nun gleich in zwei Medien das bis vor kurzem Unvorstellbare.

Fischer war bisher auch ein Verfechter der hanseatischen Linie, dass nur ausgegeben wird, was in der Kasse ist. Jetzt fragt der führende Funktionär im Interview der „Kreiszeitung Syke“: „Was bedeutet eigentlich der Abstieg? Nach meinen Einschätzungen bedeutet das Umsatzeinbußen im zweistelligen Millionen-Bereich. Und was bedeutet dagegen eine kurzfristige, nicht zu umfangreiche Verschuldung, um in unser wichtigstes Gut – das Team – zu investieren?“

Die Antwort ist für Fischer klar. Er will Kredite aufnehmen, „damit wir für die Transferperiode im Winter gerüstet sind“. Dem „Kicker“ sagte Fischer: „Der traumhafte Werder-Weg ist auf Dauer nicht haltbar.“ Vor allem aber stellt sich der Geschäftsführer und Vereinspräsident damit gegen Lemke, den früheren Manager und jetzigen Chef des Aufsichtsrates.

Lemke überrascht von Aussagen Fischers

Der Vorstoß für eine Schulden-Politik hat Lemke, der am Mittwoch zu einer Russland-Reise aufbrach, unerwartet getroffen. „Der Vorschlag von Herrn Fischer kam für mich völlig überraschend“, sagte Lemke am Mittwoch. „Darüber werden wir mit der Geschäftsführung im Aufsichtsrat intensiv reden.“

Lemke und seine Kollegen in dem Kontrollgremium hatten noch vor wenigen Wochen den Vorschlag von Manager Thomas Eichin abgeschmettert, in den costa-ricanischen WM-Spieler Bryan Ruiz zu investieren. „Wir haben als Geschäftsführung mehrere Wege aufgezeigt. Dann wurde aber beschlossen, den bisherigen Weg weiterzugehen“, musste Eichin Ende August nach einer Sitzung mit dem Aufsichtsrat kleinlaut erklären.

Das Problem ist, dass Werder zwar noch immer einer der solidesten Bundesligisten ist, aber die Reserven aus sechs Jahren in der Champions League bald aufgebraucht sind. „Nach dem jetzigen Stand wird unser Eigenkapital am Ende der Saison aufgebraucht sein“, sagte Fischer.

Eine Lösung wären Investoren. Fischer bestätigte auch das Interesse von Bremer Unternehmern, mit Millionenbeträgen einzusteigen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass Aufsichtsratschef Lemke zurücktritt. „Das hilft Werder nicht weiter, wenn man die Unterstützung für den SV Werder an solche Bedingungen knüpft“, erklärte der zum Jahresende aus allen Ämtern ausscheidende Fischer. Nur Lemke „selbst kann entscheiden, wie sein weiterer Weg ist“.

Lemke zeigte sich grundsätzlich zu Gesprächen mit potentziellen Investoren bereit. In Anspielung auf den Hamburger SV sagte der Aufsichtsrats-Chef aber zu dem unmoralischen Angebot: „Falls es an personelle Forderungen geknüpft ist, fände ich das sehr bedenklich, denn es erinnert mich an Verhältnisse bei anderen Vereinen.“